Ulm News, 21.04.2023 15:44
Politische Bildungsfahrt nach Berlin
Berlinfahrt mit 40 Menschen aus der Ukraine: Der Ulmer Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich ermöglichte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Ulm Einblicke ins Politische Berlin, inklusive eines Vortrags über Fake News und Propaganda aus Russland.
Carmen Stadelhofer, Vorsitzende des Ulmer Vereins ILEU, hatte die Idee zu der Bildungsreise und den grünen Bundestagsabgeordneten darüber informiert. Marcel Emmerich sagte zu – und rund 40 Ukrainerinnen und Ukrainer sowie einige ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ukrainehilfe von ILEU nahmen die Einladung des Abgeordneten an.
Die Gruppe reiste, so der Bericht des grünen Politikers, mit dem ICE von Ulm nach Berlin. Auf dem Programm der Bildungsfahrt standen beispielsweise eine Stadtrundfahrt, Besuch und Führung im Deutschen Bundestag, Besuch und Zeitzeugen-Führung in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen, im Futurium, in der Mauer-Gedenkstätte Bernauer Straße und Rundgänge zum Holocaust-Mahnmal und im Nikolaiviertel.
Ein Höhepunkt der Reise sei, so Emmerich, ein Besuch in der Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB) gewesen, zu deren Kuratorium Marcel Emmerich gehört. Dort hielt der Referent und Medienkulturwissenschaftler Professor Dr. Gernot Wolfram einen Vortrag zum Thema Fake News/Lügen in Zeiten des Krieges mit einem Schwerpunkt auf Putins Angriffskrieg.
Im Vortrag, der von ILEU-Mitarbeiterin Olena Vorontsova ins Ukrainische übersetzt wurde, ging es um die Frage, warum so viele Menschen Fake News und Verschwörungserzählungen glauben und welche Rolle Medienkultur dabei spielt. Wolfram stellte dar, wie insbesondere in der Corona-Pandemie das Narrativ "Die Mainstream-Medien belügen euch" im russisch kontrollierten Fernsehkanal RT DE (Russia Today Deutsch) und in so genannten Alternativen Medien verbreitet und groß wurde. In diesen Kanälen seien dann Viele nach Beginn des Angriffskriegs "über Nacht zu Osteuropa-Experten geworden" – was vor allem deshalb verfangen konnte, weil es in Deutschland für diesen Konflikt wenige Experten gebe und Menschen daher empfänglich für Lügen seien. Das Unwissen führte Wolfram anhand von Zahlen beispielsweise darauf zurück, dass es in Deutschland zu wenige Lehrstühle für Ukrainistik gebe, in den Haupt-Fernsehprogrammen bis zum Beginn des Krieges kaum einmal Filme aus Osteuropa gezeigt wurden und es nur wenige festangestellte Korrespondenten für Deutsche Medien vor Ort in Kiew und der Ukraine insgesamt gab: Es mache einen deutlichen Unterschied, ob Korrespondent*innen nur anlassbezogen aus Moskau oder Polen in die Ukraine reisten oder dort lebten, sagte Wolfram.
Auch die verschiedenen Bildsprachen in der Kommunikation Russlands und der Ukraine stellte der Wissenschaftler gegenüber. Während Russland sehr auf die Erhabenheit Putins und die Distanz setzt, ist die Strategie der Ukraine Nähe. Wolfram zeigte das am Beispiel des sinnbildlich übergroßen weißen Tischs, der auf Bildern optisch noch geschickt so angeschnitten wird, dass die Person gegenüber Putins – beispielsweise Bundeskanzler Olaf Scholz – noch kleiner wirkt. Wolfram nannte die wichtigsten Strategien zur Verbreitung von Fake News - darunter das Trollen, das meist online stattfinde – hin und wieder begegneten ihm aber auch bei seinen Vorträgen Trolle. Zum Beispiel sehr gut Deutsch sprechende Akademikerinnen, die sich etwa als Ärztinnen vorstellten, von kürzlichen Aufenthalten in Russland erzählten und ihm versicherten, dort herrsche Meinungsfreiheit. So würden auch direkt in den Vorträgen Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit gestreut, sagte der Wissenschaftler.
Die Informationen führten zu einer regen Diskussion mit den Besucher*innen, für die es beispielsweise schwer nachvollziehbar war, dass RT DE bis März 2022 in Berlin drehen und senden durfte. Der Vortrag, aber auch die Eindrücke aus dem Bundestag, den Gedenkstätten und den Gesprächen mit Marcel Emmerich und seinen Mitarbeiter*innen regten die Reisenden zu weiterem Austausch und eigenen Recherchen an: Bis spät in den Abend diskutierte die Gruppe, viele nahmen sich weitere Informationen der Bundeszentrale für Politische Bildung mit und fragten nach der Möglichkeit, sich selbst zu engagieren - beispielsweise gegen die Verbreitung von Fake News."



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