Ulm News, 26.06.2023 14:19
Prostitution ist Seelenmord
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Beschreibung: Das Ulmer Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution hatte Experten zum Thema "Blaulicht im Rotlicht" eingeladen.
Fotograf: Stefan Baumgarth
Das Ulmer Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution hat mit einer Veranstaltung zum Thema "Blaulicht im Rotlicht: Polizeilicher Handlungsspielraum im Prostitutionsmilieu" informiert. Das Fazit aller Expert*innen auf dem Podium lautete: Ein bundesweites Umdenken im Bereich der Prostitution ist längst überfällig.
Hartnäckig halten sich zahlreiche Mythen rund um das Thema Prostitution. Von Freiwilligkeit, Selbstverwirklichung und gutem Geldverdienen ist die Rede. Das Thema ist seit der Legalisierung der Prostitution im Jahr 2002 salonfähig. Edelprostituierte, S&M-Studiobesitzerinnen, Dominas, Escort-Damen und Bordell- und Saunaclubbetreiber sind immer wieder Gäste in deutschen Talkshows und den Medien. Und sie alle nähren die Mythen der "sauberen" Prostitution, in der selbstbewusste und selbstbestimmte Frauen freiwillig das schnelle und leichtverdiente Geld mit käuflichen Sex machen.
Aber entsprechen diese Schilderungen der Realität? Trifft dies auf die Mehrzahl der vielen Frauen in der Prostitution zu? Das Ulmer Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution hat zwei Experten auf diesem Gebiet zur Veranstaltung "Blaulicht im Rotlicht: Polizeilicher Handlungsspielraum im Prostitutionsmilieu" am Freitag, 23. Juni 2023 in die Handwerkskammer Ulm eingeladen.
Simon Häggström, Kriminalkommissar und Buchautor aus Schweden, arbeitet seit 15 Jahren an der Einführung des sogenannten Nordischen Modells und berichtete von seinen Erfahrungen und aus der Praxis. Eindrücklich schilderte er seine persönlichen Eindrücke aus Gesprächen mit den Frauen in der Prostitution. "Ich habe in meiner ganzen Zeit als Ermittler keine einzige Frau getroffen, die sich selbst als Sexarbeiterin bezeichnet hat." Prostitution "mache etwas" mit den Menschen und der Gesellschaft, so Häggström weiter. Man könne ein menschenverachtendes System, wie das der Prostitution, nicht von der Gesellschaft abkoppeln. "Welchen Sinn haben unsere Bemühungen zur Bekämpfung sexueller Belästigung und männlicher Gewalt zu Hause, am Arbeitsplatz oder auf der Straße, wenn es Männern gestattet wird, sich das Recht zu erkaufen, in der Prostitution dieselben Taten gegen Frauen und Kinder zu begehen?" Das Prositutionsgesetz in Deutschland mache unser Land zudem äußerst attraktiv für Menschenhändler, berichtete Häggström "Für Menschenhändler gilt in Deutschland: höchster Profit, kein Risiko!"
Diese Beobachtung teilte auch Helmut Sporer, Kriminaloberrat a.D. aus Augsburg. "Deutschland wird zu Recht als das Bordell Europas bezeichnet. Die Polizei geht von 400.000 Prostituierten aus und über eine Millionen Freier pro Tag" sagte Helmut Sporer. Auch er habe bei seiner Tätigkeit bei der Polizei festgestellt, dass die wenigsten Frauen selbstbestimmt und freiwillig in der Prostitution arbeiten. Offizielle Schätzungen gingen davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Frauen sich nicht freiwillig prostituierten.
Zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Menschenhandels brauche es in Deutschland aber immer die Aussage des Opfers. Die Frauen seien aber in der Regel nicht in der Lage dem psychischen Druck Stand zu halten. Die Gesetzgebung erleichtere es den Akteur*innen die Frauen in der Prostitution auszubeuten und es sei nicht gelungen Menschenhandel einzudämmen. Das Gegenteil ist der Fall: Seit der Liberalisierung der Prostitution im Jahr 2002 kam es zu einem Anstieg der Prostituierten in Deutschland und zu einem Anstieg des Menschenhandels mit Frauen und Kindern zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Mit der geplanten EU Erweiterung auf dem Westbalkan werde sich die Lage weiter verschlechtern.
"Klar ist," so Sporer, "im System der Prostitution profitieren die Bordellbetreiber, Zuhälter, Menschenhändler und nicht die Frauen, die in diesem System missbraucht werden."
Die Moderation der Veranstaltung übernahm im Anschluss die Menschenrechtsaktivistin Inge Bell, DIAKA e.V. und Vorsitzende von Solwodi Bayern. Sie verwies auf die brandaktuelle erste Forschungsarbeit zur rechtlichen, rechtsethischen und verfassungsrechtlichen Überprüfung der Prostitutionsgesetzgebung „Sexkauf – Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“. Inge Bell zitierte daraus Dr. Elke Mack, Sozialethikerin an der Universität Erfurt und eine der Autor*innen. "Bei meiner Studie habe ich die größte Verletzung der Menschenwürde in Deutschland im Bereich der Prostitution identifiziert."
Auch Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger, ehemaliger Richter am Thüringer Verfassungsgerichtshof und Lehrbeauftragter an der Hochschule der Sächsischen Polizei komme bei der Studie zu dem Schluss: "Die Würde des Menschen wird in der Prostitution verletzt." Rommelfanger weiter: „Der Staat muss seiner Schutzverpflichtung nachkommen und die andauernden Rechtsverletzungen beenden“
Das Fazit aller Expert*innen auf dem Podium: Ein bundesweites Umdenken im Bereich der Prostitution ist längst überfällig! Wir hoffen, dass die aktuelle Studie "Sexkauf – Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“" von Mack und Rommelfanger die sachliche und fachliche Diskussion in Deutschland in Richtung Sexkaufverbot beschleunigen wird.
Nach zahlreichen Fragen aus dem Publikum, schloss Inge Bell die Diskussion mit einem Zitat der Überlebenden Sandra Norak "Prostitution ist Seelenmord."



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