Ulm News, 25.04.2025 12:25
Cannabis trifft Hormonhaushalt: was Cannabinoide mit Zyklus, PMS & Co. zu tun haben

Cannabis ist längst kein reines Nischenthema mehr. Vom medizinischen Einsatz bei chronischen Schmerzen bis hin zur Freizeitdroge – die Hanfpflanze sorgt für Gesprächsstoff - auch in der Region Ulm. Doch in den letzten Jahren rückt ein neuer Aspekt verstärkt ins Blickfeld von Forschung und Öffentlichkeit: die Wirkung von Cannabinoiden auf den menschlichen Hormonhaushalt – insbesondere im Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus, PMS und anderen hormonell bedingten Beschwerden.
Was auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, hat auf molekularer Ebene durchaus Logik. Denn das körpereigene Endocannabinoid-System spielt eine größere Rolle bei hormonellen Prozessen, als man bisher angenommen hat.
Das Endocannabinoid-System – Regisseur im hormonellen Orchester?
Im menschlichen Körper gibt es ein weit verzweigtes System, das sogenannte Endocannabinoid-System (ECS). Es ist verantwortlich für die Regulation vieler physiologischer Prozesse:
- Schmerzempfinden
- Appetit
- Schlaf
- Immunreaktionen
- Stimmung
- Hormonproduktion
Das ECS besteht aus Rezeptoren (CB1 und CB2), körpereigenen Cannabinoiden (wie Anandamid) und Enzymen, die diese Stoffe abbauen. Besonders relevant: Diese Rezeptoren finden sich nicht nur im Gehirn, sondern auch in den Eierstöcken, der Gebärmutterschleimhaut und im Hypothalamus – jenem Teil des Gehirns, der hormonelle Prozesse steuert.
Wie Cannabinoide den Zyklus beeinflussen
Cannabinoide wie THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) können sich an die Rezeptoren des ECS andocken und so auf hormonelle Prozesse einwirken. Dabei zeigt sich ein komplexes Wechselspiel, das sowohl therapeutisches Potenzial als auch Risiken birgt.
Mögliche Wirkungen auf den Menstruationszyklus:
- Verzögerung oder Ausbleiben der Menstruation: Studien deuten darauf hin, dass hoher THC-Konsum die Ausschüttung des luteinisierenden Hormons (LH) hemmen kann, was den Eisprung beeinflusst.
- Schmerzlinderung: CBD und THC haben schmerzlindernde Eigenschaften, die bei Regelschmerzen (Dysmenorrhoe) unterstützend wirken können.
- Entzündungshemmung: CBD wirkt entzündungshemmend – ein möglicher Vorteil bei Endometriose oder PMS-bedingten Beschwerden.
Wichtig ist: Die meisten Studien beruhen auf Tierversuchen oder kleinen Fallstudien. Eine abschließende Bewertung für den menschlichen Organismus ist noch nicht möglich, doch die Hinweise sind vielversprechend.
PMS, Stimmungsschwankungen und das ECS
Das prämenstruelle Syndrom (PMS) betrifft bis zu 80 % aller menstruierenden Personen in unterschiedlicher Ausprägung. Neben körperlichen Beschwerden wie Spannungsgefühlen oder Müdigkeit sind es vor allem die psychischen Symptome – Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, Stimmungsschwankungen –, die die Lebensqualität einschränken.
Hier setzt CBD als Hoffnungsträger an:
- Stimmungsregulierend: CBD beeinflusst die Serotonin-Rezeptoren im Gehirn, ähnlich wie Antidepressiva.
- Stressreduktion: Studien belegen eine beruhigende Wirkung von CBD auf das Nervensystem.
- Schlafverbesserung: Viele Nutzer berichten von besserem Schlaf, was sich wiederum positiv auf PMS-Symptome auswirken kann.
Diese Erkenntnisse stammen unter anderem aus Studien der National Institutes of Health (NIH) und aus klinischen Beobachtungen. Dennoch ist Vorsicht geboten – die Wirkung variiert stark je nach Dosierung, Präparat und individueller hormoneller Konstitution.
Wechselwirkungen mit hormonellen Verhütungsmitteln
Ein wichtiger, oft übersehener Aspekt: Cannabinoide können mit hormonellen Verhütungsmitteln interagieren.
- THC wird über dieselben Leberenzyme verstoffwechselt wie die Wirkstoffe in Antibabypille & Co. Dies könnte die Wirksamkeit der Verhütung beeinflussen.
- Erste Hinweise zeigen, dass der Cannabiskonsum die Östrogen- und Progesteronspiegel verändern kann, was wiederum Nebenwirkungen verstärken oder abschwächen könnte.
Hier ist besondere Vorsicht geboten – wer regelmäßig Cannabis konsumiert (auch medizinisch), sollte dies mit einem Arzt besprechen, insbesondere im Zusammenhang mit der Pille, dem NuvaRing oder Hormonpflastern.
Medizinisches Cannabis: Offene Fragen, begrenzte Antworten
In Deutschland ist Cannabis auf Rezept bei bestimmten Indikationen erlaubt, unter anderem bei:
- Chronischen Schmerzen
- Multiple Sklerose
- Krebsbedingter Appetitlosigkeit
- Spastiken
Einige Frauenärzte verschreiben es auch bei schweren Fällen von PMS, PMDS (prämenstruelle dysphorische Störung) oder Endometriose – allerdings auf Einzelfallbasis.
Die wissenschaftliche Basis hierfür ist noch dünn. Kritiker mahnen: Ohne kontrollierte, großangelegte Studien sei keine klare Aussage über Nutzen und Risiken möglich. Dennoch berichten Betroffene immer wieder von positiven Effekten.
Tipp: Wer Cannabis legal kaufen möchte – etwa in Form von CBD-Öl – findet online seriöse Anbieter.
Der Balanceakt zwischen Hoffnung und Vorsicht
Die Erkenntnisse rund um Cannabis und den Hormonhaushalt eröffnen neue Perspektiven, werfen aber ebenso viele Fragen auf:
Chancen:
- Alternative Therapieoptionen bei PMS, PMDS, Endometriose
- Natürliche Schmerzlinderung ohne klassische Schmerzmittel
- Potenzielle Stimmungsstabilisierung durch CBD
Risiken:
- Wechselwirkungen mit hormonellen Verhütungsmitteln
- Unsicherheit über Langzeitfolgen
- Abhängigkeitspotenzial bei THC-haltigen Produkten
Eine selbstständige Einnahme – insbesondere von THC-Produkten – sollte daher immer ärztlich begleitet werden. Auch bei CBD empfiehlt sich eine fachkundige Beratung, vor allem bei bestehenden Erkrankungen oder Medikamenteneinnahme.
Wohin die Reise führen könnte: Forschung, Regulation & individuelle Freiheit
Mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis in Deutschland seit 2024 ist das Thema endgültig in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Doch was bedeutet das für den medizinischen Einsatz im hormonellen Kontext?
- Forschung im Aufwind: Immer mehr Studien konzentrieren sich auf das Zusammenspiel von ECS und Hormonsystem – auch im Zusammenhang mit Zyklusstörungen und reproduktiver Gesundheit.
- Individuelle Therapiekonzepte: Zukünftig könnten personalisierte Cannabis-Therapien auf Grundlage des Hormonprofils entwickelt werden.
- Enttabuisierung: Der offene Diskurs über Cannabis und weibliche Gesundheit führt zu mehr Sichtbarkeit – und zu mehr Forschungsinteresse.
Gleichzeitig muss Regulierung mit Verantwortung einhergehen. Ohne wissenschaftliche Leitlinien droht eine Überkommerzialisierung auf Kosten der Betroffenen. Doch der Anfang ist gemacht – und mit jedem Forschungsschritt könnte sich zeigen, dass die Hanfpflanze noch viel mehr kann, als ihr jahrzehntelanger Ruf vermuten lässt.








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