Drei Stunden Frontalunterricht mit Hagen Rether über alle Übel dieser Welt

Hagen Rether ist brillant. Brillant wie er charmant und gelegentlich ein bisschen hinterfotzig am Stück plaudert, ohne ins Stocken zu geraten, ohne Infos, Zahlen, Namen und Fakten zu verwechseln und ohne Übergänge zu versemmeln. Der Essener ist ein  charmanter Plauderer, der meist in einer Tonlage ganz trocken über die Mißstände in der Welt spricht.  Das tat er auch im vollbesetzten Roxy. Er sprach über Monsanto, die Selbstmorde indischer bauern, Al Kaida, Afghanistan, Merkel, die Bundestagswahl, viel über die Grünen, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, über Lampedusa, ein wenig über die SPD, kaum über die CDU, über Indien, den Veggie Day, die Terrorgefahr, die alles andere als staatsgefährdent ist, Sodomie, Schlachthöfe an sich, Tiertransporte und Fleischproduktion im Besonderen, über NSA und NSU, über Moral und Medien, Steuern, Guttenberg, Wutbürger, Flugreisen und wahrscheinlich noch einiges mehr.
Hagen Rether plauderte und plauderte, grinste abundzu und gönnte dem Publikum kaum Zeit zum Nachdenken. Er verzichtete fast vollständig auf sein Klavierspiel, sodass der Flügel, den er nebenher hingebungsvoll putzte, nur Staffage war. Das Roxy-Publikum hing ihm dennoch hingerissen an den Lippen. Dabei muss man nur Spiegel- lesen, Deutschlandfunk oder Bayern 5 hören, um informiert zu sein. Aber klatscht der Hörer, wenn in  Bayern 5 ein Problem erläutert wird? Lacht der Spiegelleser verschämt? Im Roxy applaudierte das Publikum, obwohl Rether seine Infos nicht pointiert präsentiert, allenfalls wie ein etwas freundlicherer Nachrichtensprecher. Inhaltlich liegt Rether auf der Linie der Linken und der Grünen, die sich wohl sehr gefreut hätten, wenn im Wahlkampf der eine oder andere Hagen Rether-Jünger vorbeigeschaut und vielleicht sogar sein Kreuzchen beim linken oder grünen Kandidaten gemacht hätte.  Aber so weit geht es dann mit dem links- und kritisch sein auch wieder nicht. Aber immerhin: Das Publikum jubelt dem Kabarettisten zu, der nicht feinsinnig, nicht wortgewaltig, nicht orginell ist, der seinen Fans nur ganz selten ein plattes Witzchen zum erlösenden Lachen hinwirft. Und der eigentlich nichts Neues erzählt, allenfalls ein paar Zusammenhänge offenlegt. Aber Rether reiht die schlimmen Übel, nein wahrscheinlich waren es am Mittwoch im Roxy sogar alle Übel dieser Welt, akribisch auf und aneinander und fragt dann "Wie halten Sie das aus?"
Drei Stunden lang gerade noch. Dann war es aber wirklich genug. Der Schnaps danach tat richtig gut! Ralf Grimminger