Ulm News, 26.07.2017 17:13
Grünen-Chef Cem Özdemir vor 500 Zuhörern: Kein heiliges Buch steht über dem Grundgesetz - DITIB-Imam fehlt bei Diskussion


Beschreibung: Grünen-Chef Cem Özdemir vor über 300 Zuhörern im Haus der Begegnung
Fotograf: Ralf Grimminger

Zum Thema „Islam in Deutschland und die Demokratie“ sprachen am Mittwochabend Cem Özdemir, grüner Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Pfarrer Heinrich Georg Rothe, Islambeauftragter der evangelischen Kirche, und Imam Bilal Hodzic, Vertreter des bosnischen islamischen Kultur Center Ulm. Imam Israfil Polat der türkischen DITIB-Moschee in Ulm hatte die Teilnahme an der Veranstaltung trotz vorheriger Zusage abgesagt. Zu der interessanten Veranstaltung des Kreisverbands Ulm der Grünen waren rund 500 Zuhörer ins Haus der Begegnung in Ulm gekommen.
Der grüne Cem Özdemir, der wegen seiner klaren Worte und Haltung für viele Türken ein rotes Tuch ist und deshalb mit vier Sicherheitskräften zu seinen Veranstaltungen reisen muss, bedauerte die kurzfristige Absage von Imam Israfil Polat der türkischen DITIB-Moschee in Ulm. Wie berichtet, hat der Vertreter der DITIB-Moschee auch die „Ulmer Erklärung“, die sich für ein gedeihliches Zusammenleben der Türken in Ulm und von Türken und Deutsche in Ulm ausspricht und von vielen türkischen Gruppen unterschrieben wurde, trotz vorheriger Zu- und Zusammenarbeit doch nicht unterzeichnet. Man wolle sich aus der Politik heraushalten, lautete hierfür die Begründung. Özdemir bedauerte die Absage Polats, weil man nur mit Gesprächen zu Lösungen komme.
„Die DITIB-Zentrale in Köln hat die Teilnahme verboten“, benannte der Grünen-Spitzenkandidat klar die Ursache und kritisierte die Strukturen scharf. DITIB ist der türkischen Religionsbehörde, die auch die Imame nach Deutschland entsendet, „und damit direkt dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan“ unterstellt. Cem Özdemir: „Das geht nicht. Der lange Arm Erdogans hat hier nichts zu suchen". Er forderte unter großem Beifall, dass sich der Moscheeverein DITIB klar von Erdogan distanziere und die Union Europäisch-Türkischer Demokraten nicht weiter Oppositionelle einschüchtere. „Eine Moschee ist ein Platz für alle muslimischen Gläubigen, nicht nur für AKP-Politiker und Mitglieder“.
Der in Bad Urach geborene und aufgewachsene Politiker sagte in diesem Zusammenhang, dass endlich geklärt werden müsse, wie die Imame in deutschen Moscheen finanziert werden. Bis jetzt werden diese von der Türkei ausgewählt, entsandt und auch bezahlt. Das müsse man ändern, forderte Özdemir, der glänzend informiert und vorbereitet war und so freundlich und äußerst fachkundig Angriffe türkischstämmiger Zuhörer parierte.
Lautstarken Beifall erhielt er für die Feststellung, dass „kein heiliges Buch über dem deutschen Grundgesetz steht“, und „Wenn jeder hier mit seinem heiligen Buch um die Ecke kommt, haben wir in Deutschland ein Problem“. Grundsätzlich helfe nur „gegenseitiger Respekt“, sagte Özdemir unter großem Applaus.
Weniger klare Worte fand Pfarrer Heinrich Georg Rothe, Islambeauftragter der evangelischen Kirche. Er geriet mit seinen vagen Ausführungen immer wieder ins Stocken, seine Standpunkte blieben im Unklaren. Aber auch er setzte auf Gespräche und Verständnis, wobei er gleich mal einen längeren Zeitraum ansetzte und auf das Zusammenkommen von Deutschen und Franzosen verwies, „das Jahrzehnte dauerte“. Auch er bedauerte aber, dass der Ulmer DITIB-Vertreter an diesem Abend fehlte, weil man mit diesem gute Gespräche führen könne. Für ihn sei DITIB keineswegs der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten.
Bilal Hodzic, Vertreter des bosnischen islamischen Kultur Center Ulm, verwies darauf, dass viele Menschen vom Balkan oder aus der Türkei, insbesondere nicht die so genannte erste Generation, in der Rente wieder nach Hause ziehe, sondern hier in Deutschland bliebe. Das zeige, dass es ihnen hier gefalle und sie einvers
tanden seien, wie es hier läuft. Allerdings könne das Grundgesetz geändert werden, die Scharia aber nicht. Wie eng oder wortgenau man sich an die Scharia halten müsse, sagte nicht.
Den Abend schloss eine Fragerunde ab. Hi er wurde Özdemir wieder von t&am p;am p;am p;am p;uu ml;rkischen Mitbürgern angegriffen. Die muslimischen Heißsporne, denen wohlweislich das Mikrofon nicht in die Hand gegeben wurde, gaben politische Statements ab und taten sich schwer Fragen zu stellen. Sie erklärten oder kritisierten auch nicht die Abwesenheit des örtlichen DITIB-Imams, griffen stattdessen Özdemir wegen seiner Haltung zum Armenien-Massaker und die Resolution im deutschen Bundestag an. Die Resolution habe 2,5 Millionen Türken in Deutschland beleidigt, so eine Wortmeldung.
Cem Özdemir reagierte cool mit einem längeren geschichtlichen Exkurs, räumte eine deutsche Mitschuld an dem Völkermord an den Armeniern ein und berichtete dann von seiner Schulzeit, in der ausführlich die Gräuel in der NS-Zeit und der Holocaust an den Juden besprochen wurde. „Das hat mich schon als Schüler beeindruckt, wie souverän und klar Deutschland mit diesen Taten und dieser Schuld umgeht. Genau das wünsche ich mir auch in und von der Türkei, “ sagte der Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl unter großem Beifall der etwa 500 Zuhörer einer erneut auch von auffallend vielen jungen Leuten gut besuchten Veranstaltung der Grünen.







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