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Ulm News, 25.06.2014 17:35

25. Juni 2014 von Ralf Grimminger
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Kinderpsychiatrien in der Nachkriegszeit: Das Leiden der Betroffenen anerkennen


 Nach Ulmer Kamingespräch fordert Fachgesellschaft öffentliche Verantwortung und fördert die Aufarbeitung Sie waren uneheliche Kinder, kamen aus schwierigen Familien und entsprachen nicht den damaligen gesellschaftlichen Normen. 

Mit dem Etikett „schwachsinnig“ versehen erlebten Kinder und Jugendliche von der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre in deutschen Psychiatrien Gewalt, Demütigung, Ruhigstellung und Rechtlosigkeit – zum Teil über Jahre hinweg. Beim Ulmer Kamingespräch der Reihe „Aufarbeitung und Missbrauch“ berichteten am 23. Juni 2014 Betroffene über ihre schockierenden Erlebnisse und darüber, wie ihre Erfahrungen ihr Leben geprägt haben. Sie kamen auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP), der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie und dem Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin in Baden-Württemberg. Als Konsequenz aus dem Gespräch teilte der Vorstand der DGKJP heute mit, dieses düstere Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte aufzuarbeiten und sich für die öffentliche Anerkennung des Leides der Betroffenen und deren Entschädigung einzusetzen. Die Fachgesellschaft hatte nach einem Bericht des ARD-Magazins Monitor (www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2014/0410/hoelle.php5) über psychiatrische Einrichtungen der damaligen Zeit Kontakt zu den dort Porträtierten aufgenommen und sie nach Ulm eingeladen. Sieben Betroffene schilderten, wie sie von zu wenig und oft schlecht ausgebildetem Personal schwer misshandelt wurden, wie sie im Bett fixiert, in Einzelzellen gesperrt oder mit Valium ruhiggestellt wurden. Sie berichteten über die schwere Arbeit, die sie auch als Kinder täglich verrichten mussten, meist ohne die Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Ihre Situation war von völliger Rechtlosigkeit geprägt. Ihre traumatischen Erfahrungen prägten auch ihr weiteres Leben. Viele haben heute auch angesichts vieler Folgeerkrankungen Angst davor, sich später in einem Pflegeheim wieder ausgeliefert zu fühlen. „Wir wollen uns in der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. für die Anliegen der Betroffenen einsetzen und einen eigenen Beitrag zur Aufarbeitung leisten“, sagt Prof. Dr. Jörg M. Fegert, der Präsident der Gesellschaft und Ärztlicher Direktor der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie. Die Fachgesellschaft will sich zum einen beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs dafür starkmachen, dass die Betroffenen anderen Gruppen, z.B. den Heimkindern, gleichgestellt werden, denen Anerkennung und Entschädigung zugesprochen wurden. „Außerdem werden wir die Länder auffordern, Lösungen mit dem Bund in dieser Frage nicht weiter mit formalen sozialrechtlichen Zuständigkeitsargumenten zu blockieren. Wir wollen zudem die Träger bzw. die Rechtsnachfolger der damaligen Einrichtungen kontaktieren und sie zu einer klaren Positionierung auffordern“, erläutert Professor Fegert. Darüber hinaus will die Fachgesellschaft ein Angebot schaffen, das Betroffenen ermöglicht, mit Fachärzten ihre damaligen Diagnosen anhand noch vorhandener Krankenakten zu überprüfen und schriftliche Erklärungen über offensichtliche Fehldiagnosen abzugeben. Auch die Frage nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten im Alter will die Fachgesellschaft mit Verantwortlichen diskutieren. Um das damalige Selbstverständnis des noch nicht in seiner heutigen Form existierenden Faches zu ergründen, hat die DGKJP zudem aus eigenen Mitteln ein Forschungsprojekt zu ihrer Gründung sgeschichte im Nationalsozialismus und der Zeit bis in die 50er Jahre ausgeschrieben und jetzt an Prof. Dr. Heiner Fangerau, Direktor des Ulmer Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin, vergeben. „Die Berichte über die damalige Zeit stellen eine besondere Herausforderung und Verantwortung dar, in der modernen Kinder- und Jugendpsychiatrie familienfreundliche Hilfen zu bieten“, erklärt Professor Fegert. Dass dies möglich ist, davon hatten sich die Betroffenen bei einer Führung durch die Ulmer Einrichtung überzeugen können. Die meisten Behandlungen erfolgen ambulant, stationäre Aufenthalte sind wesentlich kürzer als damals. Dennoch sind viele Themen der Vergangenheit auch heute noch auf der politischen Agenda. So steht eine Reform des Entgeltsystems in der Psychiatrie an, die den Abschied von festen Personalschlüsseln vorsieht, dank derer in den 90er Jahren die „Verwahrpsychiatrie“ ihr endgültiges Ende fand. Auch die Transparenz und Kontrolle von Zwangsmaßnahmen in der psychiatrischen Behandlung steht in der Diskussion. Nach einem aktuellen höchstrichterlichen Urteil des BGH in Zivilsachen dürfen Eltern alleine über solche Maßnahmen entscheiden, ohne dass ein Gericht diese prüfen müsste. Die Fachgesellschaft will sich für den Erhalt der Qualität in der kinderpsychiatrischen Therapie und für den individuellen Schutz von Patienten in Einrichtungen stark machen.



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