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Ulm News, 06.07.2023 16:05

6. July 2023 von Thomas Kießling
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Von der Militärmedizin lernen - Combat Medical Care Conference in Blaubeuren


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Beschreibung: Rund 1 200 Teilnehmer aus 36 Ländern haben sich an den Hessenhöfen versammelt, um sich über taktische Medizin auszutauschen.

Fotograf: Thomas Heckmann

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 Rund 1 200 Teilnehmer aus 36 Ländern hat die CMC-Konferenz diese Woche auf den Blaubeurer Hessenhöfen. Die Combat Medical Care Conference findet zum fünften Mal in der Region statt, zum ersten Mal auf der Alb. 
Text/Fotos für ulm-news: Thomas Heckmann

Unzählige verschiedene Uniformen sind am Mittwoch und Donnerstag rings um das Blaubeurer Tagungszentrum zu sehen. Militäruniformen, Polizeiuniformen und Rettungsdienstkleidung. Dazu kommen noch die Ärmelabzeichen, die noch genauer die Herkunft zeigen. Soldaten aus dem Niger oder Irak, auch einige Soldaten aus der Ukraine. Polizisten von SEK, MEK, BKA oder GSG9, dazu aber auch FBI-Mitarbeiter.
Eines haben sie alle gemeinsam, das Interesse an der taktischen Medizin. Darunter verstehen die Kongressteilnehmer hochwertige medizinische Behandlung unter störenden Einflüssen betreiben zu können und dabei die Prioritäten richtig zu setzen. In Kriegsgebieten müssen Verletzte gerettet und versorgt werden, während die Helfer beschossen werden. In Europa müssen Dutzende Opfer eines Anschlages versorgt werden, im ersten Moment gibt es zu wenige Helfer, wer bekommt nun wie viel Hilfe, um möglichst viele Menschen zu retten. 

Um möglichst viele Aspekte der taktischen Medizin beleuchten zu können, gibt es 36 Workshops und rund 90 Vorträge zu einem breiten Themenangebot. Warmblutspenden, Brillen für Virtuelle Realitäten, Stressbewältigung, Wundversorgung. Das Angebot scheint endlos zu sein und die Kongressteilnehmer haben die Qual der Wahl. Doch nicht jeder Teilnehmer darf überall zuhören. Die Kontrollen an der Tür zum Vortrag des FBI rings um amerikanische Terroranschläge sind streng.
Die meisten Vorträge stellen die Zusammenarbeit in den Mittelpunkt. Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Einsatzsanitäter gab es früher nicht im heutigen Maß. Das störte auch den Ulmer Arzt Florent Josse, der einer der Erfinder der CMC ist. Wenn im Einsatz Ärzte nicht sofort verfügbar sind, müssen Sanitäter erweiterte Maßnahmen durchführen, zum Beispiel Blutstillung auch mit Medikamenten. Um den Austausch zu befördern und sich über die gesamte Rettungskette vom Ersthelfer bis zum Klinikarzt besser zu verstehen, entstand die mittlerweile weltweit zweitgrößte Konferenz zu diesen Themen, nur in den USA gibt es noch eine größere Konferenz. Die Erfahrungen der Militärmediziner sind aber auch für die zivilen Mediziner interessant. Und wurde das voneinander Lernen noch weiter ausgedehnt. Das Ganze dann noch international, denn jedes Land hat andere Erfahrungen.
Und zwischen der letzten und der aktuellen Konferenz, die normalerweise alle zwei Jahre stattfindet, wurde die Konferenz von der Realität überholt. Nicht einmal 1 000 Kilometer entfernt tobt ein Landkrieg, wie ihn sich kaum jemand für Europa vorstellen konnte.

Der Ukraine-Krieg nimmt daher auch einiges an Raum ein. Ukrainische Mediziner berichten aus erster Hand von ihren Erfahrungen, darunter die Masse an Patienten und auch die fehlenden Transportkapazitäten, um die Verletzten in geeignete Krankenhäuser zu bringen.
Hier hakt auch Dr. Stephan Schoeps ein, der Generalstabsarzt a.D. ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie. Am Rande der Konferenz spricht Schoeps davon, dass die Bundeswehr nicht in der Lage ist, mit den vorhandenen Fahrzeugen Hunderte Patienten „nach Hause“ zu holen. Er denkt über Krankentransportzüge nach, die es mittlerweile in Frankreich gibt und die es auch zu Zeiten des Kalten Krieges in beiden Teile Deutschlands durch Umbausätze für vorhandene Waggons gab. 

Das gegenseitige Kennenlernen von Rettungsdienst, Polizei und Militär ist ein Schlüssel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, daher wird auch viel zusammen geübt. Ein polnischer Diensthundeführer lässt an seinem Drogenspürhund Kongressteilnehmer üben, wie man einen Hund in den Schwitzkasten nimmt, damit man einen verletzten Vorderlauf des Hundes ohne weitere Hilfsmittel untersuchen und behandeln kann. Was sich schon ein Mensch nicht von einem Fremden gefallen lässt, toleriert der erfahrene Hund vollkommen ungerührt.

Schüsse hallen durch den Wald

Eine der heftigsten praktischen Übungen findet am Mittwochnachmittag als Zirkeltraining im Wald hinter den Hessenhöfen statt. An fünf Stationen üben insgesamt 60 Teilnehmer die Zusammenarbeit mit anderen wildfremden Helfern. Der DRKler muss plötzlich gemeinsam mit einem Polizisten, den er noch nie vorher gesehen hat, Wunden versorgen. Um Stress zu erzeugen und die Helfer an ihre Grenzen zu bringen, haben sich die Trainer herausfordernde Szenerien ausgedacht. 

Die Koniotomie, also ein Zugang zur Beatmung am Kehlkopf, kann Leben retten, muss aber vorher geübt werden. An Schlachtabfällen von Schweinen wird das geübt, da die Luftröhre der Schweine der menschlichen Luftröhre sehr ähnlich ist. Nachdem das beherrscht wird, wird der Stresslevel schlagartig erhöht. Eine junge Frau hängt an einem Baum und hat offenbar versucht, sich mit einem Strick zu erhängen, sie röchelt noch, Schaum quillt aus ihrem Mund. Es ist nur gespielt, die Schaum wurde mit Brausepulver erzeugt und der Strick ist weit genug offen, um problemlos atmen zu können.

Jetzt muss das Team schnell handeln, die Frau abhängen und einen Kehlkopfschnitt setzen. Nicht bei jeder Gruppe klappt das auf Anhieb, der Trainer erklärt, wo die Fehler lagen und es wird nochmal versucht, dann klappt es. 

An einer anderen Station sollen die Helfer ein paar Verletzte versorgen, doch dann werden es immer mehr, aus allen Richtungen kommen weitere Verletzte. Um wen kümmert man sich jetzt? Schnell die lebensbedrohlichen Probleme erkennen und die Leichtverletzten irgendwie vertrösten, bis weitere Helfer da sind. 

Weiter geht es mit einer Explosion und dadurch mehrere Verletzte. Die Verletzten werden zu einem Sammelplatz gebracht, doch dann fallen Schüsse. Nicht nur einer, mehrere, ganze Schuss-Salven, dazu schreien Menschen. Für zufällige Waldbesucher bedrohliche Augenblicke, doch die Polizei ist informiert, falls Notrufe eingehen.
Für die Helfer kommt zum Stress durch viele Patienten noch die Gefahr für das eigene Leben. Alle müssen in Sicherheit gebracht werden. Polizisten sichern Sanitäter mit Waffen ab, Verletzte werden geschultert und dann geht es gemeinsam in einen simulierten Schützengraben. Hier kommen zwar die Waffen der Angreifer nicht hin, doch es ist eng. Immer wieder Schreie. Wie kann man sich nun auf seinen Patienten konzentrieren und wie kann man in der Enge arbeiten. Für Rettungsdienst-Mitarbeiter ungewohnt, doch auch die Soldaten können jetzt nicht nur kämpfen, sie müssen auch schützen. 

Das Zirkeltraining ist noch nicht vorbei, es geht weiter zu einem Verkehrsunfall. Sanitäter sind es gewohnt, dass die Mimen aufwändig geschminkt sind, um Wunden zu simulieren. Ein künstlicher Arm oder ein künstliches Bein liegen abgerissen daneben und sollen versorgt werden. Doch dann merkt man im Gesicht des Helfers Irritation. Normalerweise hat der Mime das echte Bein unter einer Decke versteckt, doch der Mime, dem das linke Bein abgerissen wurde, hat kein Bein versteckt. Ihm fehlt das Bein ab dem Oberschenkel wirklich, stattdessen hat sich der Mann einen blutigen Stumpf umgeschnallt, der mit einem Tourniquet abgebunden werden muss.
Das Tourniquet war früher nur in der Militärmedizin geläufig, die guten Erfahrungen haben diese Abbindeeinrichtung in die zivile Medizin überführt. Schoeps spricht davon, dass heutzutage nahezu jeder Rettungswagen so ein Tourniquet dabei hat. Der Blutverlust ist in Deutschland die häufigste Todesursache bei den unter 40-Jährigen, das Tourniquet ein preisgünstiges Hilfsmittel im Kampf gegen den zu frühen Tod.

Beim Kennenlernabend zeichnen die Organisatoren einige verdiente Helfer aus. Darunter posthum den Schweizer Cédric Mathias, der vor wenigen Wochen im Alter von 46 Jahren bei einem Tauchunfall verstorben ist. Der Mediziner engagierte sich über die Maßen im Sanitätsdienst des schweizer Militär, auch ihm lag der Wissensaustausch zwischen Militär und Rettungsdienst besonders am Herzen. Tragischerweise starb ein Jahr vor seinem eigenen Tod sein Vater und im Frühjahr dann sein jüngerer Bruder.
Mit einer Videobotschaft zugeschaltet war die Ukrainerin Alina Mykhailova, die vom zivilen Rettungsdienst kommend seit Kriegsbeginn in der ukrainischen Armee als Sanitäterin aktiv ist. Anfang März wurde ihr Kommandeur, der auch gleichzeitig ihr Verlobter ist, bei Gefechten schwer verwundet. Bei der mehrstündigen Fahrt in eine Klinik versorgte sie ihren Partner, doch er erreichte die Klinik nicht mehr lebend. Anstatt nach außen hin erkennbar zu trauern kehrte sie zu ihrer Einheit zurück, um dort weiteren Menschen zu helfen.
Der Kommandeur des Ulmer Bundeswehrkrankenhauses, Generalarzt Dr. Johannes Backus, nahm das spontan zum Anlass, um die Kongressteilnehmer zu einer spontanen Gedenkminuten aufzufordern.

Gerade die Erfahrungen der Ukrainer haben auch Entwicklungen in der Bundeswehr beschleunigt, so wurde das Projekt SOST (Special Operations Surgical Team) vorgestellt, dass es ermöglicht, selbst einen Lieferwagen zu einem chirurgischen Operationssaal umzufunktionieren. Wenn in Krisengebieten die Transportzeiten von der Verwundung bis zur Klinik zu lange werden, um einen Verletzten rechtzeitig chirurgisch zu versorgen, kann das SOST-System zum Einsatz kommen. Ein Chirurg und ein Anästhesist können so einen Patienten so weit chirurgisch erstverborgen, dass er auch längere Transportzeiten in eine Klinik überstehen kann. Dabei kann die Ausrüstung in ein gepanzertes Fahrzeug oder einen normalen Lieferwagen eingebaut werden. Genauso kann ein Zelt oder ein Gebäude verwendet werden.

Das Interesse der Fachwelt an dem Kongress ist seit Jahren größer werdend, nachdem das Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm zu klein wurde und auch dieses Jahr renoviert wird, zog man auf die Alb um und auch für den nächsten Kongress in zwei Jahren steht der Termin bereits fest.



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