Ulm News, 29.06.2010 18:17
Peter Zwey: Jogis zauberhafte junge Truppe
Bärbel Schäfer, die Geliebte Friedmanns, bezeichnete jüngst in Waldis Weizenbierclub unsere Nationalelf als boy-group Yogis. Das war natürlich kess gesagt, aber fragen wir uns nicht alle, ob diese kreative, Leben und Landschaft verzaubernde Mannschaft noch unseren alten Nationalcharakter widerspiegelt, oder ob sie uns nicht con allegretto in die Zukunft voran geht, in der wir insgesamt leichter, spielerischer, sympathischer, eben nach ihrem Bilde auftreten könnten. Peter Zwey schreibt über die deutsche Nationalmannschaft.

Die mutigen, versierten Filigrantechniker und intelligenten Virtuosen, gestützt von soliden, zuverlässigen,. selbstkritischen Arbeitern und Kämpfernaturen, wollen nach dem Spiel, nicht etwa den Erfolg für sich allein verbuchen, so wie üblich im Gebaren der Chefs im Geschäfts und -Wirtschaftsleben, wo die Mitarbeiter allenfalls eine billige, heuchlerische Floskel wert sind.
Nein. Jedesmal betonen unsere genialischen Herzensbrecher und Kicker bescheiden und glaubhaft, dass sie ohne die Rückenstärkung der Hintermannschaft und überhaupt des gesamten Geistes in der Mannschaft, nicht die Hälfte wert wären. Keine Starallüren, kein Größenwahn wie ihn weiland Toni Schumacher, Uli Stein, Klinsmann, Lothar Matthäus und andere allein für sich reklamierten.
Diese Truppe zerfällt nicht in Stars und ihre Mitläufer, wie man das gerade bei den Franzosen, Engländern und Italienern gesehen hat wieder.
Selbst in der Produktwerbung, in den werbespots bleiben unsere stillen, liebenswerten Helden treu bei sich, essen Nutellabrötchen, trinken mal ein kleines Bier, aber flippen nie aus oder überschätzen sich selbst wie Ferrarifahrer Günter Netzer noch heute, auf Gutsherrenart im ARD-Studio, wenn er sich als Fußballgermanist selbstherrlich schwafelnd ausbreitet.
Rühmliche Ausnahme Dungas Brasilien, Dunga hat die neuen deutschen Tugenden: Solidarität, Toleranz, Selbstkritik und Disziplin beim VFB Stuttgart gelernt und exportiert. Ordnung ist sein Stichwort, seine Wundertruppe tarnt sich bislang mit den Farben der Nüchternheit und Effizienz, wie Olli Kahn es gegenüber seiner ZDF-Anstandsdame feststellte. Olli Kahn war ja bereits ein Vorläufer der heutigen Tugendlehre unserer Jungs. Er war nicht wie Berti Vogts ein bloßer, beinharter Rackerer und Malocher. Das war er auch, aber er war auch ein Weltklassemann mit großem Verstand für das gesamte Spiel auf allen Positionen.
Das muss ihm der für seine Solidität und Gelassenheit erstaunlich junge Manuel Neuer abgeschaut haben, denn auch er spielt mit, bis in die vorderste Spitze hinein liefert er ad hoc seine präzisen Vorlagen und Handabwurfpässe. Man hat das Gefühl bei der neuen Elf, sie tanzt den Fußball, sie hat in der Disko und in der neuen Bewegungsästhetik bei MTV und Viva nicht weniger gelernt als auf dem Trainings-Rasen. Sie will immer mehr noch dazu lernen. Sie ruhen sich nicht aus, sie lieben das Spiel.
Sie haben weder die Rebellion im Sinn, wie einst die 86er Breitner, Lienen und andere, sie stilisieren sich in überhaupt keiner Richtung, auch nicht als hammerharte Durchhaltefighter, auch nicht als elegante Mittelfeldfriseure wie einst der smarte Wolfgang Overath. Ihre neue Richtung, ihr Stil ist noch gar nicht zu Ende formuliert, sie finden ihn soeben erst. Doch die temperamentvollen, beherzten Sturmläufe Thomas Müllers, die unwiderstehlichen Dribblings und sanften Pässe Özils, die schönen, athletischen Luftduelle Arne Friedrichs, die zarte umsichtige Ballvermittlung Schweinsteigers, die lässige mit dem Ball am Fuß schlendernde Behutsamkeit Märtesackers und die Geistesblitze, die einen Lahm beflügeln, dies alles verspricht für die nächste Zukunft noch viel mehr.
Selbst ein Straßenfuß
;baller und Schlitzohr wie Memet Scholl ist platt, zeigt sich zutiefst b eeindruckt von diesen neuen, jungen Zauberlehrlingen. Sie sind bereits weltweit überall im Bild und bald vergleicht sie keiner mehr mit den alten, erz- berühmten Hasen, die dadurch gottlob wieder etwas kleinlauter und bescheidener werden. Die Liebhaber des Tangos mögen kommen, wir spielen und tanzen sie aus.



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