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Ulm News, 05.05.2021 12:01

5. Mai 2021 von Thomas Kießling
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Schwachstellen des Coronavirus nutzen, um Immunabwehr zu stärken


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Beschreibung: (v.l.) Maximilian Hirschenberger, Prof. Frank Kirchhoff, Dr. Konstantin Sparrer, Manuel Hayn, Jan Straub und Lennart Koepke

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Fotograf: Elvira Eberhardt / Uni Ulm

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Forschende der Universität Ulm haben untersucht, wie das neue Coronavirus das menschliche Immunsystem unter seine Kontrolle bringt. In der Studie, die im Fachmagazin Cell Reports veröffentlicht wurde, zeigte sich aber auch, dass die Virusproteine nicht alle antiviral wirkenden Immunsignalwege komplett abschalten können. 

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom Institut für Molekulare Virologie arbeiten nun daran, solche Schwachstellen von SARS-CoV-2 zu identifizieren, um das Virus durch gezielte Immunaktivierung zu bekämpfen. Das menschliche Immunsystem ist eigentlich gut gerüstet, um Angriffe von Krankheitserregern wie Viren und Bakterien erfolgreich abzuwehren. Trotzdem zwingt SARS-CoV-2 die Immunabwehr in die Knie.
„Dafür sorgt ein ganzes Bataillon an Proteinen, dessen Auftrag darin besteht, anti-virale Signalwege zu blockieren, um so unser Immunsystem zu schwächen“, erklärt Dr. Konstantin Sparrer von der Universität Ulm. Der Wissenschaftler, der am Institut für Molekulare Virologie eine sogenannte BMBF-Nachwuchsgruppe leitet, widmet sich in seiner Forschung dem hochkomplexen Wechselspiel zwischen Virus und Wirt.
Die Ulmer Forscher vom Institut für Molekulare Virologie um Dr. Konstantin Sparrer, Professor Frank Kirchhoff und Professor Jan Münch haben nun Proteine von SARS-CoV-2 systematisch auf ihre Wirkung auf das angeborene Immunsystem untersucht. „Dabei zeigte sich, dass erstaunlich viele dieser Proteine die Signalwege des angeborenen Immunsystems unterbrechen; deutlich mehr als bislang bekannt war“, berichtet Sparrer, der die Studie koordiniert hat.
Besonders im Fokus der Untersuchung: die antiviralen Verteidigungsstrategien, die sich innerhalb der Zelle abspielen. Dazu gehören die Viruserkennung, die Ausschüttung von Alarmstoffen wie Zytokinen aber auch Prozesse der zellulären Selbstreinigung, Autophagie genannt. Die Autophagie ist eine Art Recyclingprogramm für schadhafte Zellstrukturen und falsch gefaltete Proteine.
Aber auch Fremdstoffe und Eindringlinge wie Viren oder Bakterien werden im Zuge der zellulären Selbstreinigung eliminiert und in ihre biochemischen Grundbestandteile zerlegt. Eine weitere wichtige Rolle im antiviralen Abwehrkampf spielt – wie beschrieben – die Ausschüttung von Zytokinen. Diese Alarm-Botenstoffe werden von speziellen Proteinen aktiviert, sobald diese eine Virus-Infektion „erkennen“. Sie warnen andere Zellen und versetzen diese in einen anti-viralen Alarmzustand.
Die Folge: es werden Hunderte von antiviralen Proteinen gebildet, die den Angreifern aggressiv zu Leibe rücken. „Diese Zytokine sind für Viren besonders gefährlich, das heißt, sie können deren Vermehrung und Ausbreitung oft stoppen“, erläutert Dr. Sparrer. Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 sind folglich nur dann erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, die entscheidenden immunologischen Abwehrstrategien zu sabotieren. Genau dies geschieht, wenn Viren-Proteine bestimmte Signalwege im Wirtsorganismus unterbrechen, die beispielsweise für die zelluläre Selbstreinigung oder für die Zykotin-Ausschüttung entscheidend sind. Für die Studie, an der auch Forschende aus München, Tübingen und Bonn beteiligt waren, wurden nun die Wechselwirkungen zwischen SARS-CoV-2-Proteinen und Immunsystem systematisch untersucht. Besonders im Fokus standen dabei die Signalwege der angeborenen Immunantwort.
„Dabei zeigte sich eine interessante Korrelation: Je schwächer das Virus einen Signalweg durch seine Proteine hemmen kann, desto empfindlicher reagiert es auf die Aktivierung dieses Signalweges“, berichten die drei Erstautoren der Studie Manuel Hayn, Maximilian Hirschenberger und Lennart Koepke, allesamt Doktoranden am Institut für Molekulare Virologie. „Wenn wir das Immunsystem beim Kampf gegen Viren unterstützen wollen, müssen wir bei den Schwachstellen des Virus ansetzen. Dabei ist ein behutsames Vorgehen wichtig, um zu vermeiden, dass das Immunsystem aus dem Gleichgewicht kommt und überschießt“, so die Ulmer Forscher.
Gehören doch die übers Ziel hinausschießenden Immunreaktionen des angegriffenen Körpers mit zu den größten Gesundheitsgefahren einer Corona-Infektion. Die molekularbiologischen Untersuchungen, die in vitro durchgeführt wurden, legen nun nahe, dass speziell die Kombination bestimmter Zytokine (Typ II und Typ III Interferon) bei geringen Konzentrationen sehr wirksam gegen das neue Coronavirus sind.

Neue Ansätze für Interferon-basierte Therapien

„Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an klinischen Studien zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 und der Behandlung von COVID-19. Diese setzen oftmals auf Interferone vom Typ I. Unsere Ergebnisse lassen jedoch hoffen, dass eine Therapie, die auf dem kombinierten Einsatz von Typ II und Typ III Interferonen basiert, nicht nur effektiver sein könnte, sondern auch mit geringeren Dosen auskommt“, berichten die Forscher.
Da der therapeutische Einsatz von Interferonen nicht unproblematisch ist, bedeutet eine möglichst niedrige Dosierung eine Reduktion unerwünschter Nebenwirkungen. Zukünftige in vivo-Studien sollen helfen, diese neuen grundlegenden Erkenntnisse für die Weiterentwicklung potentieller Interferon-basierter Behandlungsansätze zu nutzen.
Unterstützt wurde die Forschungsarbeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Ministerium fördert die Nachwuchsgruppe „IMMUNOMOD“ von Dr. Konstantin Sparrer seit Sommer 2020 mit insgesamt 1,8 Millionen Euro. Drittmittel kamen auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): aus dem DFG-Schwerpunktprogramm SPP 1923 „Innate Sensing and Restriction of Retroviruses“ sowie aus dem Sonderforschungsbereich 1279 „Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“.



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