Ulm News, 18.01.2017 14:21
Millionär mit Milchbubi-Miene - Mit Alexey Shved spielt heute der teuerste Basketballer Europas in der ratiopharm arena
Alexey Shved ist Khimki Moskaus Star und so teuer, dass anderswo ganze Teams von seinem Gehalt bezahlt werden. „Aber Shved ist das wert“, meint der Ulmer Assistenztrainer Pete Strobl – auch wenn er auf den ersten Blick nicht so aussehen mag. Alexey Shved spielt mit seinem Team heute Abend ab 18.30 Uhr im EuroCuo gegen ratiophar ulm.
„Punk’d“ hieß eine Serie, die einige Jahre im amerikanischen Popkultur-Kanal MTV lief. Mit versteckter Kamera nahm das Blödel-Format Prominente auf die Schuppe – und sorgte zeitweise für allseitige Angst vor fiesen Streichen. Im Herbst 2012, so erzählt die Legende, wähnten sich auch Spieler der Minnesota Timberwolves einem üblen Scherz ausgesetzt.
Wer das denn sei, sollen sich die NBA-Profis gefragt haben, als zu Beginn des Trainingslagers ein blasser Kerl in ihrer Kabine saß. Ein neuer Betreuer, oder einfach ein schlechter Witz mit gebrochenem Englisch? Zwei europäische Mitspieler erkannten den Neuzugang und klärten die Situation auf: „Das ist Alexey Shved, aus Russland.“
Die größte Basketball-Hoffnung seines Landes und damals frisch gebackener Olympia-Bronzemedaillen-Gewinner von London. Alexey Shved sieht nicht aus wie jemand, der mit Basketball Millionen verdient. Schmale Statur, feine Gesichtszüge, Otto-Normal-Bizeps: von seinem Äußeren würde man Shved eher in einem Studium der Politik oder Geschichte, denn im Hochleistungssport verorten.
Was den Milchbubi-Eindruck noch verstärkt, ist Shveds enigmatische Erscheinung: „Ob er sich wundert oder ärgert, langweilt oder prächtig amüsiert – bei Alexey Viktorovitch Shved muss man es erraten“, schrieb der RBB kürzlich. Manchmal scheinen das nicht einmal seine Mitspieler so genau zu wissen.
Berühmt ist eine Szene aus Shveds Rookie-Saison in der NBA, als der Russe vor laufenden Kameras von seinem Mitspieler Ricky Rubio ermahnt wird: „Alexey, change your face. Be happy, enjoy it!“ Hab Spaß – du spielst Basketball! Im Sommer 2015 war Shved der Spaß jedenfalls vergangen. Drei Jahre nach seinem Wechsel in die USA war einer der besten europäischen Spieler zum NBA-Nomaden verkommen: Drei Teams in einem Jahr, schwankende Einsatzzeit, wenig Erfolg: „Njet“ – so konnte das nicht weitergehen. Shved verzichtete auf ein Angebot der New York Knicks und ging den Schritt zurück in die Heimat. Finanziell allerdings keineswegs ein Rückschritt: Shveds Unterschrift in Moskau machte den Guard zum teuersten Profi Europas. Über drei Millionen Euro überweist ihm Khimki seither jährlich. „Mehr, als bei uns der ganze Kader verdient“, rückt Ulms Sportchef Dr. Thomas Stoll die Verhältnisse zurecht.
Für Pete Strobl ist der 28-Jährige das Geld trotzdem wert. „Er kann alles“, sagt der Ulmer Assistant Coach vor dem Duell mit Shved und Khimki am Mittwoch (19.30 Uhr). „Und er passt perfekt in die Mannschaft. Solche Spieler kann man nicht kaufen.“
Moskaus Mann mit der Nummer eins auf dem Rücken hat das, was die Amerikaner „a knack for the game“ nennen: Talent bis über beide Ohren. Shveds Antritt ist leichtfüßig, der Wurf brandgefährlich und sein Ballgefühl so sicher, als würden in seinen Fingern kleine Magneten arbeiten. Vor allem hat der Mann aus dem russischen Belgograd aber ein besonderes Näschen: für Passwinkel, für clevere Täuschungen, für das Ziehen von Fouls. „Alexey ist der begabteste Spieler, den unser Land seit einiger Zeit gesehen hat“, sagte die russische Legende Andrei Kirilenko schon vor Jahren. Shveds Kombination aus Spielgefühl, Finesse und Körpergröße (1,95 Meter) erinnert an Milos Teodosic, d
en momentan vielleicht besten Basketballer außerhalb der NBA.
Karsten Tadda hat mit Bamberg bereits gegen Teodosic gespielt und weiß, auf was es in einem solchen Duell ankommt: „Man muss sehr physisch auftreten“, sagt der Ulmer Verteidigungsexperte. Natürlich wolle man Shved ausbremsen: „Aber man darf den Fokus auch nicht zu sehr auf ihn legen.“ Denn rund um Moskaus Topscorer (19,7 Punkte) arbeitet ein Team mit Euroleague-Format: Neben Shved stehen noch fünf weitere Profis im Kader, die in der letzten Saison mit Khimki beinahe den Sprung unter die Top8 der Königsklasse geschafft hätten. Wenig verwunderlich also, dass Moskau heuer als erster Anwärter auf den Eurocup-Titel gilt.
Um den Superstar herum arbeitet ein Team auf Euroleague-Niveau Letztlich steht und fällt dieses Ziel aber mit Alexey Shved. Diesem schweigsamen Superstar, der nach Jahren in Übersee heimgekehrt ist in die Stadt, in der er einst mit 16 Jahren bei ZSKA seine Basketball-Ausbildung begann und in der er mit 19 bereits den Euroleague-Titel gewann. Und in der er nun helfen soll, mit Khimki ein zweites Schwergewicht zu etablieren. Shved scheint diese Wertschätzung gut zu tun.
Zu seinen Zeiten bei den Timberwolves stellte Mitspieler Ronny Turiaf vielsagend fest: „Wenn Alexey lacht, läuft bei ihm alles wie von selbst. Wenn er nicht lacht, ist er ein völlig anderer Spieler.“ Die Ulmer Fans sollten also gut aufpassen, mit welcher Miene Alexey Shved am Mittwoch in die ratiopharm arena kommt.
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