Ulm News, 14.09.2024 18:17
Spatzen verlieren gegen den Club 1:2 – und wer den Videobeweis erfunden hat, war mit Sicherheit kein Einstein
Wieder waren es nur 3 Minuten, die den Spatzen den Sieg gekostet haben. Umso unglücklicher: zweimal Videobeweis, zweimal gegen Ulm. Die Ulmer Spatzen verlieren gegen den „Club“ aus Nürnberg bitter mit 1:2.
Auch das dritte Heimspiel der Zweitligasaison geht für den Aufsteiger Ulm in die Binsen. Wieder sind es drei Minuten, in denen es sich die Spatzen vermasseln, sich einfach nicht clever genug anstellen, sondern dem Gegner dafür ein Bein.
Und wenn’s denn im Strafraum ist, nimmt so ein Stürmer so ein Geschenk dankbar an und rekelt sich dann gar schmerzerfüllt läners auf dem Boden. Dass da ein Schiri pfeift, ist für ein ausverkauftes Donaustadion schwer zu ertragen, aber der Pfiff blieb eben nicht aus. Nürnbergs Schleimer schießt, Ulms Keeper Ortag hält sensationell, doch gleich danach hält sich Schiri Haslberger die Hand an die Löffel, kriegt was vom Video-Assistent oder aus dem Kölner Keller eben dorten etwas eingeplaudert: Wiederholung des Elfer oder - wie wir es gesehen haben - neues Foul. Jedenfalls gibt es nach Videobeweis Elfer Nr. 2 für den Club und Duman verwandelt mit Chipball in die Mitte im Panenka-Stil recht cool. Das alles wohlgemerkt in der 93. bis 100. Spielminute, wie bitter kann so etwas sein. Nur eine Zeigerumdrehung davor hatte Ulms Abwehrrecke Philipp Strompf noch den Siegtreffer auf Kopf gehabt, aber er vergab – noch bitterer.
Auch Weltmeister und Club-Trainer Klose ist gar nicht "amused"
Davor schenkten sich beide Mannschaften nichts. Ulm hatte in der ersten Halbzeit zwei Topchancen, beide nicht drin. Nürnberg hatte nur zwei Halbchancen. Club-Trainer und Stürmerlegende Miroslav Klose machte vor Ärger an der Seite das Hampelmännchen. Hernach bei der Pressekonferenz wird er sagen: „Da haben wir uns [und er meint vor allem sich] – das ganz anders vorgestellt, wir wollten besser in Spiel finden und hier dominant auftreten, nicht den Ulmern hinterlaufen“, so Klose.
Nach dieser spielerische recht enttäuschenden 1. Halbzeit wurde es im 2. Durchgang ein richtiges Fußballspiel, es ging rauf und runter. Erst hätte der Club eigentlich in Führung gehen müssen, aber Ortag parierte zweimal glänzende Dann hatte Ulms Kapitän Jo Rückert eine Idee und ging über rechts mal durch mit Ziel, eine Flanke in den Strafraum zu schlagen. Dort schraubt sich Semir Telalovic mindestens ein Stockwerk höher als sein Gegenspieler und köpfte ein zum umjubelten 1:0.
Nicht mal zwei Minuten später dann die vermeintliche Vorentscheidung: diesmal flankt Maurice Krattenmacher von links und der zur Pause eingewechselte Dennis Chessa bringt den Ball aus einer Mischung von Kopf und – ja was denn genau? über die Linie. Die Szene sieht echt komisch aus und nach Videobeweis kassiert der Schiri den Treffer auch ein, den Chessa soll sich an die Hand geköpft haben. Trainer Wörle sagt hernach in der PK: „Das geben die Bilder offenbar nicht eindeutig her, das war schon eine harte Entscheidung gegen uns.“ Und das Stadion tobt das erste Mal.
Für Nürnberg und Trainer Klose wäre das wohl ziemlich sicher die Niederlage gewesen, so aber schöpft der Club wieder Mut, angetrieben durch den einzig bekannten Profi, den der Club noch hat: Robin Knoche, einst Wolfsburg und Union Berlin. Langer Schlag hinter die Ulmer Abwehrkette und Stefanos Tzimas köpft völlig überraschend ein zum 1:1 (64. Minute)
Die Spatzen haben die Lage soweit noch im Griff, die Nürnberger schrauben nun etwas mehr am Sieg, ohne aber richtig durchzukommen – außer vier Minuten vor Spielende mit einer Doppelchance, die wieder Ortag bestens pariert.
Apropos vier Minuten, so lange gibt es Nachspielzeit. Und eben in der 93. Spielminute steht da ein Bein, und ein Stürmer fällt drüber, gibt sich arg getroffen und schmerzerfüllt, und viele im Stadion sagen, der Schiri fällt darauf rein. Das Stadion tobt zum zweiten Mal
Die Ulmer Tragödie nimmt nun seinen Lauf, denn Ortag hält zwar den 1. Strafstoß gekonnt, dann kommt es links zu einem richtigen Foul, dass der Schiri aber durchwinkt, doch aufgrund des Videobeweises pfeift er den Elfer zurück, weil sich Ortag bei Elfer eins offenbar zu früh bewegt hätte. Also acht Spielszenen weiter hält er das Spiel an und lässt den Elfer unter größerem Protest der Ulmer wiederholen und Taylan Duman verwandelt eben sicher und chippt durch die Mitte. Das Stadion tobt zum dritten Mal.
Noch schlimmer, die Nürnberger Spieler strömen nun auf den Ulmer D-Block zu, wo sich einige Ultras den Weg zumindest auf die Tartanbahn machen und von der Security gerade noch in die Schranken verwiesen werden können.
Zweite Unsportlichkeit: der Torschütze zum 1:1, Tzimas, will einen langen Ulmer Schlag nach vorne abwehren – wehrt aber nur den Spieler ab – und das gibt vom Schiri glatt Rot. Das beruhigt die Ulmer Seele indes nicht - das Stadion tobt erneut.
Der Abpfiff beendet eine hitzige Schlussphase, über die man – nicht nur in Ulm – noch längers sprechen wird: oder wie es Janos Gora einst formulierte hatte: „Skandal“.
Spatzen-Trainer Thomas Wörle mag es in der PK tatsächlich nicht mehr mit realen Fußballverhältnissen zu tun haben: „Jetzt werden einem zuhause vier – zum Teil und für mich etwas dubiose Elfmeter aufgebrummt, zudem ein Tor aberkannt – das ist brutal für uns und recht unglaublich.“
Gäste-Trainer Miroslav Klose ist der Sieg und die Umstände dazu fast etwas peinlich. Als Profi nimmt man so einen – in der Fachsprache „dreckigen Sieg“ natürlich mit. Doch Miro Klose lobt die Ulmer und sagt voraus, dass diese ihre Siege noch einfahren werden. „Wir sind jedenfalls mit der Art und Weise, wie wir hier lange aufgetreten sind, ganz und gar nicht zufrieden, mit dem Ergebnis natürlich schon“.
Der Club hat laut Nürnberger Presse-Kollegen seine bisherigen 7 Punkte – eben auch heute - glücklich eingeheimst und heute die 0:4-Heimscharte gegen Magdeburg ausgemerzt.
Die Spatzen blicken nun gegen Elversberg und vor allem gegen Braunschweig zuhause lösbaren Aufgaben entgegen. „Die Punkte werden kommen“, gibt sich Trainer Wörle zurecht kämpferisch – und PK-Raum ist man sich einig: wer den Video-Beweis erfunden hat, ist intellektuell nicht auf Höhe von Ulms berühmtesten Bürger – denn das war heute – ganz nach Einstein - relativ gesehen Quatsch.
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