Ulm News, 13.05.2024 15:36
Baby im Glascontainer: Zehn Jahre Haft für versuchten Mord am eigenen Kind
Zu zehn Jahren Haft ist am Montag eine Frau in Ulm verurteilt worden. Die 38-Jährige hatte im vergangenen Herbst in Langenau ihr neugeborenes Kind in einen Glascontainer gesteckt.
Text/Fotos für ulm-news: Thomas Heckmann
Nachdem eine Mutter ihr Neugeborenes in einem Glascontainer ausgesetzt hat, ist am Ulmer Landgericht das Urteil gegen die 38-Jährige gefallen. Wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt. Äußerlich regungslos nahm die Angeklagte das Urteil zur Kenntnis, während der Urteilbegründung fixierte sie den Vorsitzenden Richter und stütze dabei ihren Kopf auf.
Lange Haftstrafe für Mutter
Nach der Urteilsbegründung, auf dem Weg in die Zelle überkamen sie aber nach den Worten ihrer Verteidigerin Corinna Nagel die Emotionen. Das Urteil liegt mit seinen zehn Jahren Haft deutlich über den Forderungen in den Plädoyers. Die Verteidigern forderte wegen versuchten Totschlags vier Jahre Haft, die Staatsanwaltschaft ging dagegen von versuchtem Mord aus und forderte siebeneinhalb Jahre.
Erschreckend banales Motiv
In seiner gewohnt ausführlichen mündlichen Urteilsbegründung ging der Vorsitzende Richter Wolfgang Tresenreiter auf die Suche nach einer Erklärung für die Tat, die er umschrieb mit „wirft es weg wie Abfall“. Auf der der Motivsuche kam die Kammer auf ein Motiv mit erschreckender Banalität: Die Frau wollte kein weiteres Kind. Die 38-Jährige war bereits Mutter von drei Kindern und von dem Vater seit 2016 getrennt. Als Alleinerziehende habe sie ihre Aufgaben gut erfüllt, es gab keine finanziellen oder materiellen Sorgen. Den späteren Kindsvater lernte sie 2019 auf einer Kontaktplattform im Internet kennen. Im Dezember 2019 wurde eine Schwangerschaft abgebrochen, bevor das ausgesetzte Baby um den Jahreswechsel 2022/2023 gemeinsam mit der gleichen Internetbekanntschaft gezeugt wurde. Das Gericht sprach von einer von vorne herein ungewollten Schwangerschaft, die Verurteilte hatte dann auch im Februar 2023 im Internet Medikamente für einen Schwangerschaftsabbruch bestellt, die Anwendung brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Auch gab es wohl den Gedanken einer Adoptionsfreigabe oder einer anonymen Geburt, was aber ab dem Sommer nicht weiter verfolgt wurde.
Stattdessen wollte die Frau das Kind in einer Hausgeburt zur Welt bringen. Dazu schaute sie sich auch Videos im Internet an. Den weiteren Verlauf fasst der Richter zusammen: „Sobald das Kind geboren ist, muss es verschwinden.“
Der Entschluss soll schon Tage vor der Geburt gefallen sein. Als dann die Wehen einsetzten, bekam die Frau Angst, dass das Kind falsch liegt und aus Sorge um das eigene Leben rief sie in der Donauklinik Neu-Ulm an, um sie Rat von einer Hebamme zu holen.
Während des 16-minütigen Gesprächs behauptete die Mutter, dass eine Adoption bereits in die Wege geleitet sei und lehnte eine anonyme Geburt in der Donauklinik ab. Nach der Geburt wurde der gesunde Junge abgenabelt, die Mund gereinigt und dann in ein Laken und einen Pizzakarton gelegt. Das Päckchen wurde in einen nahegelegenen Glascontainer gesteckt. Alternativen dazu waren ihr nach Überzeugung des Gerichts zu aufwändig.
Für den Tötungsvorsatz warf das Gericht der Mutter vor, eine anonyme Geburt verworfen zu haben und das Kind auch nicht vor dem Container, sondern im Container abgelegt zu haben. Auch habe es weder Windeln noch Säuglingsnahrung im Haus gegeben, was als weiteres Indiz gewertet wurde, dass das Kind weggebracht werden sollte.
Der Vorsitzende Richter ging auch noch deutlich auf Gerüchte ein, die während der Hauptverhandlung in der Öffentlichkeit entstanden waren. Die rund fünfstündige Aussage der Angeklagte erfolgte nicht-öffentlich, um ihr die Möglichkeit zu voller Offenheit zu geben. Aus diesem zulässigen Verfahrensablauf entstanden jedoch auch Gerüchte über Sexualpraktiken, die Tresenreiter mit „innerhalb der Bandbreite, was moderne Erwachsene so machen“.
Auch einen diskutierten sexuellen Missbrauch als Jugendliche rückte er gerade. Dabei hat es sich um eine exhibitionistische Handlung vor der damals Achtzehneinhalbjährigen gehandelt.
Auch die Umstände der Zeugung ließ das Gericht nicht als Grund für das Entsorgen des Neugeborenen gelten, da diese einvernehmlich und ohne Gewalt geschehen sei.
Wegen Verkettung glücklicher Umstände überlebt
Das Baby wurde „durch eine Verkettung glücklicher Umstände gerettet“, bei denen nur der Ausfall eines Umstandes den Tod des Kindes bedeutet hätte. So war die Nacht der Geburt ein milder Herbsttag, nur zwei Tage später schneite es. Der Mann, der das Kind entdeckte, kam von einer Feier, war dort länger als üblich und nahm einen anderen Weg als sonst. Im Vorbeilaufen hörte er das Wimmern des Kindes, konnte es aber nicht zuordnen, lief nach Hause, machte sich weiter Gedanken und ging noch einmal zurück.
Nach der Aussage des Notarztes, der am Glascontainer war, war das Kind mit einer Körpertemperatur von 33 Grad bereits unterkühlt und hätte nicht wesentlich länger überlebt.
„Wir sind also sehr nahe an der Vollendung“ bewertete Richter Tresenreiter die Tat und die nachfolgenden Umstände. Das Kind befindet sich nun in der Obhut einer anderen Familie und trägt den Vornamen seines Retters. Verteidigerin Nagel will sich noch in den nächsten Tagen mit ihrer Mandantin besprechen, ob Revision eingelegt wird.








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