Ulm News, 17.04.2025 07:00
Fußballplatz in Lehr birgt unter sich ein Geheimnis

Im vergangenen Sommer mäht Thomas Droll, wie so oft, den Rasen auf dem Spielfeld des SC Lehr. Und, wie so oft, bemerkt er, dass der Platz wieder eine neue Unebenheit hat. Als er dann zum Spaten greift, um den Boden auszugleichen, fällt das Grasbüschel nach unten weg und mitten im Spielfeld ist ein mindestens drei Meter tiefes Loch. Was verbirgt sich darin?
Die älteren Einwohner von Ulm-Lehr wissen noch, dass der Infanteriestückpunkt Spitzdächer in den 1960er Jahren zugeschüttet wurde und darauf der Sportplatz errichtet wurde. Dieses Mal ist mehr Erdreich weggesackt als üblich, das städtische Gebäudemanagement wird informiert. Nach den ersten Untersuchungen ist klar, dass es ein größeres Problem gibt und der Sportplatz wird gesperrt. Im Februar ist es dann soweit, dass alle Beteiligten soweit koordiniert sind, dass man sich an die Öffnung des Lochs macht. Ein Bagger gräbt an der Südseite der 1910 erbauten Wehranlage und legt Teile des zwei Meter dicken Betondaches frei. Archäologen und Vermesser steigen in das Gebäude und sind verblüfft über den guten Erhaltungszustand.
Auch der Förderverein Bundesfestung Ulm wird eingebunden, der sich seit über 50 Jahren um den Erhalt der Ulmer Festungsanlagen und den Wiederaufbau wichtiger Relikte kümmert. Schnell wird klar, dass es sich um einen einmaligen Bau handelt. Erste Ideen des Gebäudemanagements, den Infanteriestützpunkt zu verfüllen, um den Sportplatz sicher zu machen, werden wegen der geschichtlichen Bedeutung sofort wieder verworfen.
Der Stützpunkt ist so groß, dass mehr als der halbe Sportplatz quasi unterkellert ist. Im Schulterschluss zwischen Stadtverwaltung, Landesdenkmalamt, Förderverein und dem SC Lehr wird ein Plan entwickelt, der versucht, alle Bedürfnisse zu vereinen. Vermesser und Fördervereinsmitglieder fotografieren und vermessen das gesamte Gebäude, um es als 3D-Modell zukünftig virtuell begehbar zu machen. Archäologen sichern weitere Daten im Auftrag des Landesdenkmalamtamtes. Danach soll das Gebäude nach oben so abgedichtet werden, dass keine Erde mehr nachrutschen kann und der Sportplatz wieder neu angelegt wird.
Einzig ein Zugangsschacht, der unter dem Erdreich liegt, bleibt erhalten, um irgendwann in den nächsten Jahrzehnten zu Forschungszwecken wieder einmal in das Gebäude zu gelangen. Ansonsten darf das Gebäude ruhen. Die Geschichte des Gebäudes, hat der Experte Markus Theile vom Förderverein dokumentiert. 1908 bis 1910 entstand der Bau als Erweiterung des Festungsgürtel der Bundesfestung Ulm. Ausgelegt war es für 350 Soldaten. Etwa 1947 müssen amerikanische Soldaten versucht haben, im Rahmen der Demilitarisierung den Infanteriestützpunkt zu sprengen.
Dabei hat sich die schwere Betondecke durch die Druckwelle der Detonation gehoben und ist dann mit etwa zwanzig Zentimetern Versatz wieder auf den Stützmauern gelandet. Der erhoffte Einsturz blieb aus. Teile wurden mit Planierraupen zugeschoben und das Gebäude geriet in Vergessenheit. 1965 begannen dann Arbeiten, um einen Fußballplatz in Ulm-Lehr anzulegen. Möglicherweise wurde damals das Gebäude komplett von Trümmern und Metallteilen geräumt. Sogar Türstürze aus Beton fehlen stellenweise. Fast alle Metallteile sind wandbündig abgesägt und der Fußboden sieht bis auf Alterungsspuren wie frisch gefegt aus.
Damals wurde auch der Zugangsschacht in der Mitte des Gebäudes angelegt. Ältere Bewohner behaupten, dass dort das Vereinsheim entstehen sollte und das alte Militärgebäude über den Schacht dann als Sickergrube für die Toiletten dienen sollte. Doch es kam dann anders und das Vereinsheim entstand rund 50 Meter nördlich mitsamt einer Unterkellerung, die über dem Infanteriestützpunkt nicht möglich gewesen wäre. Theile hat sich jeden Deckenhaken, jede Farbspur an der Wand genau angeschaut und in Plänen vieles rekonstruieren können. Unter nachgerutschtem Erdreich findet er die Telegraphenleitungen, mit denen die Kommunikation zu den anderen Militärstandorten abgewickelt wurde.
Geschlitzte Bretter dienten als Kabelführungen für die Alarmierungsanlage. An den Wänden im Schlafraum erkennt man die Halterung für die dreistöckigen Betten, an der Decke Halterungen für einen Belüftungsanlage, die über seitliche Schlitze Frischluft zugluftfrei in die Räume geblasen hat. Unter den beiden Schlafräumen jeweils ein 60 Kubikmeter fassender Trinkwasservorrat. Die Expertise des Förderverein beeindruckt auch die zuständigen Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes. Am Ostende des Gebäudes befand sich der Sanitätsraum mit fließendem Wasser, daneben der Abortraum mit einer Sickergrube darunter.
Auf der Westseite befindet sich die Küche, die unterkellert ist, um einen Kohlenvorrat aufzunehmen. Über der Klappe zum Kohlenkeller ein Klapptisch zur Speisenvorbereitung. An der gegenüberliegenden Wand ist an der fehlenden Farbe zu erkennen, dass dort ein großer Dunstabzug war, darunter müssen die Herde gestanden haben. Doch da, wo früher der Herd stand, steht wohl seit rund 60 Jahren eine Überraschung, die gar nicht zum Stützpunkt passt. Das Gerippe eines Borgward wurde als einziger Inhalt des gesamten Infanteriestützpunktes dort abgestellt. Wer das gemacht hat, ist unklar, Gerüchte im Ort sprechen davon, dass das Auto zuletzt einem Junginger Bürger gehörte.
Doch Theile weiss nicht, wie das Auto dort hineingekommen ist, denn die nicht verschütteten Öffnungen zum Gebäude sind wohl alle zu klein. Warum das Auto dort steht, ist genauso unklar. Der Motor fehlt, die Scheiben sind ausgebaut, Kotflügel, Motorhaube, linke Türe ebenso. Das halbe Dach ist herausgetrennt, doch die Fahrertüre mitsamt Fensterkurbel ist noch vorhanden. Das Wrack wird dort stehenbleiben, wenn in den nächsten Wochen der Infanteriestückpunkt für die nächsten Jahrzehnte wieder unter einen dicken Erdschicht verschwindet. Die Fußballer des SC Lehr gehen dann wieder auf Punktejagd und haben einen ganz besonderes Spielfeld mit einer historischen Tiefgarage.
Text/Fotos: Thomas Heckmann








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