Ulm News, 22.02.2013 22:00
Ulmer Forscher entwickeln spermienfreundliche Petrischale
Seit ihrer Erfindung vor 126 Jahren durch den deutschen Bakteriologen Richard Julius Petri ist sie ein unentbehrliches Hilfsmittel für zahllose medizinische, biologische oder chemische Laborversuche: Die nach ihrem Erfinder benannte Petrischale, ursprünglich gefertigt aus Laborglas, seit 1956 vorwiegend aus dem Kunststoff Polystyrol. Jetzt könnte der Petrischale aus herkömmlichem Material Konkurrenz erwachsen: Eine Forschergruppe um Dr. Andrei Sommer vom Institut für Mikro- und Nanomaterialien der Universität Ulm hat eine Alternative aus Nanodiamant-beschichtetem Quarzglas entwickelt.
Große Vorteile verspricht sie unter anderem für die Reproduktionsmedizin, für die Zeugung menschlichen Lebens im Labor also. Über die Arbeit der Ulmer Wissenschaftler berichtet das renommierte Journal „Science“ in seiner jüngsten Ausgabe. Am (heutigen) Freitag haben sie ihre Neuentwicklung in Ulm vorgestellt. Beteiligt daran neben Sommer: Dr. Friedrich Gagsteiger, Gynäkologe, ausgewiesener Reproduktionsmediziner und seit 1993 Leiter des von ihm gegründeten „Kinderwunsch-Zentrums Ulm“, zusammen mit dem Ableger in Stuttgart eines der führenden reproduktionsmedizinischen Zentren in Süddeutschland, sowie Dan Zhu, auf Biomaterialien spezialisierte Nachwuchswissenschaftlerin aus Nanjing, die an der Universität Ulm den Masterstudiengang Advanced Materials absolviert hat und derzeit bei Sommers Institutsdirektor Professor Hans-Jörg Fecht promoviert. Gemeinsam haben sie in einer ersten Studie zum Thema festgestellt: Spermien überleben in der neuartigen Petrischale länger, ihre Funktionen bleiben dabei zugleich intakter. „Ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Befruchtung“, sagt Gagsteiger, optimistisch, was die Neuentwicklung angeht: „Ich glaube, dass sie sich durchsetzen wird.“ Denn gerade beim Beginn menschlichen Lebens bestünde „ein Bedürfnis nach absoluter Sauberkeit“. In den deutlich höheren Kosten sieht der erfahrene Facharzt kein Hindernis. „Wir wollen doch das Bestmögliche tun und keine Kompromisse eingehen“, sagt der vierfache Vater. Allenfalls die Mehrfach-Verwendbarkeit der voraussichtlich rund 100 Euro teuren neuen Petrischalen sei womöglich neben der Schichtdecke eine Frage des Preises. Die beträgt Sommer zufolge gerade mal einen Mikrometer, einen Tausendstel Millimeter also, besteht aus synthetischem transparentem Diamant und wird in einer chemischen Bedampfungsanlage des Instituts bei 700 Grad Hitze aufgebracht. Auf serienmäßig erhältlichen Quarzglas-Schalen übrigens. Rund zehn Stunden dauere der Vorgang, so der in Physikalischer Chemie promovierte Physiker, Ideengeber und Erstautor der Studie. Zu der ihn fraglos höchst unterschiedliche Wege geführt hatten. Zunächst die schon vor fünf Jahren publizierte Erkenntnis, dass aus Vulkanen gewonnene natürliche Diamanten Aminosäuren eine Plattform zur Kettenbildung bieten. „Dass Diamanten ganz am Anfang der Evolution eine Rolle gespielt haben, war unser Leitgedanke“, berichtet Andrei Sommer. Resultierend aus einer speziellen Wasserstruktur auf dem Diamanten, erklärt der Wissenschaftler. Demgegenüber habe er bei einer Untersuchung des Verhaltens von Krebszellen am Forschungszentrum Karlsruhe zwei Jahre später festgestellt: „Die Zellen mögen die Petrischale nicht.“ Polystyrol habe „Eigenschaften, die Zellen nicht gut tun“. Nachgewiesen übrigens am höchst unterschiedlichen „Kletterverhalten“ der Zellen: Auf Silicium und Glas wenig ausgeprägt, auf Polystyrol annähernd Null, auf Diamant indes ein sehr lebhaftes. Der nächste Schritt sei dann im Vorjahr der erstmalige Nachweis gewesen, dass Polystyrol, für die Aufnahme von Zellkulturen hydrophil gemacht, beim Kontakt mit Wasser weicher wird. Minimal zwar nur, aber messbar und vermutlich verbunden mit dem Aufbau einer dünnen zelltoxischen Schicht als Reaktion. „Ein Alarmsignal für Zellen“, sei er schon damals überzeugt gewesen. In Verbindung mit Glas, Silizium oder Diamant dagegen seien keinerlei Wechselwirkungen mit Wasser zu verzeichnen gewesen. Was ihn zu der nahe liegenden Fragestellung geführt habe: „Wo könnte dieser Effekt eine wichtige Rolle spielen?“ Und die Antwort führte schließlich zum Umgang mit menschlichen Ei- und Samenzellen, zur Entwicklung der neuartigen Petrischale. Wobei eine weitere Studie bereits vorbereitet wird. Nach der Vitalität sollen nun die Auswirkungen auf die Beweglichkeit der Spermien untersucht werden, Dr. Sommer zufolge schwieriger als die erste Phase. Unabhängig davon: Alle Beteiligten gehen davon aus, dass die Nanodiamant-Lösung auch hier Vorteile bieten wird.




Highlight
Weitere Topevents
Autofahrer auf B10 tödlich verunglückt
Am Sonntag kam ein 26-Jähriger bei Lonsee von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. weiterlesen
Online-Glückspiel: JackpotPiraten erhalten behördliche Erlaubnis
Die Nachricht machte Furore in der Online-Casinogemeinde. Knapp ein Jahr nach dem Inkrafttreten des neuen...weiterlesen
Motorradfahrer nach Sturz verstorben
Am gestrigen Sonntag kam für einen 62-Jährigen Biker bei Allmendingen leider jede Hilfe zu spät. weiterlesen
Unbekannte verprügeln 50-Jährigen am Rande der Ulmer Innenstadt - Täter wie Zeugen werden gesucht
Wieder ein obskurer und beängstigender Vorfall in der Ulmer Innenstadt: Laut Polizei soll am vergangenen...weiterlesen
Neue Erkenntnisse im rätselhaften Todesfall Rafael Blumenstock auf dem Ulmer Münsterplatz
Ein neuer True-Crime-Podcast in der ARD-Audiothek beschäftigt sich unter dem Titel "Der Schrei" mit...weiterlesen
Verkehrsänderung am Blaubeurer Ring - Zinglerstraße eingeengt und beim Metzgerturm total zu
Das Baustellen-Update für kommende Woche hat es wieder in sich. Verkehrsänderung am Blaubeurer Ring -...weiterlesen
Jetzt wird`s eng auf der Adenauerbrücke: eine Spur nach Ulm entfällt - provisorische Geh- und Radwegebrücke ab Samstag für eine Woche geschlossen
Die Arbeiten an und um die große Adenauerbrücke als wichtigste Verbindungsachse von Ulm und Neu-Ulm...weiterlesen
Geht`s noch perfider? Überfall auf Bäckerei
Ein perfider Überfall auf die Bäckerei-Filiale im EDEKA-Markt in Jebenhausen (Kreis Göppingen) sorgt...weiterlesen









