Ulm News, 05.03.2010 18:12
Schwierige Gratwanderung: Medizin zwischen Ethik und Ökonomie
Entscheiden in Kliniken künftig Betriebswirte oder Wirtschaftsmathematiker über Behandlungsmaßnahmen? Noch ist es nicht so weit. „Aber wir müssen die Balance schaffen zwischen einer unvermeidbaren Ökonomisierung der Medizin und dem Erhalt der ärztlichen Professionalität“, sagt Professor Franz Porzsolt, Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Ökonomik der Universität Ulm.
Ein umfangreicher Aufsatz des Ulmer Mediziners dazu soll demnächst in einem bekannten Fachblatt veröffentlicht werden. Auch eine Tagung an der Uni Ulm beschäftigte sich kürzlich mit dieser Thematik.
Wann ist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis für Allokationsentscheidungen im Gesundheitssystem angemessen und zumutbar? Wissenschaftler der gastgebenden Universität und der Ludwig-Maximilians-Universität München äußerten sich zu der Fragestellung, neben Chirurgen, Gynäkologen und Anästhesisten unter anderem auch Volkswirte und Pharmakologen.
Dabei sei es weniger um eine gemeinsame Formel zur Lösung eines fundamentalen Problems der Gesundheitsversorgung gegangen, betont Porzsolt. „Vielmehr wollten wir die Facetten aufzeigen, an denen die verschiedenen Gruppen arbeiten.“
Und die Allokation, die Zuteilung beschränkter Ressourcen also, wie sie sich nicht nur im deutschen Gesundheitssystem verstärkt abzeichnet, dürfte in der Tat an Bedeutung gewinnen, auch hierzulande. Das sei bei der Tagung mehr als deutlich geworden, Professor Porzsolt zufolge „möglicherweise ein kleines bisschen mehr als nur eine klinisch-ökonomische Mini-Roadshow“.
Nicht ohne politische Brisanz jedenfalls, fraglos aber hoch aktuell. Das gelte zumindest für die meisten Begriffe und Faktoren, die Therapie-Entscheidungen künftig mehr denn je beeinflussen dürften.
Neben gängigen Begriffen wie Letalität oder Morbidität auch solche, die bislang eher Experten vertraut sind: NNT (number needed to treat) zum Beispiel, eine statistische Messzahl, die darstellt, wie viele Patienten pro Zeiteinheit mit einer bestimmten Methode behandelt werden müssen, um das gewünschte Therapieziel bei einem zusätzlichen Patienten zu erreichen. Wobei von solchen Abwägungen nicht primär der Kostenträger sondern der Patient profitieren könne, betont Franz Porzsolt, bei bestimmten teuren Medikationen vor allem. Hier sei es absolut angemessen und zulässig, das „richtige Fenster“ im Spannungsfeld potenzieller Folgen zu ermitteln.
Etwa die Chancen einzugrenzen, auf das Medikament anzusprechen (chance to benefit/ CTB), unter Berücksichtigung der gesamten Bandbreite zwischen Überleben oder Tod unabhängig vom Einsatz des Medikaments samt der jeweils bekannten „Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses“, was im Sprachgebrauch der Fachleute gemeinhin das „baseline risk“ bedeutet.
„Dieses Fenster zu finden ist in Zukunft eine Aufgabe der Kliniker“, ist der Wissenschaftler überzeugt, „auch deshalb brauchen wir für dieses Thema ein spezielles Zentrum“. Bestätigt sieht er sich dabei nicht zuletzt durch das Interesse an seiner Arbeit, dokumentiert unter anderem durch eine Einladung an die Harvard University im Februar. Anschließenden Verhandlungen zudem in Boston mit einem namhaften Wissenschaftsverlag über die Herausgabe eines weiteren Lehrbuchs, diesmal gemeinsam mit Professor Heiner Fangerau, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin der Uni Ulm. Wachsendes Interesse an der Klinischen Ökonomik signalisie rt haben auch die Stadt Rio de Janeiro und die Universität in Niterói, an der Professor Porzsolt schon im Vorjahr unterrichtet hat. Im Sommer wird er an beiden Orten Kurse abhalten, vor Studenten, Ärzten und Managern.
Ein umfangreicher Aufsatz des Ulmer Mediziners
dazu soll demnächst in einem bekannten Fachblatt veröffentlicht werden. Auch eine Tagung an der Uni Ulm beschäftigte sich kürzlich mit dieser Thematik.
Wann ist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis für Allokationsentscheidungen im Gesundheitssystem angemessen und zumutbar? Wissenschaftler der gastgebenden Universität und der Ludwig-Maximilians-Universität München äußerten sich zu der Fragestellung, neben Chirurgen, Gynäkologen und Anästhesisten unter anderem auch Volkswirte und Pharmakologen. Dabei sei es weniger um eine gemeinsame Formel zur Lösung eines fundamentalen Problems der Gesundheitsversorgung gegangen, betont Porzsolt. „Vielmehr wollten wir die Facetten aufzeigen, an denen die verschiedenen Gruppen arbeiten.“ Und die Allokation, die Zuteilung beschränkter Ressourcen also, wie sie sich nicht nur im deutschen Gesundheitssystem verstärkt abzeichnet, dürfte in der Tat an Bedeutung gewinnen, auch hierzulande. Das sei bei der Tagung mehr als deutlich geworden, Professor Porzsolt zufolge „möglicherweise ein kleines bisschen mehr als nur eine klinisch-ökonomische Mini-Roadshow“.
Nicht ohne politische Brisanz jedenfalls, fraglos aber hoch aktuell. Das gelte zumindest für die meisten Begriffe und Faktoren, die Therapie-Entscheidungen künftig mehr denn je beeinflussen dürften. Neben gängigen Begriffen wie Letalität oder Morbidität auch solche, die bislang eher Experten vertraut sind: NNT (number needed to treat) zum Beispiel, eine statistische Messzahl, die darstellt, wie viele Patienten pro Zeiteinheit mit einer bestimmten Methode behandelt werden müssen, um das gewünschte Therapieziel bei einem zusätzlichen Patienten zu erreichen. Wobei von solchen Abwägungen nicht primär der Kostenträger sondern der Patient profitieren könne, betont Franz Porzsolt, bei bestimmten teuren Medikationen vor allem. Hier sei es absolut angemessen und zulässig, das „richtige Fenster“ im Spannungsfeld potenzieller Folgen zu ermitteln. Etwa die Chancen einzugrenzen, auf das Medikament anzusprechen (chance to benefit/ CTB), unter Berücksichtigung der gesamten Bandbreite zwischen Überleben oder Tod unabhängig vom Einsatz des Medikaments samt der jeweils bekannten „Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses“, was im Sprachgebrauch der Fachleute gemeinhin das „baseline risk“ bedeutet.
„Dieses Fenster zu finden ist in Zukunft eine Aufgabe der Kliniker“, ist der Wissenschaftler überzeugt, „auch deshalb brauchen wir für dieses Thema ein spezielles Zentrum“. Bestätigt sieht er sich dabei nicht zuletzt durch das Interesse an seiner Arbeit, dokumentiert unter anderem durch eine Einladung an die Harvard University im Februar. Anschließenden Verhandlungen zudem in Boston mit einem namhaften Wissenschaftsverlag über die Herausgabe eines weiteren Lehrbuchs, diesmal gemeinsam mit Professor Heiner Fangerau, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin der Uni Ulm. Wachsendes Interesse an der Klinischen Ökonomik signalisiert haben auch die Stadt Rio de Janeiro und die Universität in Niterói, an der Professor Porzsolt schon im Vorjahr unterrichtet hat. Im Sommer wird er an beiden Orten Kurse abhalten, vor Studenten, Ärzten und Managern.








Highlight
Weitere Topevents




Trauriges Glanzlicht der Woche: Zwei Tote trotz Überholverbot - Hintergründe zum fatalen Unfall auf B 311 bei Öpfingen
Zwei Menschen verloren heute am frühen Donnerstagmorgen bei einem Verkehrsunfall auf der Bundesstraße...weiterlesen

Aufgefundener Leichnam ist die 36-jährige Vermisste - Lebensgefährte legt Geständnis ab
Nachdem Beamte der Kriminalpolizeiinspektion Memmingen am vergangenen Donnerstag im nördlichen Bereich...weiterlesen

Ein kommendes Glanzlicht: Nachtclub Aquarium Ulm – wo sich Freddie Mercury, Nina Hagen oder Udo Jürgens die Klinke in die Hand gaben
Nun also noch ein Dokumentarfilm zum Buch oder zum Bühnenstück über den legendären Nachtclub in der...weiterlesen

Polizei schießt auf Mann mit Messer
Am Freitagnachmittag mussten Polizisten in Ulm auf einen Mann schießen, der sie mit einem Messer...weiterlesen

Ladendieb mit Messer in Ulmer Kaufhaus
Am Donnerstag nahm die Polizei in Ulm einen aggressiven 46-Jährigen in Gewahrsam. weiterlesen

Bauliches Glanzlicht der Woche: Baustelle Donauradwanderweg verlängert - ebenso in der Kleiststraße und Zinglerstraße
Das Baustellenmanagement der Stadt Ulm ist fleißig. Eine ganze Reihe an Projekten wird bekanntgegeben -...weiterlesen

Wird auch deftig: diesmal am Berliner Ring: durch Brückensanierungen Behinderungen zu Uni und Klinik
Am Berliner Ring in Ulm werden nach Angaben der Stadt zwei Brückenbauwerke in der Zeit von 8. September...weiterlesen

Bei Frontalzusammenstoß auf B 311 bei Öpfingen kommen zwei Personen ums Leben
Ein schwerer Unfall ereignete sich heute Früh auf der B311 bei Öpfingen mit schrecklichem Ausgang. Die...weiterlesen