Ulm News, 18.05.2022 15:13
Insektensterben auf der Spur: Landnutzung und Klima stören Kolonieentwicklung der Steinhummel
Beschreibung: Experimentierfläche im Biodiversitäts-Exploratorium Schwäbische Alb, an der Hummeln gesammelt wurden. Die Klimastation jeder Untersuchungsfläche zeichnet verschiedene Klimadaten auf
Fotograf: Uni Ulm/Hailer
Bienen, Hummeln und andere Insekten sind für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen unersetzlich. Doch seit Jahren geht ihr Bestand massiv zurück. Ulmer Forschende sind dem Insektensterben auf der Spur: In den Biodiversitätsexploratorien haben sie nachgewiesen, dass die Landnutzungsintensität und klimatische Veränderungen das chemische Duftprofil und die Körpergröße von Steinhummeln beeinflussen. Beide Faktoren können eine Rolle beim Insektenrückgang spielen.
Bestäubende Insekten sind für die Biodiversität und die landwirtschaftliche Produktion unersetzlich. Doch seit Jahren geht der Bestand an Bienen, Hummeln und weiteren Insekten stark zurück. Mögliche Gründe reichen vom Klimawandel über den Einsatz von Pestiziden bis zum Verlust von Lebensraum. Nun haben Biologinnen und Biologen der Universität Ulm erstmals nachgewiesen, dass die Landnutzungsintensität und klimatische Veränderungen das chemische Duftprofil und die Körpergröße von Steinhummeln beeinflussen. Beide Faktoren könnten mitursächlich für den Insekten-Rückgang sein. Die Forschungsergebnisse sind im Fachjournal PLOS ONE erschienen.
Die große Mehrzahl der Wild- und Kulturpflanzen wird von Insekten bestäubt. Umso beunruhigender sind Ergebnisse der Forschungsplattform Biodiversitäts-Exploratorien: In einem Zeitraum von zehn Jahren ist die Anzahl der Insektenarten um ein Drittel zurückgegangen. Nun haben sich Ulmer Forschende auf Ursachensuche begeben: In den Exploratorien Schwäbische Alb, Hainich-Dün und Schorfheide-Chorin analysierten sie, wie sich Umweltbedingungen auf Arbeiterinnen der Steinhummel (Bombus lapidarius) auswirken.
Die untersuchten Gebiete in Nord-, Mittel- und Süddeutschland sind in verschieden stark genutzte landwirtschaftliche Flächen eingebettet. Im Rahmen der Forschungsplattform werden zum Beispiel regelmäßig Klima-Daten aufgezeichnet und die Landnutzungsintensität erhoben – festgemacht an Beweidung, Mahd und Düngung. Professor Manfred Ayasse, Seniorautor der jetzt veröffentlichten Publikation, ist Experte für die chemische Kommunikation von Insekten. Der Ulmer Biologe weiß: Eine Störung der Pheromonproduktion – etwa durch Umwelteinflüsse – kann den Fortbestand ganzer Kolonien gefährden. Daher stehen Oberflächenduftstoffe der Steinhummel im Zentrum der aktuellen Studie. Alle benötigten Steinhummeln wurden im Sommer 2018 auf 42 Experimentierflächen der Biodiversitäts-Exploratorien eingesammelt und im Labor untersucht. „Mithilfe von chemischen Analysen haben wir die Menge und Zusammensetzung der Oberflächenduftstoffe von 307 Hummeln analysiert. Zudem wurde die Größe jedes Insekts gemessen; und letztlich haben wir unsere Ergebnisse mit der Bewirtschaftungsintensität der Untersuchungsflächen aus den drei Exploratorien korreliert“, erklärt Erstautor Florian Straub, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ulmer Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik. Die Untersuchungen zwischen Feld und Labor belegen den Einfluss der Umweltfaktoren und insbesondere der landwirtschaftlichen Nutzung. Tatsächlich verändert sich das Duftprofil der Steinhummel in Abhängigkeit von der Temperatur und Bewirtschaftungsintensität am Standort.
Im Exploratorium Schorfheide-Chorin konnten die Forschenden zudem zeigen, dass die Gesamtduftstoffmenge durch eine steigende Landnutzungsintensität zunimmt. Sowohl die Veränderung des Duftprofils als auch der Duftstoffmenge birgt das Risiko, die chemische Insekten-Kommunikation zu stören. Von einer solchen Modifikation ist auch das Königinnenpheromon betroffen, das eine Schlüsselrolle beim Insektensterben spielen könnte. Dieses Pheromon erfüllt nämlich eine wichtige Funktion bei der Arbeitsteilung und der sozialen Interaktion im Nest.
Eine Störung dieser chemischen Kommunikation hat somit Auswirkungen auf die Fortpflanzung und die weite
re Entwicklung der Kolonie. Für die abnehmende Körpergröße der Insek ten fanden die Forschenden ebenfalls eine Erklärung: Ursächlich ist wohl die Wechselwirkung zwischen Landnutzungsintensität und Untersuchungsregion, die beispielsweise das Futterangebot beeinflusst. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass weniger Futter einen nachteiligen Effekt auf die Larven-Entwicklung hat. Eine geringere Körpergröße gefährdet wiederum den Steinhummel-Bestand, indem kleinere Insekten weniger Nahrung transportieren und nicht so lange Strecken bei der Futtersuche zurücklegen können.
„Offenbar wirken sich eine intensive landwirtschaftliche Nutzung und Temperatur-Änderungen nachteilig auf die Fortpflanzung und Kolonieentwicklung der Steinhummel aus. Dies könnte eine Ursache für den dramatischen Insekten-Rückgang sein“, resümiert Professor Manfred Ayasse von der Universität Ulm. Allerdings sei der Effekt der Landnutzung oft erst in Verbindung mit klimatischen Veränderungen relevant gewesen. Zukünftige Studien sollten die verschiedenen Einflussfaktoren – insbesondere rund um die landwirtschaftliche Nutzung – stärker differenzieren und die Mobilität der Insekten berücksichtigen. Die Forschenden der Universität Ulm (Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik), der TU München und der drei Exploratorien wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Zuge des Langzeit-Projekts „Biodiversitäts-Exploratorien“ unterstützt.
Highlight
Weitere Topevents
Junge Autofahrerin kommt bei Aufprall gegen Baum ums Leben
Eine 18-jährige Autofahrerin ist bei einem Verkehrsunfall am Montagmorgen bei Erbach ums Leben...weiterlesen
Stararchitekt Libeskind hält Fertigstellung des Einstein Discovery Centers in Ulm bis 2030 für möglich
Stararchitekt Daniel Liebeskind hat bei seinem Besuch am Dienstag in Ulm einen möglichen Zeitplan für...weiterlesen
Blaubeurer-Tor-Ring in Ulm blockiert
Rund eineinhalb Stunden war am Donnerstagnachmittag der Blaubeurer-Tor-Ring in Ulm wegen eines Unfalls...weiterlesen
Brutaler Angriff auf Lehrer in Wiblingen: Ulmer Polizei nimmt 23-jährigen Tatverdächtigen fest
Im Zusammenhang mit dem brutalen Überfall auf einen Lehrer im Ulmer Stadtteil Wiblingen meldet die Ulmer...weiterlesen
Neugeborenes Kind in Glascontainer abgelegt - Mutter sagt aus
Vor dem Ulmer Landgericht hat am Dienstag der Prozess gegen eine 39-jährige Mutter begonnen, die im...weiterlesen
Müllwerker schwer verletzt
Am Freitagnachmittag sammelte ein Müllwerker im Neu-Ulmer Stadtteil Ludwigsfeld Müllsäcke ein. weiterlesen
Beim Arbeiten tödlich verletzt
Nach einem schweren Arbeitsunfall kam am Mittwoch für einen 57-Jährigen in Nattheim jede Hilfe zu spät. weiterlesen
Gäste vor Kneipe angegriffen
In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurden zwei Personen gegen 01:30 Uhr vor einer Kneipe in der...weiterlesen