Ulm News, 26.03.2020 07:00
Zelleigene Protein-Schredder zum Kampf gegen Krebs
Beschreibung: Dr. Jan Krönke ist Facharzt für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Ulm. Darüber hinaus leitet er eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe.
Fotograf: Universität Ulm
Ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universitäten Bonn und Ulm hat untersucht, wie sich ein zelleigener „Protein-Schredder“ gezielt zum Kampf gegen Krebs programmieren lässt.
In ihrer Studie konnten die Wissenschaftler den Abbau von Proteinen nachweisen, die zum Beispiel bei Brustkrebs übermäßig aktiv sind. Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift „Chemical Science“ erschienen. Zellen produzieren am laufenden Band Proteine, um ihre Aufgaben im Körper wahrnehmen zu können. Diejenigen Eiweiß-Moleküle, die nicht mehr gebraucht werden, erhalten eine Art „Entsorgungs-Aufkleber“. Alle Proteine mit einem solchen Etikett werden dann von einem zelleigenen Schredder, dem Proteasom, zerkleinert und recycelt.
Seit einigen Jahren versuchen Forscher, diesen Mechanismus gezielt zum Kampf gegen Krankheiten wie Krebs zu nutzen. Denn auch Tumorzellen benötigen bestimmte Proteine. Könnte man diesen ein Abbau-Etikett anheften, würden sie vom Proteasom unweigerlich geschreddert. Die Krebszelle würde so in ihrem Wachstum gehemmt. Tatsächlich hat sich dieser Ansatz im Reagenzglas bereits als wirksam erwiesen. Wissenschaftler nutzen dazu so genannte PROTACs (das Kürzel steht für „proteolysis targeting chimeras“).
„Die Herstellung dieser Wirkstoffe ist aber sehr kompliziert“, erklärt Professor Michael Gütschow vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn. „Wir haben untersucht, welche Strategien dazu erfolgversprechend sind und wie sich besonders effektive PROTACs gewissermaßen maßschneidern lassen.“
PROTACs sind molekulare Zwitterwesen: Sie bestehen einerseits aus einem Molekülteil, der an das Krebs-Protein andockt. Andererseits enthalten sie eine Struktur, die an Etikettier-Enzyme binden kann. Beide Einheiten sind über eine Art Arm miteinander verbunden. PROTACs bringen also Zielprotein und Etikettier-Maschine zusammen und sorgen so dafür, dass das schädliche Eiweiß den Entsorgungs-Aufkleber erhält. „Wir haben viele Moleküle synthetisiert, unter anderem um herauszufinden, welche Struktur und Länge der Arm haben muss, damit das Protein möglichst effektiv etikettiert wird“, erläutert Christian Steinebach vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn.
Darüber hinaus optimierten die Wissenschaftler noch einen weiteren Punkt der PROTACs. Jede Zelle verfügt nämlich über Dutzende verschiedener Etikettier-Enzyme, Ubiquitin-Ligasen genannt. Nicht jedes von ihnen funktioniert bei jedem Protein gleich gut. „Wir haben daher verschiedene PROTACs für unterschiedliche Ligasen hergestellt und getestet“, betont PD Dr. Jan Krönke von der Klinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Ulm.
Die entwickelten Wirkstoffe richten sich gegen ein Protein, das dafür sorgt, dass Krebszellen sich besser vermehren können. Die PROTACs bewirken nun, dass der zelleigene Schredder das Protein zerstört. „In Versuchen mit Zellkulturen konnten wir zeigen, dass unsere PROTACs tatsächlich die zelluläre Konzentration dieses Proteins deutlich absenken und das Wachstum der Krebszellen effektiv unterdrücken“, erklärt Dr. Krönke. „Die Wirkstoffe erlauben es uns nun, für den Tumor wichtige Proteine detaillierter zu studieren.“
Die Universitäten Bonn und Ulm zählen auf dem jungen Gebiet der PROTAC-Forschung zu den deutschlandweit führenden Einrichtungen. „Unsere Studie zeigt prototypisch auf, mit welchen Techniken sich diese Wirkstoffe herstellen und gezielt optimieren lassen&a
mp;amp;a mp;amp;a mp;amp;a mp;ldquo;, sagt Gütschow. Das Interesse an solchen Strategien ist groß, gelten PROTACs doch als ein wichtiger Hoffnungsträger für die Behandlung schwerer Erkrankungen.
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