Ulm News, 28.06.2014 01:00
Gesichter des Krieges - Eindrückliche Fotografien von Anja Niedringhaus, Jan Banning und Bryan Adams im Ulmer Stadthaus
2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal. Das Stadthaus zeigt drei in sich geschlossene Zyklen mit Arbeiten der drei Ausnahmefotografen Anja Niedringhaus, Jan Banning und Bryan Adams, die extreme Gewalterfahrungen verschiedener Kriegswirklichkeiten portraitieren. Die eindrucksvollen, berühenden und betroffen machenden Fotografien sind bis 7. September im Ulmer Stadthaus zu sehen. Die Ausstellung wurde am Freitagabend eröffnet. Zur Vernissage waren über 500 Interessierte gekommen. Bryan Adams beeindruckte mit einer spontanen, nicht geplanten und sehr emotionalen Rede über seine Erlebnisse mit den kriegsversehrten jungen Soldaten während der Fotoaufnahmen. Er musste seinen Vortrag mehrmals kurz unterbrechen. Zuvor hatte Silke Ballweg von "Reporter ohne Grenzen" über ihre Arbeit und - ebenso berührend - über den Tod zweier Kollegen berichtet und so an Anja Niedringhaus, die im April in Afghanistan erschossen wurde und deren Fotos nun im Stadthaus zu sehen sind, eindrucksvoll erinnert.
Die Pulitzer-Preisträgerin Anja Niedringhaus (1965-2014) berichtete als Augenzeugin für Associated Press über 20 Jahre mit eindringlicher Schonungslosigkeit unmittelbar aus weltweiten Krisen- und Kriegsgebieten, unter anderem aus Kroatien und Serbien, Irak, Afghanistan, Libyen und Israel. Unter extremen Bedingungen dokumentierte Niedringhaus, oft Schulter an Schulter mit Soldaten, Leben und Sterben im Ausnahmezustand militärischer Auseinandersetzungen. Ihre Bilder rücken den Menschen ins Zentrum. Sie begegnete ihm mit Neugier und Respekt gleichermaßen, seien es Soldaten, die mit Verzweiflung, Wut, Schmerz oder Tränen kämpfen, oder eine strapazierte Zivilbevölkerung, die um Normalität und Würde ringt. Unter dem Titel "At War" hatte sie eine Auswahl ihrer Arbeiten der letzten zehn Jahre zusammen gestellt, die u.a. in Berlin und Frankfurt ausgestellt wurden und nun im Stadthaus gezeigt werden. Am 4. April 2014 wurde Anja Niedringhaus auf dem Weg zur Wahlbeobachtung in Afghanistan erschossen, ihre Kollegin Kathy Gannon schwer verletzt.
Der Portraitzyklus „Comfort Women“ (erschienen 2010) des niederländischen Fotografen und World Press Photo Award- Preisträgers Jan Banning (*1954) zeigt indonesische Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges als sogenannte „Trostfrauen“ in Militärunterkünfte und Frontbordelle der japanischen Armee verschleppt und dort teils jahrelang Opfer sexueller Gewalt und systematischer Zwangsprostitution wurden. Mehr als sechs Jahrzehnte hatten die Frauen über die an ihnen begangenen Verbrechen geschwiegen - oft aus Scham und Angst vor sozialer Ächtung -, bevor sie sich von Jan Banning portraitieren ließen und über ihre leidvolle Geschichte, die seelischen Verletzungen und Folgeschäden berichteten.
Der Musiker und Fotograf Bryan Adams (*1959) fotografierte für seine seit 2008 entstandene Portraitserie „Wounded - The Legacy Of War“ britische Kriegsheimkehrer aus Afghanistan oder dem Irak. Mit der nüchternen Präzision einer Großbildkamera und vor sachlich ausgeleuchtetem Studiohintergrund dokumentiert er die Kriegsverletzungen der Männer und Frauen, zeigt ihre Verstümmelungen, Narben und Verbrennungen. Adams hat die Verwundung der oft noch sehr jungen Veteranen im Blick. Er portraitiert ihren trotzigen Willen und Stolz, mit dem sie um ihren Weg zurück ins Leben kämpfen. Sie posieren nicht in heroischem Patriotismus, sie umgibt vielmehr die Aura eines verstörend provokativen Optimismus. Die beinahe lebensgroßen, sehr monumentalen Abzüge machen eine direkte Konfrontation mit dem Menschen „hinter“ dem Bild unausweichlich, nicht als Darstellung eines Krieges, sondern als Realität des Krieges. Das Buch „Wounded - The Legacy Of War“ ist 2013 bei Steidl erschienen.
Dem französischen Philsosophen und Soziologen Jean Baudrillard zufolge verflüchtigt sich die Wirklichkeit durch eine visuelle Reizüberflutung in austauschbare Bilder. Kriege werden in den Medien überbelichtet, bleiben aber gleichzeitig unterbelichtet im Gedächtnis.
Die in der Ausstellung im Ulmer Stadthaus präsentierten Arbeiten eint jedoch eine Wucht, die den Betrachter berührt. Diese Bilder bleiben abrufbar, weil auch das von Bedeutung ist, was nicht unmittelbar auf den Bildern zu sehen ist. Der Betrachter fragt nicht, wie nah man den abgebildeten Ereignissen oder Personen ist, man interfrägt auch nicht die Authentizit&
;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;amp; ;auml;t der Bilder oder versucht sie mit der unmittelbaren Wirklichkeit zu vergleichen. Vielmehr erinnert man sich dieser Bilder, weil sich die Bedeutung und die Geschichte, die damit assoziiert wird, eingebrannt haben und sie über den engen Horizont bloßer Tagesaktualität hinausreichen.
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