Ulm News, 24.12.2015 10:00
„Zeitarbeitspläne der Regierung gefährden Jobs“
„Die geplanten Neuregelungen sehen einen massiven Eingriff in die verfassungsmäßig geschützte Tarifautonomie vor und greifen in ein funktionierendes Tarifsystem ein“, kritisieren Peter Roth, Thomas Schlömp und Armin Zeller, alle drei Geschäftsführer von Inhaber geführten Ulmer Zeitarbeitsfirmen. Nach deren Beobachtung führen die geplanten Einschränkungen des Bundesarbeitsministeriums schon jetzt zu einer tiefen Verunsicherung bei unseren Kunden.
Zwischen Ulm, Biberach und Heidenheim sind rund 110 Zeitarbeitsunternehmen aktiv. Die Zeitarbeitnehmerquote beträgt im Durschnitt beim Anteil der sozialversicherungspflichtigen Zeitarbeitnehmer an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 2,6 Prozent, der Anteil der Zeitarbeitnehmer an allen Erwerbstätigen beträgt im Durchschnitt 2,0 Prozent. Diese Zahl sei auch in den vergangenen Jahren immer gleich geblieben, während gleichzeitig die Arbeitslosenquote immer geringer wurde. „Die Zeitarbeit ist kein Jobkiller und schafft auch keine unterbezahlten Jobs“, so Thomas Schlömp, Geschäftsführer der APV Personalservice GmbH. Zeitarbeit ermögliche vielen Menschen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt und sei t für deutsche Unternehmen ein Flexibilitätsinstrument. Die Zeitarbeit unterliegt zu 100 Prozent dem deutschen Arbeitsrecht.
„Die Pläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles sind nicht nachvollziehbar, weil die Zeitarbeitsfirmen auch bereits seit zwei Jahren Tariflohn zahlen, der über dem Mindestlohn liegt, ergänzt Armin Zeller, Landesbeauftragter für BW des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) und Inhaber der Firma „Ulmer Zeitarbeit“. Die Vorschläge aus dem Arbeitsministerium halten die Ulmer Geschäftsführer für wenig praktikabel. So sollen Zeitarbeiter nur noch 18 Monate – bislang war es unbegrenzt - einem Betrieb überlassen werden. Gleichzeitig soll der Zeitarbeiter – nach vorheriger Qualifizierung und Einarbeitung - bei gleicher Arbeit den gleichen Lohn eines Festangestellten bereits nach neun oder zwölf Monaten erhalten.
„Equal pay nach einer gewissen Zeit ist völlig okay“, sagt Peter Roth. Problematisch sei aber, dass „sämtliche auf den Lohnabrechnungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer ausgewiesenen Bruttovergütungsbestandteile wie vermögenswirksame Leistungen und Sachbezüge wie Auto, ÖPNV-Karte oder Handy zählen“. „Wir müssten alle unsere Kunden abfragen, welche Zusatzleistungen sie ihren Mitarbeitern bieten. Das ist kaum zu bewältigen und wahrscheinlich von unseren Kundenfirmen auch nicht erwünscht“, bemängelt Thomas Schlömp. Die Zeitarbeitsfirmen sind allerdings gezwungen, alle Zusatzleistungen der Firmen einzurechnen. „Bei Verstoß gegen den Equal Pay-Grundsatz droht die Arbeitsministerin mit zwei Sanktionen, nämlich dem Entzug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und ein Bußgeld von bis zu 500 000 Euro. „Das ist gleichzusetzen mit einem Berufsverbot“, ärgern sich die Geschäftsführer der Inhaber geführten Zeitarbeitsfirmen aus Ulm über den Gesetzesentwurf.
Ihrer Meinung nach widersprechen sich beide Vorschläge. Der Zeitarbeiter erhält nach zwölf Monaten den gleichen Lohn, muss aber nach 18 Monaten den Betrieb verlassen. Gleichzeitig darf jedes Unternehmen derzeit die Beschäftigung auf zwei Jahre befristen. Zeitarbeitsfirmen investieren viel Zeit und Geld in ihre Mitarbeiter, um diese für die Aufgaben im jeweiligen Unternehmen zu qualifizieren. „Die Zeiten, in denen es ausreichte, auf einen roten und einen grünen Knopf zu drücken, sind vorbei“, verdeutlicht der APV-Geschäftsführer Thomas Schlömp die Problematik. „Wir brauchen für die Industrie 4.0 motivierte Mitarbeiter. Das geht nur mit gut ausgebildeten Fachkräf
ten mit entsprechenden Qualifikationen, gutem Lohn und guter Betreuung“, ergänzten die Experten.
Wenig Hoffnung haben die Ulmer Experten, Flüchtlinge über die Zeitarbeit schnell in Arbeit zu bringen. In den Unternehmen in der Region gibt es maximal zwei Prozent Jobs im „Helferbereich“, also mit einfachsten Tätigkeiten. Elementar auch für diese Jobs seien Mobilität und Deutschkenntnisse. An qualifizierten Mitarbeitern haben die Zeitarbeitsfirmen allerdings großes Interesse.





Highlight
Weitere Topevents
Keine Gaudi: das Ulmer Münster wird auf ewig den höchsten Kirchturm der Welt haben – mit einem Zusatz
Auch wenn die Sagrada Familia von Architekt und Künstler Antonio Gaudi sich anschickt, das Prädikat...weiterlesen
Festliches am Blaubeurer Ring in Ulm: vier Jahre Baustelle und Umleitung beginnen mit Musik und Streetfood
In das Schicksal der langjährigen Bausstelle kann man mit Tristesse gehen - oder mit einem Fest. So...weiterlesen
Neue Erkenntnisse im rätselhaften Todesfall Rafael Blumenstock auf dem Ulmer Münsterplatz
Ein neuer True-Crime-Podcast in der ARD-Audiothek beschäftigt sich unter dem Titel "Der Schrei" mit...weiterlesen
Autorennen geht tödlich aus - Blaustein ist schockiert, und selbst die Einsatzkräfte
Die Unfallstelle am Dienstagabend auf der Bundesstraße 28 bei Blaustein ließ auch erfahrene...weiterlesen
Grausame Tat: zahlreiche Bäume in Weißenhorn malträtiert - Zeugenaufruf
Der Polizei wurde angezeigt, dass im Stadtwald bei Emershofen in den letzten Jahren und Monaten wiederholt...weiterlesen
20 Durchsuchungen gleichzeitig in der Region Ulm durch die Polizei
Nach umfangreichen Ermittlungen hat die Kriminalpolizei am Mittwochmorgen 20 Wohnungen und Häuser...weiterlesen
Jetzt kommt wohl doch das grundlegende Beben bei den Spatzen nach der deftige 0:5-Heimniederlage
Der SSV Ulm befindet sich nach der 0:5-Heimniederlage gegen Hansa Rostock in einer handfesten Krise und...weiterlesen
Frau mit Schwert sorgt in Senden für Polizeieinsatz
Am Samstag kam es kurz vor ein Uhr mittags zu einem Großeinsatz der Polizei in Senden. Passanten hatten...weiterlesen







