Ulm News, 07.01.2014 10:31
Ulmer Wissenschaftler entschlüsseln genetisch bedingte Immundefekterkrankung bei kanadischen Ureinwohnern


Beschreibung: v. l. Dr. Ulrich Pannicke, Dr. Klaus Schwarz und Dr. Bernd Baumann
Fotograf: Universitätsklinikum Ulm

Großer Erfolg für Wissenschaftler der Ulmer Universitätsmedizin: Das renommierte New England Journal of Medicine berücksichtigt in seiner aktuellen Ausgabe eine Originalarbeit, die einen schweren kombinierten Immundefekt (severe combined immunodeficiency – SCID) bei kanadischen „First Nations-Kindern“ der „Northern Cree“ beschreibt. Aufgeklärt wurde der Defekt gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Freiburg, Kanada und Schweden. Zuvor hatten Forscher weltweit nicht genau verstanden, warum die betroffenen Patienten während ihres ersten Lebensjahres an schweren wiederkehrenden viralen, bakteriellen und mykotischen Infektionen sowie einer generellen „Gedeihstörung“ leiden und schließlich versterben.
„Wir erhielten vor rund drei Jahren von Prof. Dr. Marlis Schroeder, leitende Ärztin des Knochenmark- und Stammzelltransplantationszentrums im kanadischen Winnipeg, DNA-Material und Blut von vier betroffenen Säuglingen aus vier Familien sowie von drei gesunden Geschwisterkindern vom Stamm der Northern Cree. Hinzu kamen Hautfibroblasten – also Zellen des Bindegewebes – von einem der Säuglinge“, erläutert Dr. Klaus Schwarz vom Institut für Transfusionsmedizin, der als „Korrespondierender Letztautor“ der Studie fungierte. Er ergänzt: „Wir wurden um Unterstützung gebeten, da diese Form eines SCID wissenschaftlich bislang nicht erklärt werden konnte. Die Erkrankung ist äußerst selten. In Deutschland beispielsweise liegt die Anzahl der Neuerkrankungen bei etwa einem Fall auf 50.000 bis 100.000 Geburten.“ „Ohne eine adäquate Behandlung in Form einer geeigneten Stammzelltransplantation versterben die betroffenen Patienten in aller Regel innerhalb ihres ersten Lebensjahres. Das war uns natürlich ein großer Ansporn. Zumal die Aufdeckung von Gendefekten, die den einzelnen SCID-Erkrankungen zugrunde liegen, Einblicke in molekulare Mechanismen gewährt, die für die Entwicklung und Funktion der Immunabwehr von zentraler Bedeutung sind“, erläutert Dr. Schwarz. Aufwändige Untersuchungen des Genmaterials der erkrankten Säuglinge und der Vergleich mit der unauffälligen DNA der Geschwisterkinder führten schließlich zu einer Eingrenzung eines Bereichs auf Chromosom 8. In diesem Abschnitt fanden die Forscher eine Mutation des so genannten IKBKB-Gens, die sich in Form einer Verdopplung eines DNA-Bausteins zeigt. Dieser Fehler im „Bauplan des Lebens“ führt zu einer „Nullmutation“. Mit anderen Worten: Das vom Gen kodierte IKK2-Protein wird in den Zellen der betroffenen Patienten überhaupt nicht gebildet. „Bis zum heutigen Tage wurden keine Erkrankungen beim Menschen beschrieben, die auf einer Mutation im IKBKB-Gen beruhen. Basierend auf Mausstudien ist man bislang davon ausgegangen, dass ein Fehlen des IKK2-Proteins mit seiner zentralen Funktion in zellinternen Signalwegen nicht mit dem Leben vereinbar ist. Uns ist damit erneut eine Erstbeschreibung einer genetisch bedingten Immundefekterkrankung gelungen“, unterstreicht Dr. Ulrich Pannicke vom Institut für Transfusionsmedizin. Er ist zusammen mit Dr. Bernd Baumann vom Institut für Physiologische Chemie einer der Erstautoren der Studie. Diese Entdeckung erlaubt jetzt eine exakte und frühzeitige Diagnose der Erkrankung und damit einen schnellen Therapiebeginn, der lebensrettend sein kann. Außerdem ist nun eine auf gesicherte molekulare Befunde gestützte Familienberatung möglich. Alle drei Wissenschaftler sind sich darüber hinaus einig, dass die nun gelungene Entschlüsselung auch über die Diagnostik bei den betroffenen Familien hinaus wichtige Bedeutung hat: Sie bringt neue Erkenntnisse über Mechanismen des Immunsystems. Dies ist, wie Dr Baumann ausführt, „die Grundlage, um zukünftig auch neue Möglichkeiten zu entwickeln, das Immunsystem medikamentös zu beeinflussen“. Warum war die Entschlüsselung der Erkrankung eine so große Herausforderung? „Das Bemerkenswerte ist, dass die Betroffenen aufgrund ihrer stark ausgeprägten Infektionsanfälligkeit klinisch zwar als SCID-Kinder auffallen, ihre Immunzellen im ersten Moment aber nicht auf diese Erkrankung hindeuten. Wir mussten wirklich mit sehr viel Phantasie und detektivischen Spürsinn an die Analysen herangehen“, bilanzi ert Dr. Klaus Schwarz.










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