Ulm News, 07.12.2023 14:53
Lockruf der Zauberpilze
Selbst die strengsten Gegner von bewusstseinsstimulierenden Substanzen müssen sich mit dem auffällig hohen weltweiten Vorkommen von Zauberpilzen auseinandersetzen.
Pilze haben den Menschen in allen Epochen begleitet und einen Einfluss auf seine Evolution ausgeübt. Ihre Signalfarbe deutet unmissverständlich darauf hin, dass es sich bei diesen Exemplaren um etwas Besonderes handeln muss. Tatsächlich bergen sie viele Geheimnisse. Konsumenten bietet der Genuss unvergessliche Grenzerfahrungen und in der Psychiatrie erlebt der Zauberpilz gegenwärtig ein Revival.
Was sind Zauberpilze überhaupt?
Der Begriff Zauberpilze –ausgesuchte Magic Mushroom Produkte findet man hier – umfasst eine Gattung von derzeit 186 bekannten Pilzen, deren Gemeinsamkeit Psilocybin ist. Wird das Indolalkaloid aus der Gruppe der Tryptamine verstoffwechselt, wandelt es sich in das psychoaktive Psilocin um, was eine Ereigniskette von Reaktionen im mentalen Erleben in Gang setzt. Die Funktion von Psilocybin für den Pilz könnte in einem Schutz vor Fressfeinden liegen, aber auch für die Mykorrhiza benötigt werden. Mit ihr stellt der Pilz eine Symbiose mit dem Feinwurzelsystem von Pflanzen her, um im Gegenzug für Nährsalze und Wasser mit Glucose versorgt zu werden.
Von der Höhlenkunst zu Woodstock
Dass Zauberpilze bereits in archaischen Zeiten rege genutzt wurden, einen tiefen emotionalen Eindruck hinterließen und die Menschen zu künstlerischer Betätigung inspirierten, ist im historischen Quellenschatz verbürgt. So finden sich Zauberpilze als Leitmotive in zahlreichen Höhlenmalereien und Felsskulpturen. Stanislav Grof verweist in seinem Werk „Der Weg des Psychonauten“ auf ihren Einsatz in spirituellen Sitzungen und in der Weissagerei in fast allen Religionen dieser Welt. Eine Hochburg der Anwendung stellt Mittelamerika dar. Die Kontaktnahme mit den Indigenen gehörte im Zuge der 68er-Revolution zum Programm einer Wallfahrt von Alternativen, um im Zuge einer weit verbreiteten gesellschaftlichen Aufbruchstimmung aus den überkommen erschienenen Strukturen ihrer restaurativen Heimatländer auszubrechen.
In diesen war der Konservativismus als Stabilitätsverheißung nach den apokalyptischen Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs fest verankert. Neben Haschisch und LSD waren Zauberpilze ein Symbol der antiautoritären Gegenbewegung.
Die Wirkung von Zauberpilzen
Die intensiven Grenzerfahrungen von Konsumenten haben Wissenschaftler dazu ermutigt, dem Geheimnis der Psychedelika auf den Grund zu gehen. Sie wollten wissen, was nach der Einnahme passiert, und sind zu Antworten gekommen.
Aktivierung von Serotonin und GABA
Zunächst erkannten die Forscher die Strukturähnlichkeit der Andockstellen von Psilocin mit den Serotonin-Rezeptoren. Die Interaktion verläuft speziell über den Serotonin-2A-Rezeptor. Andere Wissenschaftler erkannten eine Wechselbeziehung mit GABA, wobei Psilocin die Gamma-Aminobuttersäure aktiviert. Beides sind Glückshormone, wobei Serotonin vor allem ein Gefühl von Zufriedenheit und Ausgeglichenheit hervorruft und GABA zu Emotionen wie Gelassenheit und Entspannung verhilft.
Hemmung des Filters
Gleichzeitig hemmt Psilocin den schützenden Filter des Thalamus, sodass Konsumenten mit Sinneseindrücken aus ihrem Unterbewusstsein durchflutet werden. Der „Horrortrip“ vieler Anwender ist hauptsächlich auf diese Eigenschaft zurückzuführen. Hier können dieverdrängten belasteten Erfahrungen so massiv sein, dass die Förderung einer positiven Grundstimmung durch die Aktivierung von GABA und Serotonin diesen Schrecken nicht immer ausreichend abzufedern vermag. Diese Konfrontation mit verborgenen Ängsten kann heilsam sein, aber auch erschreckend.
Göttlicher Holismus
Kommt es beim Konsum nicht zu derartigen Konfliktlinien, erleben Konsumenten eine Auflösung ihres egobasierten Denkens im Sinne eines als göttlich wahrgenommenen Holismus. Die Konsumenten erfahren ein Gespür für das, was der Philosoph und Universalgelehrte Friedrich Leibniz mit seiner Monadenlehre 1714 schon vorwegnahm, dass alles mit allem verbunden sei. Das Zeitempfinden löst sich auf. Der Psychiater Stefan Junker beschrieb seine Erfahrungen nach einem Selbstversuch: „Es hätte ein Jahr gewesen sein können oder auch 10.000 Jahre. Zeit existierte nicht mehr.
Kreativer Aufbruch
Darüber hinaus fanden Mediziner in Gehirnscans heraus, dass die Einnahme von Psilocin bei den Probanden zu einer Neuverknüpfung von Synapsen führt. Durch die erweiterte Neurokonnektivität entstehen neuartige Verbindungen im Gehirn. Das, was im Extremfall in eine Synästhesie kulminieren kann, erklärt wiederum den Erlebnishorizont vieler Konsumenten, die nach der Einnahme immer wieder berichten, wesentliche Dinge ihrer Erfahrungswelt nunmehr mit anderen Augen zu betrachten. Sie kommen auf Lösungswege, die ihnen vorher verschlossen waren, und erleben einen kreativen Aufbruch.
Einsatz in der Medizin – ein Ausblick
Das Tabu, sogenannte „Drogen“ in der psychiatrischen Medizin zu verwenden, löst sich auf. Immer mehr Menschen erkennen, dass die Trennung zwischen Pharmazeutika und offiziellen Drogen zwangsläufig unscharf sein muss. Hinzu kommt die Krise der Psychiatrie, dass nach dem scheinbaren Durchbruch des ersten offiziellen Antidepressivums Imipramin im Jahre 1957 kein weiteres mehr dessen insgesamt dürftige Wirksamkeit überbot. So sind alternative Stimulanzien gegen mentale Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, Süchte und das Posttraumatische Belastungssyndrom (PTBS) zu neuen Hoffnungsträgern auch der offiziellen Medizin avanciert. Der Einsatz von Psychedelika befindet sich derzeit in der Erprobungsphase, was eine baldige Zulassung als rezeptfähiges Medikament möglich macht. Beim Eigenversuch ist Vorsicht geboten, denn vor allem labilen Personen droht die Psychose.







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