Ulm News, 11.12.2022 11:35
Ghostwriting – unfair, illegal oder verständlich?

Ghostwriting verbreitet sich immer mehr unter Studierenden. Genauso wie bei leistungssteigernden Substanzen wie Ritalin, stellt sich daher die Frage, wie gefährlich dies ist und ob etwas dagegen unternommen werden muss, oder ob es sich lediglich um eine harmlose Randerscheinung handelt.
Was ist Ghostwriting?
Ghostwriting ist erst einmal nur die Inauftraggabe eines Textes bei einer Ghostwriter-Agentur. Zunächst ist das weder illegal noch unbedingt moralisch anstößig. Der heikle Part liegt in der Aneignung eines Textes, der von einem Ghostwriter geschrieben wurde, durch eine andere Person, die sich in der Folge als Autor dieses Textes ausgibt. Diese Dienstleistung haben in der Vergangenheit auch Roman- oder Belletristikautoren schon in Anspruch genommen.
In der Regel hatte das Auffliegen solcher Fälle keine schlimmeren Folgen, als dass der Ghostwriter bei weiteren Auflagen ebenfalls als Autor oder als Co-Autor geführt wurde. Insbesondere das Genre der Autobiografien wäre um eine ganze Menge an Publikationen ärmer, wenn es keine Ghostwriter gäbe. Wahrscheinlich hätte auch kaum ein Politiker je ein Buch geschrieben, wenn er nicht auf diese Dienstleistung zurückgegriffen hätte. Alle möglichen Menschen haben sich auf diese Art und Weise mit fremden Federn geschmückt, wie es im Volksmund heißt. Und in den meisten Fällen wurde ihnen dies verziehen und dem Verkaufserfolg der Bücher haben die kurzlebigen Skandale in der Regel auch nicht geschadet.
Doch in anderen Fällen mussten Politikerinnen und Politiker auch schon zurücktreten, nachdem die Presse sie beim Schummeln erwischt hatte. Der Ex-Wirtschafts- und Finanzminister zu Guttenberg und die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin sowie die amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey fallen spontan als prominente Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit ein. Es stellt sich die Frage: Was darf ein Ghostwriter schreiben? Wann ist eine unklare Autorenschaft von untergeordneter Bedeutung und wann wird sie zum Fallstrick?
Ist Ghostwriting illegal?
Die einfache und eindeutige Antwort lautet: Nein, es ist nicht illegal. Der Ghostwriter und die Ghostwriting Agenturen bieten eine ganz legale Dienstleistung an und brauchen keine Angst vor dem Gesetz zu haben. Etwas anderes ist die Aneignung der Autorenschaft durch eine Person, die den fraglichen Text nicht geschrieben hat. Hierbei handelt es sich unter Umständen um Betrug, der auch strafrechtlich verfolgt werden kann. Doch bei der Beurteilung dieses Tatbestands spielen die Umstände eine große Rolle. Im Kunst- und Kulturbereich etwa ist das Abtreten der eigenen Rechte an dritte Personen weder unüblich noch illegal. Die trifft jedoch nicht für den akademischen Bereich zu, speziell, wenn es um akademische Grade und Abschlüsse geht. Nicht ohne Grund ging es bei den Skandalen um die oben aufgeführten Politiker, immer um die Doktorarbeit und die Verleihung des entsprechenden akademischen Grades.
Allerdings haben erwähnte Personen keinen Ghostwriter beauftragt, sondern schlicht geschlampt und plagiiert, also die Standards wissenschaftlichen Arbeitens unterlaufen. Sie haben daher auch weder straf- noch zivilrechtliche Schritte zu befürchten. In ihren Fällen haben sie zwar persönlich das Ziel verfehlt, eine ordentliche Dissertation zu schreiben, doch versagt haben eigentlich die Kontrollorgane der Universitäten sowie die Betreuer der Doktorarbeiten, die Exzellenz bescheinigt hatten, wo eigentlich nur Mangelhaftigkeit festzustellen war.
Wie ist Ghostwriting unter Studierenden zu bewerten?
Wenn sich Studierende Hausarbeiten, Bachelor- oder Masterarbeiten oder sogar Dissertationen bei Ghostwriting Agenturen einkaufen und diese Arbeiten als ihre eigenen ausgeben, verschaffen sie sich unfaire Vorteile gegenüber ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Diese haben schließlich statt Geld viel Zeit und Arbeit in ihre Prüfungsleistungen investiert. Wird dies nicht entdeckt, führt es in der Folge zu gleichwertigen Abschlüssen unter vollkommen ungleichen Bedingungen.
Studierende, die allen schwierigen Prüfungen aus dem Weg gehen konnten, erhalten die gleichen Abschlüsse wie jene, die sich durchgekämpft haben. Damit werden Qualifikationen entwertet und der Arbeitsmarkt durcheinandergebracht. Im Extremfall landen vollkommen ungeeignete Bewerber auf Stellen, auf die sie sich unter normalen Umständen gar nicht bewerben dürften und die sie nicht adäquat ausfüllen können, mit allen negativen Folgen, die dies für den Arbeitgeber und die Volkswirtschaft haben kann.
Wenn Studierende überführt werden, sich Ghostwriter-Texte angeeignet zu haben, was im derzeitigen System äußerst unwahrscheinlich ist, kann ein Betrugsfall und eventuell auch eine Urkundenfälschung vorliegen. In jedem Fall verstoßen sie gegen die Prüfungsordnung ihrer jeweiligen Universitäten und können zwangsexmatrikuliert werden. Wer nun glaubt, es gäbe gar keine nachvollziehbaren und rechtfertigbaren Gründe, sich bei Ghostwritingagenturen zu bedienen, der muss sich nur einmal die Situation eines Studierenden vorstellen, der sich zum Ende der Prüfungszeit eine schlimme Grippe oder Ähnliches einfängt.
Der Studierende hat vielleicht schon drei oder vier Prüfungen im gleichen Prüfungszeitraum absolviert und würde jetzt gerne noch eine Hausarbeit schreiben, damit er im nächsten Semester abschließen kann. Jetzt hindert ihn die Krankheit daran. Und da sein Studium eng getaktet ist, kann er es nicht mehr schaffen, die verlorenen Tage aufzuholen. Soll dieser Studierende tatsächlich ein halbes Jahr länger studieren, nur weil er ungünstig krank geworden ist?










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