Ulm News, 16.03.2010 12:32
Peter Zwey: Liliom in München
Das Publikum applaudierte anerkennend bei der "Liliom"-Premiere im Residenztheater München. Florian Bösch hat die lyrisch-dramatische Moritat Ferenc Molnars neu inszeniert. Sein Vorstadtstrizzi Liliom besticht von Anbeginn durch seinen Charme und seine Agilität, die ihn über die Drehbühne treibt, schreibt Peter Zwey.
Singend, konferierend. Lilliom arbeitet als Ansager eines Ringelspiels, das Bösch zu einer Disko umdekoriert.
Lilioms Anmache ist diskolike, gut gemacht. Julie, das naive Dienstmädchen liebt ihn auf den ersten Blick, sprachlos und widerborstig tritt sie gegen die Chefin Lilioms, Frau Muskat, an, die vor Eifersucht in Wut ausbricht und das Mädchen hinauswirft. Liliom ergreift Partei für die kleine Julie, da kündigt Frau Muskat ihrem Paradepferd, das sie liebt, spontan die Stellung. Jetzt ist Liliom arbeitslos, lebt mit vom kargen Lohn Julies und kommt schließlich auf dumme Gedanken. Bis zu dem geplanten Überfall auf den Kassier einer Fabrik, wozu Lilioms krummer Freund Ficsur ihn überredet, wird bekannt, dass Julie ein Kind erwartet. Ihre Freundin Marie tritt auf und warnt sie vor Liliom, der es nie zu etwas brächte, indessen sie ihren braven künftigen Ehemann Wolf vorführt, bei dem sie sich ein gutes Auskommen, bürgerlichen Komfort und großartige Kinder verspricht. Auch ein Herr Drechsler, ein Witwer mit zwei Kindern, stellt sich Julie als möglicher Heiratskandidat vor. Julie bedankt sich artig für die gut gemeinte Partie, doch ihr Herz gehört unverrückbar Liliom.
Auch dass er sie schlägt, aus Kummer über sein elendes Arbeitslosen-Schicksal, bringt sie nicht von ihm weg. Sie weiß nicht warum, sie hat keine Argumente für ihre unbedingte Entscheidung, sie sagt nur kleinlaut und einfach: „Solche muss es auch geben.“
Eine der zauberhaften Stelle der Julie, der ihre Liebe alles bedeutet, diese aber nicht andeutungsweise auszusprechen vermag.
Dann nimmt das Schicksal seinen märchenhaften Lauf, der Überfall auf den Kassier missglückt, der falsche Ficsur ergreift die Flucht, Liliom in Gefahr, jetzt bestraft und eingesperrt zu werden, bringt sich auf offener Bühne ums Leben.
Er ersticht sich. Zurück bleiben die zwei Liebenden, Frau Muskat trägt Julie die Versöhnung an, Julie bedankt sich, aber lehnt ab. Sie hat Liliom ganz anders geliebt, als Frau Muskat, heißt das, ausgedrückt in wenigen Worten und deutlichen Gesten.
Dann folgen noch zwei weitere Szenen über einen Ausflug ins Jenseits. Liliom ist auch vor seinem ewigen Richter, der nur als zweifache Mikrofon-Stimme männlich-weiblich in Szene tritt, unbeirrbar. Er bereue nichts. Also muss er in einen langen Schlaf im Rosenfeuer von seiner Sturheit befreit werden, bevor er nach 16 Jahren noch einmal zur Erde hinunter darf, um seiner jungen Tochter zu begegnen.
Hier endet alles wie im Märchen, zeitentrückt, als eine wunderbare Schicksalsparabel. Die Begegnung geht schief, obschon das junge Mädchen kurz vor der Entdeckung ihres leiblichen Vaters steht.
Er hat ihren einen Stern mitgebracht aus dem Jenseits, verstolpert die Übergabe und schlägt auch die Tochter. Seine Sünde ist unaustilgbar, auch durch die Kur im Jenseits nicht zu läutern. Seine Tochter aber spürt von den Schlägen, wie einst ihre Mutter Julie, fast nichts.
Ach, es sind sehr viele hübsche Einfälle in diesem poetisch-federleichten Stück über ein dunkles Geschehen gebreitet. Der Charme des versiert gemachten sprachlosen Stücks hat viele Nuancen, ei n ige davon kommen in der Inszenierung zur Geltung. Doch ist zu fragen, warum die ganz in ein historisches, vergangenes Vorstadt-Milieu eingepflanze Theaterpartitur unbedingt in eine andere, aktuelle Zeitgemäßheit gezerrt werden muss?
Warum will keiner dieses St&uu
ml;ck ganz in der Historie, wie in einer alten dunklen, aber schmucken Hülle belassen? Was bringt der bemühte Bezug zur heutigen Gegenwart, die doch ganz anders ist. Kühler, amerikanischer, technischer und der Romantik des Liliomstoffes völlig entfremdet? Schreibt der Kriitiker Peter Zwey.
Gewiss der Abend ist vergnüglich,es kommt nirgends Langeweile auf, die Schauspieler, allen voran Liliom und Julie, gespielt von Michael von Au und Anne Schäfer, skizzieren ihre Rollen mit Leichtigkeit und Schwung. Die Musik, für die
Martin Schütz sorgt, tut ihr Übriges zum schönen Stimmungsreigen. Doch ich bleibe dabei, ein durchweg historisch rekonsturierter, melancholisch-romantischer Liliom im Dekor der Zeiten-Wende um 1900 wäre noch schöner, noch viel ergiebiger aufzuführen.



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