Ulm News, 07.06.2025 15:00
Die Mitgliederversammlung der Spatzen geht doch etwas länger, sogar etwas viel länger und wird noch turbulent
Eigentlich sah alles super aus: Nach kurzem Herz-Schmerz-Gefühlen mit Abstieg in Liga 3. gab es die Parolen Durchstarten in die Zukunft, die ja auch im kommenden Jahr Profi-Fußball heißt. Ein super Etat für die 3. Liga, kaum noch Schulden, ein Plus von 3 Mio. Euro von der letzten Saison – zwei Vertragsverlängerungen aktuell mit Chessa und Seybold – zwei neue Co-Trainer unterschrieben mit durchaus prominenten Namen– was willste mehr? ulm-news hat darüber gestern Abend bereits berichtet, hier nachzulesen. Doch dann wurde der Abend dann doch noch lang – ziemlich laaaaaaang – und teilweise turbulent.
An diese Mitgliederversammlung wird man sich noch lange erinnern. Beim SSV Ulm 1846 Fußball beginnt sie – genau – um 18.46 Uhr. Bis 21.08 Uhr war alles harmonisch und von den rund 420 stimmberechtigten Mitgliedern wurde brav in die elektronischen Decoder getippt – erstmals eingesetzt bei der erwartet sehr großen Veranstaltung im Bite-Business-Center – dem VIP-Bereich bei Heimspielen.
Einige, die sich hier schon bestens auskannten, wollten sich dann zum Aufsichtsrat betätigen bzw. neu-wählen lassen. Viel mehr anwesende Mitglieder waren es, weil die so genannten Ultras zahlenmäßig stark vertreten waren, offenbar wollten sie zu den ganzen „Großkopferten“ auch einen Fanvertreter in den Aufsichtsrat wählen. Die allermeisten waren wohl zum ersten Mal hier im VIP-Bereich – und womöglich bis zur nächsten Mitgliederversammlung nicht mehr gar all zu oft.
Von 18:46 bis 21:08 alles Easy going - siehe ulm-news-Story.
Dann um 21:08 standen die Wahlen zum Aufsichtsrat, Schaffung eines Beiratsgremiums und die Abstimmungen zu Satzungsänderungen gemäß DFL- und DFB-Statuten an, die offenbar für die Lizensierung elementar sind.
Zum Aufsichtsrat: hier war im Vorfeld eine Kampfkandidatur erwartet worden, weil nicht mehr als zehn Aufsichtsratsplätze zu vergeben waren, doch an diesem Abend waren es doch tatsächlich nur noch zehn Kandidaten. Die Kuh war damit vom Eis, so schien es, nur eine normale Vorstellungsrunde werde es geben, doch nun spackte das elektronische Abstimmungssystem – oder waren es die Ultras, die nicht mehr weiter abstimmen wollten? Denn es hieß, dass jeder Kandidat eine Mehrheit an Stimmen braucht, um gewählt zu werden, hieße bei 420 Stimmberechtigten deren 211 Ja-Stimmen. Offenbar hatte die Fan-Fraktion Befürchtungen, dass es wie bei 1860 München läuft und Menschen mit Geld, aber wenig Empathie für die eigenen Club und Fußball-Anhänger, zu viel Einfluss in wichtige Gremien bekämen.
Dazu wurde auch kolportiert, dass das an der Gesellschaftsform der Spatzen läge, schließlich sind sie eine GmbH & Co. KGaA, also eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Kommanditgesellschaft auf Aktien. Hierbei können sich Investoren einkaufen, was 2024 mit einem US-Investor Calvin Ford mit 15 Prozent der Anteile für 3,4 Mio. Euro (aber ohne Sitz im Aufsichtsrat) auch geschah. Also Gefahr in Verzug?
Wenigstens kam die stimmliche Mehrheit nicht mehr zustande. Aufsichtsratsvorsitzender und Sitzungsleiter Heribert Fritz und Spatzen Geschäftsführer Markus Thiele sowie alle anderen Gremiums-Mitglieder steckten nicht nur die Köpfe zusammen, sondern zückten auch die Handys. Es galt den Hausjuristen der KGaA anzurufen – und der konnte Entwarnung geben, dass eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (immer noch elektronisch) reichen würde. Tatsächlich wurden dann 9 der zehn Kandidaten (siehe Liste unten) gewählt, einer nicht und einer unter frenetischem Applaus, dass es fast das Dach der VIP-Zeltkonstruktion hat abheben lassen, der Mann aus dem Fan-Lager: Matthias Gerlich.
Fußnote: auch der Einfluss der Ultras in manch Vereine der deutschen Fußball-Landschaft wird mittlerweile als skeptisch angesehen. Frag nach beim HSV, wo Felix Magath nach Ablehnung der Ultras sich nicht hat zum Kandidaten für das Präsidenten-Amt hat aufstellen lassen dürfen – nicht mal aufstellen. „Gut, dann mach ich halt was anderes“, so O-Ton Magath im NDR-Sportclub. – Das gilt aber sicherlich mitnichten für den SSV Ulm 1846 Fußball – das Fan-Lager mit am Tisch zu haben, ist vielleicht die beste Wahl an diesem Abend. Fußnote Ende.
Nun hatten wir mit etwas Presswehen einen Aufsichtsrat, die Schaffung des Beirats, den Vorstand und Aufsichtsrat bestimmen dürfen (mindestens drei Personen, höchstens zehn – womöglich „verirrt“ sich hier auch noch neben der Vorständin Finanzen ein zweites feminines Mitglied hinein, wer weiß?)
Auf jeden Fall kommen jetzt leichte Wirrungen auf, denn für die Satzungs-Änderungen braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit und die ist wohl nicht hinzukriegen – und damit wäre die Lizenz für die 3. Liga in Gefahr geraten.
Verschiedene Wortmeldungen, u.a. von einem bisherigen und künftigen Aufsichtsratsmitglied (Name der Redaktion bekannt), der in Uli Hoeneß-Manier vor die Mitglieder tritt: „wisst ihr eigentlich, wer diesen ganzen Sch… hier bezahlt?“ mit dem Echo der Fans: „Weißt Du, wer eigentlich die ganze Stimmung im Stadion macht – und auch bei jedem, ja jedem Auswärtsspiel mitfährt und die Mannschaft anfeuert?“
Die Situation wirkte zerfahren und leicht überhitzt, zudem nun das elektronische Wahlverfahren wohl völlig seinen Geist aufgegeben haben muss. Nun muss man herkömmlich – aber bitte nicht mit Zettel und geheim – sondern per Handzeichen und mit Negativ-Bejahung („ist jemand dagegen, dass wir dem Antrag zustimmen?“) abgestimmt.
Und als auch jedem im Zelt schimmert, dass hier und jetzt quasi über die Lizenz für den Profifußball abgestimmt wird und zwei Ultras nach vorne treten und erklären, dass sie hier nicht die MV (Mitgliederversammlung) crashen wollten, sondern auf die Gefahren von Investoren, etc. pp. hinweisen wollten, legt sich der Sturm wie im Flug und die „Negativ-Abstimmungen“ winken fast ohne jegliches Handzeichen alle acht Satzungsänderungen durch, die ein wackerer Thomas Oelmayer der Versammlung vorträgt.
Es war dann 23.08 Uhr, als das Ende dieser denkwürdigen Mitgliederversammlung von Heribert Fritz verkündet wurde. Er habe viel gelernt, sagt Fritz unumwunden, man müsse im Vorfeld mehr kommunizieren und aufeinander zugehen. Die finanziellen und bislang sportlichen wie strukturellen Voraussetzungen und eine super Fanbase stimmten doch mit dem Ziel, eine gute Dritt-Liga-Saison hinzulegen, überein. Und da konnten alle Seiten unter Kopfnicken zustimmen.
ulm-news meint:
Gelebte Demokratie – da darf auch mal ein scharfes Wort fallen – oder eine Meinung ganz, ganz anders sein als der Mainstream. Beleidigend oder ausfällig wurde es nie - Respekt dafür. Es gab im Deutschen Fußball schon andere Mitgliederversammlungen, wie die angesprochene von Bayern München mit einem hochrot-köpfigen Uli Hoeneß, einer abgebrochenen vom VfB Stuttgart 2019, als das Wahlverfahren (per Handy) nicht funktionierte und der damalige Präsident Dietrich drohte, abgewählt zu werden und davor die Reißleine zog – eine beispiellose Panne und ein ungehöriges Vorgehen, hieß es damals. Die Porsche-Arena kochte vor Wut, Ordnern mussten einschreiten – welch Eklat. Bei der Eintracht aus Frankfurt sollen sogar mal die Fäuste geflogen sein – Redner boxten sich von der Bühne („Du geesch jetz hier runner“). Und da gäbe es noch unzählige Beispiele, die eine eigene Geschichte wert wären.
Die besonnene Leitung der Sitzung gestern und das schnelle Handeln mit kühlem Kopf war am Ende wichtig, dass die Versammlung im Spatzen-Nest zwar zeitweise turbulent, aber zum Ende wieder schiedlich friedlich endete, wie sie begann. Die andere ulm-news Geschichte hat ja den Titel: „In Ulm ist noch viel möglich“ – und das bezieht sich auf die sportlichen Möglichkeiten und die Entwicklung des Vereins. Dafür sind viele Mitglieder - und deren gibt es schon 5.390 – viele Unterstützer und super Fans, aber eben auch kritische Geister vonnöten. „Wir geben nie auf“ schallte es in der 2. Liga-Saison immer von den Rängen – wichtig und richtig so.
Ein ulm-news-meint von Thomas Kießling










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