Ulm News, 03.08.2022 11:55
Hähnchen und Federn: Schlachtspuren auf Vogelknochen weisen auf Speiseplan der Neandertaler hin
Die Neandertaler haben auch Hähnchen und Vögel gegessen. Darauf deuten Schlachtspuren auf Knochenfragmenten aus der Höhle "Hohle Fels" bei Scheklingen hin. Die Spuren gegen den Forschern auch Auskunft über das Leben der Neandertaler vor 65.000 Jahren. Archäologen der Universität Tübingen präsentieren die Funde jetzt im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren
Dass die Neandertaler in der Mittleren Altsteinzeit, vor mehr als 65.000 Jahren, auf der Schwäbischen Alb Großwild wie Rentiere, Wildpferde oder Wollnashörner jagten, gilt als wissenschaftlich gesichert. Die Jagd auf flinke, wendige Kleintiere wie Schneehühner oder -hasen hingegen wurde den Neandertalern lange nicht zugetraut. Jetzt haben Ausgrabungen in der Welterbe-Höhle Hohle Fels auf der Schwäbischen Alb nahe Schelklingen für das mittlere Europa die bislang besten Belege für solche Verhaltensweisen erbracht: Auf Vogelknochen fanden sich Schlachtspuren, die von Neandertalern stammen müssen.
Das Team von Professor Nicholas Conard aus der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen hat eine größere Menge rund 65.000 Jahre alter Vogelknochen geborgen, untersucht und bei einer Pressekonferenz am Dienstag als „Fund des Jahres“ vorgestellt. Die Ausgrabungsergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg veröffentlicht.
Allein im zehnten archäologischen Horizont (AH X) – einer tieferen Sedimentschicht unterhalb der Fundschichten des modernen Menschen, die anhand von Elektronen-Spin-Resonanz-Datierungen auf ein Alter von rund 65.000 Jahren bestimmt wurde – waren 1.187 Vogelknochen gefunden worden. Die meist bruchstückhaft kleinen Knochen stammen von Raufußhühnern, zu denen Schneehühner, Auerhühner und Birkhühner zählen, sowie von Entenvögeln, denen auch Gänse und Schwäne zuzurechnen sind. Insbesondere sechs der Knochen sind etwas Besonderes, da sie eindeutige Werkzeugspuren des Neandertalers zeigen.
„Die meisten Spuren sprechen dafür, dass Gelenke auseinandergebrochen und Fleisch vom Knochen gelöst wurde“, sagt Prof. Conard. Während der Großteil der ausgegrabenen Knochen von Raubtieren in die Höhle gebracht worden waren, verraten die sechs Knochen mit den eindeutig menschlichen Schlachtspuren viel über die lang unterschätzte ökologische Anpassungsfähigkeit und die kognitiven Fähigkeiten der Neandertaler, so Prof. Conard weiter: „Wahrscheinlich konnten schon die Neandertaler Vögel jagen, um sich neben dem Fleisch von Pferd, Rentier und anderem Großwild weitere Kalorien- und Nährstoffquellen zu erschließen.“
Die Erkenntnisse aus dem Hohle Fels fügen sich in eine Reihe von archäologischen Funden der vergangenen Jahre ein: Für Südeuropa gelang vor einigen Jahren erstmals der Nachweis, dass die Neandertaler ein größeres Nahrungsspektrum nutzten als bisher bekannt und daher auch gezieltere Jagdstrategien entwickelt haben mussten.
Typische Schnitt- und Schabspuren anderenorts legen auch nahe, dass sich Neandertaler mit Vogelfedern und Krallen schmückten. Damit müsse die Annahme, dass die Neandertaler aufgrund ihrer mangelnden geistigen Fähigkeiten und ihres eingeschränkten Ernährungsplans ausgestorben seien, revidiert werden, meint Dr. Stefanie Kölbl, geschäftsführende Direktorin des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren (urmu): „Wir müssen uns vom verbreiteten Bild des muskelbepackten Neandertalers mit einseitiger Vorliebe für Mammutsteaks lösen: Hochintelligente Jagdstrategien, das Bedürfnis nach Schmuck und, wie wir wissen, das Bestatten von Toten – all das weist die Neandertaler als flexible
und symbolisch begabte Menschen aus, die weit mehr im Sinn hatten als das blanke Überleben.“
„Fund des Jahres“ bis 12. September im urmu ausgestellt
Das urmu liegt inmitten der Steinzeithöhlen, die von der UNESCO 2017 zum Welterbe „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ ernannt wurden. Das Museum für altsteinzeitliche Kunst und Musik in Baden-Württemberg und Forschungsmuseum der Universität Tübingen erklärt das eiszeitliche Leben der Jäger und Sammler am Rand der Schwäbischen Alb vor 40.000 Jahren. Prominentestes Exponat ist das Original der „Venus vom Hohle Fels“.



Highlight
Weitere Topevents
Da`s nix wird mit Continental: Stadt Neu-Ulm kauft Gewerbegrundstück im Illerpark zurück
Die Stadt Neu-Ulm hat das im Jahr 2019 an die Continental AG veräußerte Gewerbegrundstück im Bereich...weiterlesen
SEK der Polizei bei Erbach im Einsatz - und rammt Kleintransporter mit Verdächtigem von der Straße
Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) hat am Samstagabend bei Erbach einen Mann festgenommen. Nach einer...weiterlesen
Baustellen-Update für Ulm: B10 mit nächtlicher Vollsperrung und viele weitere Arbeits-Punkte
Das Baustellen-Update für kommende Woche ist wieder sehr umfangreich, unter anderem zur...weiterlesen
Steht der Bitcoin vor einem Comeback?
Rückblickend waren besonders die Entwicklungen des Bitcoins geprägt von vielen Extremen. Letztlich waren...weiterlesen
Frontalcrash auf der B10-Umleitungsstrecke
Ein Frontalzusammenstoß am Montagnachmittag in Ulm führte glücklicherweise nur zu zwei...weiterlesen
Hintergründe zum SEK-Einsatz werden nun klarer: SEK nimmt 43-Jährigen fest
Ein 43-jähriger Mann ist am Samstagabend in Erbach von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) festgenommen...weiterlesen
Fahrgäste in Furcht: Fremder steigt mit Pistole in Linienbus in Blaustein ein
Heikle Situation für besorgte Fahrgäste in einem Linienbus in Blaustein: sie meldeten am Freitagabend...weiterlesen
Ulm feiert Abschied von der Brücke - und tausende Besucher Kommen - größtes Projekt seit dem Münsterbau - und der ging rund 500 Jahre
Tausende kamen am Sonntag nach Ulm um den beginnenden Abriss der Wallstraßenbrücke und des...weiterlesen












