Ulm News, 08.06.2018 08:00
Sperma hemmt die Infektion durch Zika-Viren
Hundert Millionen von Zika-Viren können sich im Sperma eines infizierten Mannes tummeln, und doch ist die Zahl der sexuell Infizierten bei dieser Viruserkrankung vergleichsweise gering. In den allermeisten Fällen werden Zika-Infektionen nämlich durch Stechmücken verbreitet. Ein internationales Forscherteam um den Ulmer Virologen Professor Jan Münch hat nun herausgefunden, dass Sperma die Zika-Viren hemmt.
Verantwortlich dafür sind bestimmte Vesikel im Samenplasma, die es den Viren erschweren, an Zielzellen im Körper anzudocken. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications. Das Zika-Virus, das vor allem in Ländern Mittel- und Südamerikas und auf den Pazifischen Inseln verbreitet ist, kann schwere Verläufe von Hirnhautentzündung auslösen und bei Ungeborenen gravierende Entwicklungsstörungen des Gehirns wie die Mikrozephalie („kleiner Kopf“) hervorrufen. Die Ulmer Virologen und ihre Forschungspartner haben nun die sexuelle Übertragung dieser Viruserkrankung untersucht und dabei das menschliche Sperma unter die Lupe genommen: „Die Samenflüssigkeit ist reich an bioaktiven Substanzen. Dazu gehören anorganische Stoffe genauso wie organische Substanzen. Darunter sind beispielsweise Proteine, Enzyme, Zytokine, Hormone und Ionen“, erklärt Studienleiter Professor Jan Münch, der am Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm forscht. Diese Substanzen beeinflussen das vaginale Milieu und sind für die Infektiosität von sexuell übertragbaren Krankheiten entscheidend. So haben Wissenschaftler des Instituts in früheren Arbeiten aufgedeckt, das Amyloid-Fibrillen im Sperma die Übertragbarkeit von AIDS verursachenden HI-Viren massiv fördern. Bekannt ist andererseits, dass bestimmte Substanzen, die im Samenplasma gelöst sind, nicht nur einen zelltoxischen Effekt haben, sondern auch antimikrobiell wirken können. Die Ulmer Forscher waren nun neugierig, wie sich die Samenflüssigkeit auf die Infektiosität des Zika-Virus auswirkt und welche biochemischen Komponenten für diese Wirkungen verantwortlich sind. „Wir waren sehr überrascht, als wir herausfanden, dass das Sperma die Infektion durch das Zika-Virus hemmt und nicht – wie bei HIV-1 – noch weiter verstärkt“, sagt Erstautor Dr. Janis Müller, Postdoktorand am Institut für Molekulare Virologie. So konnten das internationale Forscherteam einerseits zeigen, dass sich die Zika-Viren sowohl in Zellen des Genital- und Analtrakts effektiv vervielfältigen als auch in Geweben aus der Gebärmutter und Vagina. Wurden die Zell- und Gewebeproben vor der Infektion mit dem Zika-Virus mit Samenflüssigkeit in unterschiedlichen Konzentrationen präpariert, zeigten sich jedoch deutlich niedrigere virale Befallsraten in den Körperzellen und Geweben. Doch wie kommt es zu diesem Effekt? Unter Aufwartung einer Vielzahl von Methoden – von der Molekulargewicht-Filtration und Partikel-Tracking Analyse zur Durchflusszytometrie und Fluoreszenz-, Konfokal- und Elektronenmikroskopie – kamen die Wissenschaftler dem „Viren-Stopper“ schließlich auf die Spur. „Extrazelluläre Vesikel, die im Sperma in großer Zahl vorhanden sind, vermindern die Anheftung der Viren an die Zellen und verhindern so die Infektion“, erläutert Münch. Bei diesen Vesikeln handelt es sich um bläschenförmige Partikel aus Membranprotein, die auf zellulärer Ebene für den Transport und die Lagerung von Stoffen verantwortlich sind. Die Wissenschaftler konnten zudem experimentell zeigen, dass Samenflüssigkeit auch die Infektion durch das Dengue- und das West-Nil-Virus hemmt, die ebenfalls von Stechmücken. „Mit den gewonnenen Erkenntnissen lässt sich erklären, warum es trotz der enorm hohen Mengen an Viruspartikeln im Sperma nur selten zur sexuellen Übertragung von Zika kommt“, so die Forscher. Trotzdem gilt: wer in Zi ka-Gefahrengebiete reist, sollte sich gegen Moskitos schützen und beim Sex zum Kondom greifen. Denn auch HIV-1 und andere Krankheitserreger werden über ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Gefördert wurde das Projekt mit Mitteln der DFG und der Baden-Württemberg-Stiftung, beteiligt waren daran auch Wissenschaftler aus Heidelberg, Hamburg und Helsinki sowie aus Paris und San Francisco.



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