Ulm News, 20.11.2024 11:15
MINT braucht Influencer

Berufe in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, MINT genannt, sind von zentraler Bedeutung für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung.
Das Interesse an einer Ausbildung in diesem Bereich nimmt in Deutschland aber dramatisch ab. Das wird zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problem, wie eine mit 150 Unternehmerpersönlichkeiten gut besuchte Vortragsveranstaltung des Vereins initiative.ulm.digital in der Sparkasse Ulm zeigte.
"Dem Land der Tüftler und Erfinder gehen die Talente aus - Wie machen wir MINT-Berufe wieder attraktiv und sexy?“ lautete das Thema des Abends, über das Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Lehre diskutierten auf der Bühne.
Das Interesse an MINT-Fächern schon in der Schule und auch an den MINT-Berufen lässt aktuell dramatisch nach. Das könnte für die Ingenieursstädte Ulm und Neu-Ulm und die Unternehmen dort und für ganz Deutschland zu einem großen Problem werden. Denn MINT-Berufe sind entscheidend für Innovation, wirtschaftliches Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Davor warnten alle Referenten in ihren kompakten, zehnminütigen Vorträgen.
„Wie machen wir MINT wieder sexy“, fragte Heribert Fritz, Vorsitzender der initiative.ulm.digital, bei der Begrüßung und wies auf den drohenden Mangel an Fachkräften in naher Zukunft und daraus resultierenden Problemen für die Wirtschaft hin. Das Interesse an MINT-Fächern schon in der Schule, im Studium und auch an den MINT-Berufen lässt aktuell deutlich nach.
Das wiederum könne speziell für unsere Ingenieurs- und IT-geprägten Städte Ulm und Neu-Ulm und natürlich die Region darum herum und für ganz Deutschland zu einem erheblichen Problem werden, warnte Fritz. Schließlich seien MINT-Berufe entscheidend für Innovation, wirtschaftliches Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, gerade für neue wichtige Themen wie Klima, Umwelt, Mobilität, Innovation, Logistik und auch Digitalisierung.
Oliver Neuschl, Geschäftsführer der Beurer GmbH in Ulm, wies auf ein „verstaubtes Berufsbild“ hin, nachdem „Tüftler allein im Keller sitzen“. Die Realität sehe komplett anders aus. Ingenieure arbeiteten heute bei Beurer in einem „dynamischen, internationalen Umfeld in modernen Büros und hellen Entwicklungsräumen“. „Wir brauchen MINT-Nachwuchs in allen Bereichen und Abteilungen“, sagte der Geschäftsführer des Ulmer Gesundheitsanbieters und fügte hinzu: „Auch die Digitalisierung braucht MINT“. Technik sei außerdem keine Männerdomäne, bei Beurer schon gar nicht, wo das Verhältnis im Technikbereich bei 50 zu 50 liege. Beurer biete dem MINT-Nachwuchs ein 18-monatiges Traineeprogramm, bei denen die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Auslandsniederlassungen in China, Ungarn oder Italien Erfahrung sammeln können.
Den Stellenwert der MINT -Berufe in der Gesellschaft hinterfragte Professor Dr. Volker Reuter. „Dass MINT unseren Wohlstand ermöglicht hat, ist in der Gesellschaft nicht angekommen“, stellte der Rektor der Technischen Hochschule Ulm (THU) fest. Als alarmierend bezeichnete er den Umstand, dass das Vertrauen in die Wissenschaft nachlasse und diese an Ansehen verliere. Fest verankert seien auch Vorurteile, wonach Mathematik und Physik nichts für Mädchen seien und bei der Erziehung vielfach immer noch der der Sohn einen Technik-Baukasten geschenkt bekomme und die Tochter eine Puppe. Zudem kritisierte Reuter die schlechte Finanzierung der Hochschulen durch Bund und Land. All dies sei eine „gefährlichen Entwicklung, gegen die wir alle ankämpfen müssen“, sagte der Ulmer THU-Rektor unter Beifall.
Das herrschende „klassische Rollenbild“ bemängelten auch Bettina Grünberg und Greta Grüner, Oberstufen-Schülerinnen am St. Hildegard Gymnasium Ulm. Für die jungen Frauen sind die Naturwissenschaften „faszinierend und die Wissenschaft allgemeingültig“. Folglich seien die Ergebnisse überall auf der Welt gleich, so dass man gut international arbeiten könne. Wie macht man MINT-Fächer in der Schule sexy? Rollenbilder abbauen, Anwendungen und nicht nur Formeln im Unterricht erklären und Frauen gezielter ansprechen und für die Naturwissenschaften motivieren, schlugen die beiden Oberstufenschülerinnen klar und strukturiert vor. Denn 70 Prozent der Mädchen würden sich für MINT interessieren. Ausschlaggebend seien aber Vorbilder oder auch die Eltern, „die das Interesse an den Naturwissenschaften vorleben“.
Aus Lehrersicht sprach Rolf Stökler, Leiter des Schülerforschungszentrum des Planetarium Laupheim, das Kinder und Jugendliche mit Projekten und Experimenten lockt – und damit sehr erfolgreich ist. Die Kurse sind schnell ausgebucht. „Die Kinder haben bei den Projekten ein Ziel, fangen an und lösen auf dem Weg Probleme“, so Stökler. Naturwissenschaften kosten Geld. Sponsoring im Sport sei völlig normal, „im MINT-Bereich aber wenig ausgeprägt“. Dabei böten die Naturwissenschaften „unfassbare Vorteile“ für Kinder und Jugendliche.
„Es fehlen aktuell 300 000 junge Leute“, bezifferte Prof. Dr. Frank Kargl, Institutsdirektor an der Universität Ulm, der auch die anschließende Podiumsdiskussion leitete, das MINT-Problem. Dabei sei eine Ausbildung in diesen Bereichen wichtig für die großen Herausforderungen unserer Zeit, wie Energiewende, Klimaschutz oder digitale Transformation. Die Zahl der Studierenden im Bereich Informatik sei leicht ansteigend und okay, bei den anderen MINT-Fächern gebe es aber einen Rückgang von 70 Prozent. Nur 11 Prozent der Studierenden seien Frauen. Es drohe ein „massiver Fachkräftemangel“. Das habe zur Folge, dass man sich schnell um Studierende und Fachkräfte aus dem Ausland bemühen und die Attraktivität von MINT-Berufen verbessern müsse.
Kinder zwischen 7 und 14 Jahren benötigen Vorbilder, sagte Gerd Braig. Stünde das M in MINT statt für Mathematik für Mode oder Musik gäbe es die MINT Influencer, stellte der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der über 50 Schulen in Ulm fest. „Wir brauchen also Influencer für Mathe und Physik und das können alle Eltern und alle hier Anwesenden sein“, so Braig.
Auch Carlos Catala Rubio, Projektleiter des Studierendenprojekts ‚Einstein Motorsport‘, warb für mehr spannende Projekte wie das, für das er sich und viele andere Studierende vielen Stunden neben dem Studium engagieren und dafür brennen. Die Konstruktion des Elektro-Rennwagens und der Rennstall dazu begeistert viele Studierende. Neben der finanziellen Unterstützung sei für das Einstein Motorsport-Team wichtig, das Unternehmen auch mitmachen, Material und Workshops anbieten und „mit uns zusammenarbeiten“. Diese Kontakte seien für Unternehmen und Studierende auch für die Zeit nach dem Studium wichtig.
„Wir sollten alle Botschafter für MINT sein, auch im privaten Kreis“, appellierte Prof. Dr. Volker Reuter. Ein Problem sei, dass in der Politik vorwiegend Geisteswissenschaftler über die Naturwissenschaften entscheiden. „MINT muss auch in der Politik besser vertreten sein“. Auch er wünscht sich mehr ausländische Studierende und bezeichnete es als Skandal, dass nur in Baden-Württemberg Hochschulgebühren von jungen Menschen aus dem Ausland verlangt werden.
Auch Dr. Martin Bader brach eine Lanze für MINT-Fächer. Der Schulleiter des Lessing-Gymnasium Neu-Ulm, das mit seiner Robotik AG ganz besondere Projekte anbietet und damit alle Jahre bei Weltmeister- und Europameisterschaften erfolgreich ist. Die Kurse in der Schule sind begehrt. „Die Kinder, die wir begeistert haben, studieren später diese Fächer“, berichtete Bader. Ein weiterer Vorteil: „Die Kinder aus den Robotik-AGs wissen, was sie wollen, weil sie damit schon in der Schulzeit erfolgreich waren“.
INFO
Die Unternehmerinitiative „initiative.ulm.digital e.V.“ möchte Chancen und Herausforderungen, die das Thema Digitalisierung mit sich bringt, für die Stadt Ulm, die Wirtschaft und die Bewohner nutzen und fördern. Der 2016 gegründete Verein mit derzeit über 80 Mitgliederunternehmen und privaten Unterstützern hat das Ziel, die digitale Transformation aktiv zu gestalten, um so den Standort Ulm als digitale Stadt zu stärken und ihn zu einer digitalen Vorzeigestadt zu entwickeln. Vorsitzender ist Heribert Fritz.






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