Ulm News, 28.06.2024 12:00
Anregende Diskussion: Quo Vadis Ulmer Gemeinderat und EU? - OB Ansbacher ärgert sich über Schwarzmalerei
Bei einer spannenden Podiumsdiskussion trafen sich im Rahmen der Veranstaltung 10x10 digital.konkret der Unternehmerinitiative initiative.ulm.digital namhafte Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, um über die Zukunft der Region und ihre Beziehung zur Europäischen Union zu debattieren. Die Veranstaltung im Foyer der Sparkasse Ulm wurde von Ulrich Becker, Chefredakteur der Südwestpresse, moderiert.
An der Diskussion nahmen teil: Katrin Albsteiger, Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm, Martin Ansbacher, Oberbürgermeister von Ulm, Professor Dr. Michael Weber, Präsident der Universität Ulm, Professor Dr. Volker Reuter, Rektor der Technischen Hochschule Ulm, Jonas Pürckhauer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ulm, und Dr. Stefan Bill, Chef der Sparkasse Ulm. Trotz der unterschiedlichen Perspektiven waren sich alle Teilnehmer einig: Die Region steht vor großen Herausforderungen, die sowohl auf lokaler als auch auf europäischer Ebene angegangen werden müssen.
Moderator Ulrich Becker leitete die Diskussion mit einem Blick auf die aktuellen Krisen ein: die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, den russischen Angriffskrieg und die jüngsten Wahlen. Die Teilnehmer reflektierten über die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die lokale Wirtschaft und die politische Landschaft.
Der Hausherr und Sparkasse-Vorsitzende Dr. Stefan Bill kritisierte den Schlingerkurs der aktuellen Ampel-Regierung und die Bürokratie, die Banken und Unternehmen zu schaffen machen. „Die mittelständischen Unternehmen, die jetzt weniger von den Standorten im Ausland orientiert sind, die halten sich einfach zurück und das Cash zusammen“, berichtete Bill. Die Unternehmen hätten eine gute Liquidität und gut vorgesorgt, würden aber in der aktuellen Lage keine Investitionen tätigen.
„Wie kann dann eine Kommune einem Trend entgegentreten, der ihr ja europaweit und bundesweit entgegenkommt?“, fragte Moderator Becker die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin. „Ich kann unterstützen, ich kann helfen. Die Rahmenbedingungen kann ich nicht ändern. Aber es hilft meistens nicht, darüber zu jammern. Ich muss trotzdem in dem Rahmen arbeiten und das Beste letzten Endes rausholen“, sagte Katrin Absteiger.
Sie betonte die Bedeutung der europäischen Integration für Neu-Ulm. „Wir sind auf die Freizügigkeit und den Binnenmarkt angewiesen. Internationale Fachkräfte sind essenziell für unsere Wirtschaft,“ sagte sie. Albsteiger betonte auch die Notwendigkeit, attraktive Lebensbedingungen in der Region zu schaffen, um Talente anzuziehen und zu halten.
Martin Ansbacher stimmte seiner Amtskollegin zu und ergänzte, dass politische Stabilität entscheidend sei. „Der Schlingerkurs der Ampelkoalition führte zu Unsicherheit und Investitionszurückhaltung,“ so der Ulmer Oberbürgermeister. Allerdings wandte er sich gegen Schwarzmalerei, auch aus der Runde auf dem Podium heraus. „Sie haben ein ziemlich düsteres Bild gezeichnet. Das kann ich auch nachvollziehen. Ich setze Ulm als Gegenbeispiel. Ich bin der oberste Wirtschaftsförderer für die Stadt Ulm, genauso wie die Kollegin für Ihre Stadt. Aber natürlich gibt es bei uns auch Herausforderungen in Ulm, die ich gar nicht verschweigen möchte. Aber bei Rankings sind wir auf Platz drei. Bei Start-up-Gründungen in ganz Baden-Württemberg sind wir ganz vorn“, so Ansbacher, und weiter: „Wir gründen und machen und es werden Investitionen in die Wissenschaft hineingetätigt.
Wir haben Wasserstoffforschung, Solarenergie, Batterieforschung bei uns. Es brummt richtig“. „Deswegen kann ich diese düstere Stimmung nicht so ganz teilen“, betonte der Ulmer OB. „Positiv denken, Ulm abfeiern und gut in die Zukunft gehen. Dann schaffen wir die Herausforderungen der nächsten Jahre“, sagte Ansbacher hoch engagiert in Richtung der 240 Unternehmerinnen und Unternehmern im Saal.
Die Professoren Dr. Michael Weber und Dr. Volker Reuter brachten die Perspektive der Wissenschaft ein. Sie betonten die Notwendigkeit, in Bildung und Forschung zu investieren, um die Innovationskraft der Region zu erhalten. „Die Kürzung von Forschungsgeldern sei ein großer Rückschlag,“, warnte Uni-Präsident Weber. Reuter fügte außerdem hinzu, dass Bürokratieabbau dringend notwendig sei, um die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Internationalität und Finanzierungsprobleme an deutschen Universitäten
Auch die Herausforderungen der Hochschulfinanzierung und die Internationalität an deutschen Universitäten wurde intensiv diskutiert. Wissenschaftler und Universitätsvertreter äußerten ihre Bedenken bezüglich der finanziellen Ausstattung und der Attraktivität Deutschlands als Wissenschaftsstandort. Ein zentrales Thema war die Frage, ob die Erhöhung des BAföG den Universitäten langfristig schaden könnte, indem sie im Gegenzug Forschungsgelder und Professorengehälter gefährden.
Dr. Reuter betonte, dass deutsche Universitäten seit Jahren unterfinanziert seien, dennoch aber hervorragende Leistungen erbrächten. Ein strukturelles Finanzierungsproblem sei schon lange bekannt und beständig. Er stellte klar, dass die Gefahr eines Stellenabbaus bei verbeamteten Professoren nicht bestehe, aber eine wissenschaftsfeindliche Politik das System gefährden könnte. Dies sei nicht nur ein nationales Problem, sondern auch auf EU-Ebene relevant, da viele Forschungsgelder aus europäischen Quellen stammen.
Mehrfach betont wurde, dass die Internationalität deutscher Universitäten von großer Bedeutung sei. Internationale Studierende hätten aufgrund politischer Entwicklungen oder antisemitischer Vorfälle in Städten wie Berlin und Frankfurt teilweise Deutschland den Rücken gekehrt. Dies könne langfristig zu einem massiven Problem führen, da sowohl die Anzahl internationaler Studierender als auch die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit internationalem Hintergrund, wie an der Universität Ulm, rückläufig sein könnte. Deutschland gehöre im Academic Freedom Index zwar zu den Top 5 Ländern weltweit. Dennoch sei die „chronische Unterfinanzierung der Hochschulen ein ungelöstes Problem“.
THU-Rektor Reuter ergänzte, dass die Landespolitik, wie etwa die Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer in Baden-Württemberg, ein Standortnachteil sei. Trotz klarer Empfehlungen eines Monitoring-Beirats und zahlreicher Sprecher, diese Gebühren abzuschaffen, sei die politische Umsetzung bisher ausgeblieben. Die 30 Millionen Euro aus Studiengebühren fließen nicht direkt an die Hochschulen, sondern in den Landeshaushalt. „Ehrlichkeit in der Politik und klare Prioritätensetzung“ seien notwendig, um internationale Studierende zu fördern und den Wissenschaftsstandort zu stärken.
Ein weiteres T
hema war der Mangel an Studierenden in den MINT-Fächern. Hochschulen wie die Technische Hochschule Ulm sorgen sich um den Rückgang des qualifizierten Nachwuchses. Dr. Reuter äußerte Unverständnis darüber, dass trotz klarer technologischer Herausforderungen der Zukunft immer weniger junge Menschen MINT-Fächer wählen. Dies sei nicht nur ein Problem bei Studierenden, sondern auch im Ausbildungsmarkt. Attraktive Angebote und unterstützende Programme könnten helfen, aber die gesellschaftliche Einstellung zu technologischen Fächern müsse sich ändern.
Die Wirtschaftsperspektive wurde durch Jonas Pürckhauer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, verdeutlicht. Die Investitionen von Unternehmen verlagerten sich zunehmend ins Ausland, nicht nur zur Markterschließung, sondern auch aufgrund der hohen Kosten und Reglementierungen in Deutschland, warnte er. Dies führe zu entgangenem Wachstum und schleichender Deindustrialisierung. Familienunternehmen stünden oft vor der Herausforderung, geeignete Nachfolger zu finden.
Weimarisierung des Ulmer Gemeinderats?
Der Ulmer Gemeinderat hat in der jüngsten Vergangenheit durch eine Vielzahl neuer Listen Aufmerksamkeit erregt. Doch die Befürchtungen einer Weimarisierung, also einer Zersplitterung und Handlungsunfähigkeit, wiesen die Anwesenden zurück. „Das ist Quatsch“, sagte dazu OB Ansbacher. Vielmehr werde sich die neue Zusammensetzung des Rates sortieren und effektiv zusammenarbeiten, war die übereinstimmende Meinung. "Die großen Pole sind gleichgeblieben. Sie sind nur etwas ausbalanciert". Daher werde die Zusammenarbeit im Ulmer Gemeinderat weiterhin gut und produktiv sein. Die 17 neuen Mitglieder im Gemeinderat seien auch eine Chance, Dinge neu zu denken und alte Denkmuster zu hinterfragen.
Wissenschaftsstadt Ulm: Ein Motor der Innovation
Ein wichtiges Diskussionsthema war die Rolle der Wissenschaft in Ulm. Die Universität Ulm steht im Wettbewerb um zwei Exzellenzcluster, deren Gewinn eine Bewerbung als Exzellenzuniversität ermöglichen würde. Dies würde Ulm zu einer der 15 Exzellenzuniversitäten Deutschlands machen und die besondere Innovationskraft der Stadt unterstreichen. "Diese Universität ist aus der Bürgerschaft entstanden und arbeitet eng mit der Hochschule und den Wirtschaftsvertretern zusammen", betonte Universitätspräsident Professor Weber. Der besondere Ulmer-Spirit, der sich durch Zusammenarbeit und Innovation auszeichne, sei eine große Stärke der Region.
Bildung und gesellschaftliches Engagement
Auch das Thema Bildung wurde angesprochen. Kritisiert wurde, dass die Fenster in Schulen und Kitas nur noch alle zwei Jahre geputzt werden sollen, was ein falsches Signal an die Kinder sende. Bildungseinrichtungen müssten gut ausgestattet sein, um eine positive Entwicklung zu fördern. Es sei wichtig, dass die gesamte Gesellschaft ihren Teil zum Erfolg der Region beitrage und nicht nur die Politik in der Verantwortung stehe. "Wenn die Gesamtgesellschaft nicht mitmacht, wird das nicht gelingen", lautete das Fazit. In der Donaustadt Ulm herrsche eine spürbare Aufbruchstimmung. Diese aufkeimende positive Energie gelte es zu nutzen und die Herausforderungen aktiv anzugehen.








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