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Ulm News, 07.05.2012 10:44

7. May 2012 von Thomas Kießling
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Synästhesie bei Kindern: Enrico bringt Zahlen und Noten zum Tanzen


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Beschreibung: ): Hätte nie gedacht, dass ihr Sohn Synästhetiker ist: Die Grafikerin Rosina Ferrari mit Enrico

Fotograf: privat

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Wenn der 10-jährige Enrico Geige übt, tanzen Noten und Zahlen durch das Zimmer. Was nach einer kindlichen Phantasiererei klingen mag, ist ein in den Neurowissenschaften anerkanntes Phänomen – Synästhesie. Bei Menschen mit dieser Sonderbegabung löst ein Sinnesreiz ganz ohne ihr Zutun eine weitere Wahrnehmung aus.

 In Enricos Fall tanzen Noten, anderer Synästhetiker verknüpfen Zahlen, Buchstaben oder Wochentage mit Farben oder finden, dass die Suppe gepunktet schmeckt. „Im Gehirn von Synästhetikern ist nichts anders. Allerdings gibt es einige Verbindungen, die wohl stärker erregt beziehungsweise weniger gehemmt werden“, erklärt Professorin Anke Huckauf, Leiterin der Abteilung für Allgemeine Psychologie an der Uni Ulm. Zum Beispiel könnten Seh- und Hörzentrum stärker verbunden sein. Dabei ist Synästhesie keine Krankheit. Der sperrige Name der Sonderbegabung leitet sich aus den altgriechischen Wörtern „syn“ (zusammen) und „aisthesis“ (Empfinden) ab. Enrico aus Gärtringen bei Stuttgart empfand die Notentänze als völlig normal. Erst seine Chorleiterin Alexandra Kirschner machte ihn darauf aufmerksam, dass nicht alle Kinder beim Musizieren sekundäre Wahrnehmungen haben. Kirschner ist selbst Synästhetikerin und hat bei den „Aurelius Sängerknaben“ bereits mehrere Jungen mit der Sonderbegabung entdeckt. Gegebenenfalls nutzt sie das Talent bei der Stimmbildung und lässt die Choristen beispielsweise Bilder zu Musikstücken malen. „Von Synästhesie hatte ich schon gehört. Ich wäre allerdings nie darauf gekommen, dass Enrico diese Sonderbegabung haben könnte“, sagt seine Mutter, Rosina Ferrari. In der Familie sei kein weiterer Fall bekannt. Denn tatsächlich könnte Synästhesie erblich bedingt zu sein: Stammbaumanalysen haben gezeigt, dass es in vielen betroffenen Familien mehrere Synästhetiker gibt. Allerdings sind auch eineiige, also genetisch identische, Zwillinge bekannt, von denen nur einer synästhetisch begabt ist. „Wie immer in den Neurowisenschaften ist von einem Zusammenspiel von Veranlagung und Umwelteinflüssen auszugehen“, erklärt Anke Huckauf. Zunächst fühlte sich Enrico also unverstanden und war überzeugt, dass ihm seine Mutter die Sonderbegabung nicht glaubt. Erst ein Vortrag über Synästhesie von Alexandra Kirschner brachte die Wende: „Auf der Heimfahrt hat meine Mutter das Autoradio eingeschaltet und mich bei jedem Lied gefragt, was ich sehe“, erinnert sich Enrico. „Dann hat sie mich ernst genommen.“ Mit seiner Sonderbegabung ist er nicht nur bei den Calwer Aurelius Sängerknaben in guter Gesellschaft: Bekannte Künstler wie Wassily Kandinsky oder Jimi Hendrix haben sich von ihrer Synästhesie inspirieren lassen. Auch Enrico hat eine kreative Ader und möchte später einmal eine Musical-Schule besuchen oder Bandleader werden. Ob diese künstlerischen Ambitionen etwas mit der Sonderbegabung zu tun haben? Immer wieder werden Hochbegabung, Kreativität, aber auch Aufmerksamkeitsstörungen mit Synästhesie assoziiert. Rosina Ferrari fällt immer wieder das phänomenale Gedächtnis ihres Sohnes auf: „Enrico muss ein Musikstück nur einmal hören und schon kann er es auf der Geige nachspielen. Den Text weiß er meist auch sofort auswendig.“ Eine mögliche Erklärung liefert das Gehirnjogging: Informationen werden bevorzugt erinnert, wenn sich eine Eselsbrücke bauen lässt – in Enricos Fall wären das die tanzenden Noten und Zahlen. Hält sich der angehende Gymnasiast denn für etwas Besonderes? „Für mich ist die Synästhesie keine große Sache. In der Schule spreche ich nicht darüber, sonst denken die anderen Kinder, dass ich spinne&l dquo ;, so der 10-Jährige. Zwar fühle er sich von Alexandra Kirschner, seit immerhin vier Jahren seine Chorleiterin, in besonderem Maße verstanden, trotzdem suche er nicht bewusst die Freundschaft anderer synästhesiebegabter Sängerknaben. Tatsächlich sind die sekundären Empfindungen individuell höchst verschieden und bleiben oft ein Leben lang konstant. „Erst als die Ulmer Künstlerin Christine Söffing einen Film über Synästhesie und den Chor gedreht hat, ist mir bewusst geworden, wie verbreitet die Begabung ist“, sagt Rosina Ferrari. Offizielle Zahlen gibt es nicht, denn die Dunkelziffer ist hoch. Schätzungen reichen von weniger als einem Promille bis zu vier Prozent der Bevölkerung. Der amerikanische Neurologe Richard Cytowic glaubt sogar, dass alle Menschen synästhetisch begabt sind, aber nicht alle ihre Begabung zulassen. „Synästhesie-Definitionen weichen teilweise erheblich voneinander ab. Generell sind wir alle zu multimodalen Wahrnehmungen fähig“, erklärt die Psychologin Huckauf. So könne nicht eindeutig festgelegt werden, wer als Synästhetiker eingestuft wird. Enricos Mutter lässt sich von Alexandra Kirschner über aktuelle Forschungsergebnisse zur Synästhesie informieren. Aktuell steht zum Beispiel der Kongress „Feuerwerk der Sinne – Synästhesien bei Kindern. Kreativität und Lernen“ an der Universität Ulm vor der Tür. Am 11. und 12. Mai wollen Wissenschaftler, Pädagogen und Künstler Forschungsergebnisse sowie Beobachtungen zu besonders jungen Synästhetikern vortragen und diskutieren. Alexandra Kirschner wird über den Einsatz der Synästhesie in der Stimmbildung sprechen und vielleicht auch Erfahrungen mit dem begeisterten Musiker Enrico einfließen lassen.



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