Ulm News, 10.10.2023 15:07
Mit Herzmedikament gegen Krankenhauskeim: Ulmer Pharmakologen entschärfen gefürchteten Darmerreger


Beschreibung: v.l. Prof. Panagiotis Papatheodorou und Prof. Holger Barth
Fotograf: privat/Uni Ulm Elvira Eberhardt

Ein als Krankenhauskeim bekanntes Darmbakterium kann von einem Herzmedikament in Schach gehalten werden. Zu diesem überraschenden Ergebnis kamen Forschende um die Ulmer Pharmakologen und Toxikologen Panagiotis Papatheodorou und Holger Barth. Wie sie zeigen konnten, hemmt das Arzneimittel Amiodaron bestimmte Zellgifte des Darmerregers C. difficile. Die Ergebnisse des internationalen Kooperationsprojekts wurden nun in der Fachzeitschrift Gut Microbes veröffentlicht.
„Der bakterielle Darmerreger Clostridioides difficile ist ein gefürchteter Krankenhauskeim, der insbesondere dann auftritt, wenn Patienten mit bestimmten Antibiotika behandelt werden“, erklärt Professor Panagiotis Papatheodorou vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde des Ulmer Universitätsklinikums. „Weil diese Antibiotika jedoch viele nützliche Bakterien im Darm abtöten, ist dessen Mikrobiom, also die Gesamtheit der dort lebenden Mikroorganismen, gestört. So kann der Erreger sich im Darm ungehindert vermehren und seine Proteintoxine TcdA und TcdB ausscheiden.“
Diese Toxine dringen in die schützenden Epithelzellen auf der Darmoberfläche ein und schädigen sie, indem sie wichtige Schaltermoleküle inaktivieren. Dies verursacht Erkrankungen wie Antibiotika-assoziierte Diarrhoe oder gar die pseudomembranöse Kolitis, eine lebensbedrohliche Darmentzündung. „Bei schwerstverletzten Trauma-Patienten auf Intensivstationen können die C. difficile-Toxine zudem zu posttraumatischen Komplikationen führen“, erklärt Papatheodorou, zu dessen Forschungsschwerpunkten die zelluläre Aufnahme und Wirkweise bakterieller Giftstoffe zählt.
Ziel eines Kooperationsprojekts mit der Universität von Costa Rica war es nun, die Zellvergiftung durch C. difficile pharmakologisch zu verhindern. „Der Angriffspunkt, um die Giftstoffe des Bakteriums gezielt zu hemmen, ist ihre Abhängigkeit von Cholesterin in der Zellmembran der Wirtszellen“, so Professor Holger Barth. Der Leiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde, der die Rolle bakterieller Toxine im Bereich der Traumatoxikologie im Ulmer SFB 1149 untersucht, hat die Studie gemeinsam mit Professor Papatheodorou koordiniert. „Senkt man also den Cholesterin-Spiegel mit Medikamenten ab, gelangen TcdA und TcdB weniger effizient in die Zellen – und deren Vergiftung bleibt aus.“ Auf der Suche nach geeigneten Wirkstoffen bediente man sich dem Prinzip des „Drug Repurposing“, also der Erprobung bereits bekannter und lizenzierter Medikamente. Vorteile sind kürzere Weiterentwicklungs- und Zulassungszeiten sowie ein geringeres Risiko für unerwünschte Wirkungen.
Die Idee, ausgerechnet Amiodaron zu untersuchen, hatte die Medizin-Doktorandin Judith Schumacher. „Dieses Medikament wird eigentlich als Antiarrhythmikum zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt“, erklärt Schumacher, die am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde promoviert. „Meine Literaturrecherche hatte hervorgebracht, dass es Cholesterin-senkend wirkt. Wir prüften daher, ob eine Vorinkubation mit Amiodaron kultivierte Zellen auch vor einer Vergiftung mit TcdA und TcdB schützen kann.“
In ihren Experimenten untersuchten die Forschenden kultivierte Säugetier- und Humanzellen. Schlüsselergebnisse überprüften sie an künstlichen Darmorganoiden – von der Ulmer Core Facility „Organoids“ zur Verfügung gestellt –, die als Alternative zum Tierversuch dreidimensionale Modelle des menschlichen Darms darstellen. Mittels Licht- und Fluoreszenzmikroskopie machten die Forschenden sowohl die Wirkung der C. difficile-Toxine auf kultivierte Zellen und Darmorganoide als auch den Hemmeffekt durch Amiodaron sichtbar. „Unsere Grundannahme, dass Amiodaron aufgrund seiner Cholesterin-senkenden Wirkung in Zellen als Hemmstoff für TcdA und TcdB aus C. difficile infrage kommt, konnte dabei bestätigt werden“, so Schumacher.
Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in Gut Microbes veröffentlicht, der führenden Forschungszeitschrift auf dem Gebiet der Darm-Mikrobiota und -Erreger. Der Publikation zufolge stellte man zudem fest, dass Amiodaron die Toxine noch über einen weiteren Mechanismus hemmt. „Um ihren toxischen Anteil in das Zellinnere zu transportieren, bilden die Toxine eine Membranpore“, so Panagiotis Papatheodorou. „Unseren Daten nach hemmt Amiodaron diesen Vorgang, indem es direkt mit dieser Membranpore wechselwirkt – selbst bei TcdA- und TcdB-Varianten aus einem besonders virulenten und
epidemisch auftretenden C. difficile-Stamm.“
Die zunehmende Resistenz des Bakteriums gegen Antibiotika mache die Behandlung entsprechender Erkrankungen und posttraumatischer Komplikationen zunehmend schwer, so der Forscher. „Das Herzmedikament Amiodaron könnte eine Begleittherapie von C. difficile-assoziierten Erkrankungen darstellen, die aber zunächst noch in klinischen Studien untersucht werden muss.“ Unterstützt wurde das Projekt durch Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).







Highlight
Weitere Topevents




Paketdienst kracht gegen Pizzeria - Horrorunfall
Er hinterließ ein großes Trümmerfeld - der Pizzabäcker saß zwei Meter daneben, als ein Paketdienst in...weiterlesen

Ampelmast stürzt auf Schülerin - eine Verkettung unglücklicher Unfälle
Ein Fehler beim Spurwechsel löste am Montagmittag eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus. Am Ende gab...weiterlesen

Auch vierte Person nun gestorben nach fatalem Verkehrsunfall zwischen Ulm und Thalfingen
Wie die Polizei aktuell mitteilt, erlag nun auch der schwer verletzte 87-jährige Beifahrer des VW am...weiterlesen

Ein Messie-Haus in Bermaringen brennt aus - Rauch in 10 km noch zu sehen
Vollkommen ausgebrannt ist heute Morgen am 1. Mai ein Wohnhaus im Bausteinen Stadtteil Bermaringen. Gegen...weiterlesen

Glanzlicht der Woche - „Abnehmspritze“ für Jugendliche mit extremer Adipositas – Uniklinik Ulm weist Therapieoption nach
Im Deutsches Ärzteblatt werden aktuell Ergebnisse einer Verlaufsbeobachtung veröffentlicht, die auch...weiterlesen

Für innovative Lehrkonzepte: Zwei Ulmer Hochschulen erhalten Förderung
Gleich zwei Projekte aus Ulm werden für innovative Lehrkonzepte gefördert: Bei der bundesweiten...weiterlesen

Und es wurde heiter: Sperrung Geh- und Radwegsteg über die Donau bei der Adenauerbrücke - erst im Juli mit Ersatz
Aber hoppla: für den 1. Mai 2025 war die Sperrung der Brücke aufgehoben - wohl noch bis kommenden...weiterlesen

Arbeitsunfall endet tödlich
Wie das Polizeipräsidium Ulm mitteilt kam am Mittwoch für einen 62-Jährigen in Albershausen (Kreis...weiterlesen