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Ulm News, 22.01.2025 08:00

22. January 2025 von Thomas Kießling
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Staatsanwalt sieht weiterhin versuchten Totschlag


Den gewaltsamen Angriff eines 41-jährigen Mannes im Mai auf seine Partnerin sieht der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als versuchten Totschlag. Der Verteidiger ist dagegen fest davon überzeugt, dass die mindestens sieben Schläge gegen den Kopf eine gefährliche Körperverletzung sind. Das Urteil vor dem Ulmer Landgericht soll am Freitag fallen. 

Verhandelt wird seit vergangener Woche. Die Anklage: der 41-Jährige soll seine auf dem Bett liegende Partnerin am Hals gepackt haben soll und ihr mindestens sieben Mal mit der Hand oder Faust gegen den Kopf geschlagen haben soll. Anschließend rief er per Notruf den Rettungsdienst und die Polizei, dabei sagte er, dass er sie getötet habe, doch er wusste nicht, dass sie lediglich bewusstlos war. Als er das erfuhr, sagte er zu den Polizisten „Shit“.

Am Dienstagvormittag trat das Opfer in den Zeugenstand, die mittlerweile 50-jährige Monica S., die nicht mehr in der Region wohnt. Während der rund eineinhalbstündigen Befragung würdigte der Täter das Opfer nahezu keines Blickes, er schaute meist nach links zum Richtertisch, gelegentlich nach unten und spielte immer wieder mit dem Empfänger der Übersetzungsanlage, die es ihm ermöglichte, der Verhandlung in seiner polnischen Muttersprache zu folgen. 

 Monica S. gab einen Einblick in die rund einjährige Beziehung, in der es immer wieder Alkohol und Gewalt gab. Sie berichtete, dass sie viermal blaue Flecke nach Schlägen durch ihren Partner bekam, doch sie war nie beim Arzt und auch in der Arbeit hat sie sich geschämt. Nachbarn riefen einmal die Polizei, als sie ihre Schreie hörten. 

Doch aktenkundig ist auch ein Vorfall aus Landshut, als sie im betrunkenen Zustand einen Teller auf dem Kopf des Angeklagten zerschlug. Doch dazu gab es keine detaillierten Aussagen. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Tresenreiter unterbrach die Zeugin und wies sie darauf hin, dass sie sich mit einer Aussage nicht selbst belasten muss, wenn der Verdacht einer Straftat durch sie selbst besteht. Sie zog es daher vor zu schweigen. 

An dem verhängnisvollen Tag im Mai waren die beiden bei Bekannten zum Grillen. Auch daheim gab es noch Alkohol. Sie trank über den halben Tag wohl eine Flasche Wein, er eine halbe Flasche Wodka statt seiner üblichen rund fünf Flaschen Bier. 

Doch was dann passierte blieb mal wage und mal gab es keine Erinnerung. Schon auf die Frage, ob die beiden öfter gemeinsam im Einzelbett des Opfers übernachtet haben oder der Täter in seinem extra Zimmer in der Wohngemeinschaft schlief blieb offen. Der Richter wollte eine Brücke bauen mit der Feststellung „Wenn man sich gern mag, passt man auch in so ein Bett rein“, doch es kam nur ein ausweichendes „Kann schon sein, dass er sich hingelegt hat auf dem Bett“. 

Das Opfer konnte sich auch auf Nachfrage nicht daran erinnern, ob sie gewürgt wurde oder ob er sie am Hals festgehalten hat. Stattdessen kam ein überzeugtes „Er wollte mich bestimmt nicht erwürgen“. 

Klar wurde nur, dass es vor dem fatalen Angriff immer wieder Streit gab, vor allem, wenn die beiden Alkohol getrunken hatte. 

 Auch die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten wurden beleuchtet. So wuchs er in Polen auf und lies sich zum Schneider ausbilden. In diesem Beruf arbeitete er jedoch nur rund sechs Wochen, bevor er nach eigenen Worten „alles mögliche“ gearbeitet hat, doch nichts für längere Zeit. Nach einem halben Jahr in Tschechien kam er 2016 zum Arbeiten nach Deutschland. Dort setze er seinen Berufsweg auf ähnliche Art fort. Erst baute er in Norddeutschland Ladeneinrichtungen auf, kam dann irgendwann nach Landshut, wo er das spätere Opfer kennenlernte. Gemeinsam waren sie für das gleiche Leiharbeitsunternehmen tätig, dann auch in einem Ulmer Lager. 

In der Beziehung stellte er auch den Konsum von Kokain und Amphetamin ein. Doch dem Alkohol blieb er treu, trotz einer dreimonatigen Therapie vor rund zehn Jahren und einer eineinhalbjährigen Abstinenz. Dabei hatte er auch Schulden gemacht, die er nach eigenen Angaben zum großen Teil abgezahlt hatte, lediglich 15 000 Euro schuldet er noch einer tschechischen Bank. 

Auch wurde ein Missbrauch als Kind oder Jugendlicher durch einen Onkel in Polen angedeutet, doch vor Gericht wollte der Angeklagte dazu keine Details nennen. 
 
Erwähnt wurde auch eine zweimonatige Ersatzhaft, weil er in einem Arbeiterwohnheim in Fulda einem Kollegen mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. Damals war er mit 2,2 Promille alkoholisiert.

Nach diesen abschließenden Aussagen nahm das psychiatrische Gutachten breiten Raum ein. In rund zwei Stunden ordnete Hermann Assfalg das Verhalten des Täters ein. 

Dabei diagnostizierte er eine Alkoholabhängigkeit, doch eine vermutete Schizophrenie konnte er ausschließen. 
Bei seinem Gewaltausbruch war der Angeklagte mit knapp 2 Promille alkoholisiert, was bei ihm zu einer Enthemmung führte, doch durch seine Alkoholgewöhnung nicht zu einer Schuldminderung. Auch sieht der Sachverständige eine Wiederholungsgefahr.  

Aufgrund der Zeugenbefragungen und des Sachverständigengutachtens sah der Staatsanwalt den Tatvorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erfüllt. Da der Angeklagte bei seiner Festnahme unmittelbar nach der Tat keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen hatte und auch am Notruf nicht lallte, geht der Staatsanwalt davon aus, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist und forderte eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. 

In den Augen des Verteidigers Reinhard Branz sind drei Jahre tatangemessen, auch, da die Vorgeschichte unklar blieb. So soll das Opfer wohl vorher einen Streit verursacht haben und den Angeklagten provoziert und beleidigt haben. Auch wertet der Verteidiger den Notruf als Rettungsversuch für das Opfer.

Auch der Ausruf „Shit“ des Angeklagten wird vollkommen gegensätzlich bewertet. Während der Staatsanwalt darin die Enttäuschung über eine misslungene Tötung sieht, interpretiert der Verteidiger den Ausruf als „Was habe ich denn für einen Blödsinn gemacht?“

Bevor das Gericht ein Urteil fällen wird, bekam der Angeklagte noch die Gelegenheit zu letzten Worten. Er sprach einen einzigen Satz: „Wenn die Monica da wäre, hätte ich sie um Verzeihung gebeten.“

Das Urteil wird am Freitag um 11.30 Uhr verkündet.
 
Text/Foto: Thomas Heckmann 


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