Ulm News, 31.07.2025 11:00
Pflegende Angehörige: Arbeitgeber sind gefordert

Arbeitgeber können mithelfen, dass Beschäftigte auch dann im Betrieb bleiben, wenn sie zuhause einen pflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen haben. Das ist die Erkenntnis einer Betriebsräte-Befragung der IG Metall.
Die Situation der erwerbstätigen pflegenden Angehörigen in den Betrieben im Bereich der IG Metall Ulm bildete einen Schwerpunkt in der Juli-Sitzung des Ulmer Ortsvorstandes der Gewerkschaft. Die IG Metall hatte dazu eine Befragung von Betriebsräten in Auftrag gegeben. Die Befragungsergebnisse waren im Rahmen einer Masterarbeit im Studiengang Geragogik (Bildungsarbeit mit älteren Menschen) an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe ausgewertet worden. Die IG Metall Ulm ist zuständig für den Alb-Donau Kreis, die Stadt Ulm und den Landkreis Biberach.
Michael Braun, erster Bevollmächtigter der IG Metall Ulm verwies einleitend auf Daten des Statistischen Bundesamtes, nach denen fast 86 Prozent aller amtlich registrierten Pflegebedürftigen im häuslichen Umfeld versorgt werden. „Wir müssen uns bewusst machen, dass im Grundsatz alle Beschäftigten im Betrieb mit der Anforderung konfrontiert sein können, im familiären Bereich Pflegeverantwortung zu übernehmen. Diese Beschäftigten sind besonderen Belastungen ausgesetzt. Im Zuge der demografischen Entwicklung müssen wir mit einer weiteren Steigerung der Zahl der Pflegebedürftigen und damit der pflegenden Angehörigen rechnen“, so Braun. Dies sei nicht zuletzt auch ein Thema von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Unternehmen. Das wissenschaftliche Institut der AOK habe ermittelt, dass annähernd 52 Prozent der in Teilzeit beschäftigten pflegenden Angehörigen ihre Arbeitszeit aufgrund der Übernahme der Pflege von Angehörigen reduziert haben. Von den nicht erwerbstätigen Pflegenden im Alter zwischen 18 und 65 Jahren erklären ca. 28 Prozent, dass sie die Arbeit wegen der Übernahme der Pflege aufgegeben haben. Demzufolge sieht Braun einen Zusammenhang zwischen der wachsenden Zahl pflegebedürftiger alter Menschen und dem von Wirtschaft und Politik beklagten Fachkräftemangel.
„Je besser die pflegenden Angehörigen ihren Beruf mit ihrer Pflegeverantwortung in Einklang bringen können, umso größer ist die Chance, dass die Pflegenden ihre Arbeitskapazität im Betrieb aufrechterhalten können“, so Braun. Neben der Gestaltung des häuslichen Pflegearrangements seien dafür die Arbeitsbedingungen ausschlaggebend, die die Unternehmen den Pflegenden anbieten.
Der frühere Ulmer IG Metall Gewerkschaftssekretär Reinhold Riebl, der mit seiner Arbeit über erwerbstätige pflegende Angehörige den Masterstudiengang Geragogik abgeschlossen hat, benennt die weitgehend individuelle Festlegung der Arbeitszeit als eine entscheidende Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Aufgrund der organisatorischen und technischen Bedingungen in den meisten Arbeitsbereichen der Industrieunternehmen erfordere diese Individualisierung der Arbeitszeit die Akzeptanz und die Abstimmung mit den operativen Führungskräften. Nach den Ergebnissen der Online-Befragung bescheinigt die überwiegende Mehrheit der Betriebsräte den Führungskräften einen respekt- und rücksichtsvollen Umgang mit den Pflegenden. Mehrere Mitglieder des Ortsvorstandes beklagten aber, dass die Leidtragenden des Entgegenkommens oftmals die anderen Beschäftigten im Arbeitsbereich seien, weil für diesen Fall keine Personalreserven zur Verfügung stünden. Aus Sicht der Betriebsräte befinden sich die Führungskräfte hier in einer stressbehafteten Sandwichposition zwischen den Anliegen der Pflegenden und den „knallharten Ter
minvorgaben“ im operativen Betrieb.
Reinhold Riebl zieht aus den Ergebnissen der Befragung die Schlussfolgerung, dass bislang weder die Arbeitgeber, noch die Betriebsräte der Pflegethematik einen, der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, angemessenen Stellenwert einräumen. In allen in die Auswertung der Befragung einbezogenen Unternehmen könnte mit einem überschaubaren Aufwand das bisherige Niveau der Pflegefreundlichkeit spürbar verbessert werden. Wünschenswert wäre ein gemeinsames Vorgehen der Arbeitgeber und der Betriebsräte.
Michael Braun sieht in Verbindung mit den anstehenden Betriebsratswahlen die Chance, die Pflegethematik in der Betriebsratsarbeit stärker in den Vordergrund zu rücken. „Wenn die neu gewählten Betriebsratsgremien ihre Arbeitsprogramme für die Amtszeit 2026 bis 2030 entwickeln, sollte die Gestaltung pflegefreundlicher Arbeitsbedingungen als strategisches Ziel mitgedacht werden. Es stellt sich zunehmend die Frage, ob pragmatische Einzellösungen künftig noch ausreichen, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Betriebsräte werden sich intensiver mit der Thematik befassen müssen – auch mit Blick auf die neuen Herausforderungen, die auf sie zukommen. Es wäre ratsam, das Thema nicht nur situativ, sondern als Teil einer langfristigen Strategie anzugehen“, so Braun.







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