Ulm News, 22.01.2025 08:00
Staatsanwalt sieht weiterhin versuchten Totschlag
Den gewaltsamen Angriff eines 41-jährigen Mannes im Mai auf seine Partnerin sieht der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als versuchten Totschlag. Der Verteidiger ist dagegen fest davon überzeugt, dass die mindestens sieben Schläge gegen den Kopf eine gefährliche Körperverletzung sind. Das Urteil vor dem Ulmer Landgericht soll am Freitag fallen.
Am Dienstagvormittag trat das Opfer in den Zeugenstand, die mittlerweile 50-jährige Monica S., die nicht mehr in der Region wohnt. Während der rund eineinhalbstündigen Befragung würdigte der Täter das Opfer nahezu keines Blickes, er schaute meist nach links zum Richtertisch, gelegentlich nach unten und spielte immer wieder mit dem Empfänger der Übersetzungsanlage, die es ihm ermöglichte, der Verhandlung in seiner polnischen Muttersprache zu folgen.
Monica S. gab einen Einblick in die rund einjährige Beziehung, in der es immer wieder Alkohol und Gewalt gab. Sie berichtete, dass sie viermal blaue Flecke nach Schlägen durch ihren Partner bekam, doch sie war nie beim Arzt und auch in der Arbeit hat sie sich geschämt. Nachbarn riefen einmal die Polizei, als sie ihre Schreie hörten.
An dem verhängnisvollen Tag im Mai waren die beiden bei Bekannten zum Grillen. Auch daheim gab es noch Alkohol. Sie trank über den halben Tag wohl eine Flasche Wein, er eine halbe Flasche Wodka statt seiner üblichen rund fünf Flaschen Bier.
Das Opfer konnte sich auch auf Nachfrage nicht daran erinnern, ob sie gewürgt wurde oder ob er sie am Hals festgehalten hat. Stattdessen kam ein überzeugtes „Er wollte mich bestimmt nicht erwürgen“.
Auch die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten wurden beleuchtet. So wuchs er in Polen auf und lies sich zum Schneider ausbilden. In diesem Beruf arbeitete er jedoch nur rund sechs Wochen, bevor er nach eigenen Worten „alles mögliche“ gearbeitet hat, doch nichts für längere Zeit. Nach einem halben Jahr in Tschechien kam er 2016 zum Arbeiten nach Deutschland. Dort setze er seinen Berufsweg auf ähnliche Art fort. Erst baute er in Norddeutschland Ladeneinrichtungen auf, kam dann irgendwann nach Landshut, wo er das spätere Opfer kennenlernte. Gemeinsam waren sie für das gleiche Leiharbeitsunternehmen tätig, dann auch in einem Ulmer Lager.
In der Beziehung stellte er auch den Konsum von Kokain und Amphetamin ein. Doch dem Alkohol blieb er treu, trotz einer dreimonatigen Therapie vor rund zehn Jahren und einer eineinhalbjährigen Abstinenz. Dabei hatte er auch Schulden gemacht, die er nach eigenen Angaben zum großen Teil abgezahlt hatte, lediglich 15 000 Euro schuldet er noch einer tschechischen Bank.
Nach diesen abschließenden Aussagen nahm das psychiatrische Gutachten breiten Raum ein. In rund zwei Stunden ordnete Hermann Assfalg das Verhalten des Täters ein.
Aufgrund der Zeugenbefragungen und des Sachverständigengutachtens sah der Staatsanwalt den Tatvorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erfüllt. Da der Angeklagte bei seiner Festnahme unmittelbar nach der Tat keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen hatte und auch am Notruf nicht lallte, geht der Staatsanwalt davon aus, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist und forderte eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren.
In den Augen des Verteidigers Reinhard Branz sind drei Jahre tatangemessen, auch, da die Vorgeschichte unklar blieb. So soll das Opfer wohl vorher einen Streit verursacht haben und den Angeklagten provoziert und beleidigt haben. Auch wertet der Verteidiger den Notruf als Rettungsversuch für das Opfer.
Bevor das Gericht ein Urteil fällen wird, bekam der Angeklagte noch die Gelegenheit zu letzten Worten. Er sprach einen einzigen Satz: „Wenn die Monica da wäre, hätte ich sie um Verzeihung gebeten.“




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