Ulm News, 14.06.2018 18:36
Roger Waters begeistert 10 000 Fans mit einer spektakulären und politischen Show
Roger Waters begeisterte mit einer dreistündigen spektakulären Show über 10 000 Fans in der Olympiahalle in München. Der 74-jährige kreative Kopf der legendären Band Pink Floyd spielte mit seiner neunköpfigen Band 21 Songs, darunter Meisterwerke wie „Wish you were here“,,Another Brick in the Wall“, "Eclipse", „Pigs“ und „Money“. Das Konzert im Rahmen der weltweiten "Us + Them"-Tour durch 150 Städte war auch ein Statement gegen Krieg, Vertreibung und maßlose Politik und für Liebe, Menschlichkeit und Gleichheit. Botschaften die passend zur Musik, ohne peinlich zu wirken, effekt- und kunstvoll in aufwendigen Videofilmen transportiert wurden. Die Highttech-Show in der riesigen Halle verblüffte und berührte. Es ist paradox: Rockmusik stand in den Anfängen für Protest, Widerstand und Andersein. Roger Waters steht, obwohl Multimillionär und Legende, immer noch dafür. Statt dieses Engagement anzuerkennen und zu loben, wird der 74-Jährige als politischer Wirrkopf, alternder Politi-Wüterich, sozusagen als weltfremder, singender Gutmensch von den Kulturredakteuren deutscher Zeitungen diskreditiert. Dabei ist Kunst immer auch Auseinandersetzung. Verkehrte Welt.
Zu Beginn des Konzerts schauten die 10 000 Besucher in der Olympiahalle auf eine Frau am Strand sitzend. Keine Bewegung. Sie wartetete. Der Himmel verfärbte sich blutrot und die dreistündige Show (mit 20-minütiger Pause) begann mit den Pink Floyd-Klassikern "Speak to me", "Breathe" und "One of these days". Bis zur Pause folgten weitere Highlights wie „Time“, „The great gig in the sky“ und „Welcome tot he machine“ . Alle Lieder wurden kunstvoll visualisiert und der Surround-Sound in der Olympiahalle war glasklar. „Wish you were here“ , einer der bekanntesten Popsongs überhaupt, und „Another Brick in the Wall mit jungen Chorsängern aus München mit „Resist“-T-Shirts effektvoll inszeniert, bildeten den Abschluss des ersten Showteils, in dem Roger Waters mit „Deja Vu“, „The last refugees“ und „Picture that“ auch drei eigene Lieder vom aktuellen Album „us and them“ nahtlos eingefügt hatte. Nach der Pause toppten der 74-Jährige und seine Band, von der abwechselnd immer wieder auch die Leadvocals übernommen wurde, die bisher schon grandiose Show. Weiterhin mit brillanter Soundqualität wurde die Olympiahalle nun mit der wohl längsten Videowand aller Zeiten in Szene gesetzt. Quer in der Halle erschien nun die Battersea Power Station mit tatsächlich rauchenden Schloten, bekannt vom legendären Cover des „Animals“-Albums.
Bei „Pigs“ flog das Drohnen gesteuerte Plastikschwein mit der Aufforderung „Bleib menschlich“ über die Zuschauerränge, während in Videos die finsteren Mächtigen dieser Welt von Erdogan bis Trump eingeblendet wurden, dazu Hinweisschilder „Pigs rule the world“ , „Fuck the Pigs“ und – folgerichtig im „Animals“-Kontext“ und plakativ, aber unter sehr lautem Beifall „Trump ist ein Schwein“.
Ganz im Gegensatz zu diesen krassen Bildern und Aussagen ließ die Band die Gitarren wunderbar melodisch und sphärisch heulen und feierte eine Party in Schweinsmasken mit Sekt.
Unmittelbar an das letzte Trump-Bild, dessen widersprüchliche Sprüche im Schnelldurchlauf eingeblendet wurden, folgte „Money“. Passend zum Lied, passend zu Aussage der Show.
Roger Waters zeigt Haltung, kritisiert den Zustand der Welt, die Ungleichheit, die Maßlosigkeit der Mächtigen. Das gelingt in der Show mit Kunst, niemals mit dem Zeigefinger, die Mahnungen sind niemals peinlich oder ausgelutscht. Diese gigantische Hightech-Show in dieser kalten, funktionalen Großhalle berührte tatsächlich.
Nach dem elegischen „Eclipse“ von Pink Floyd , zu dem eine riesige Laserpyramide wie auf dem Cover des legendären Albums „Darkside oft he moon“ in die Saalmitte gezaubert wurde, verließ die Band die Bühne. Roger Waters stand kurz darauf schon wieder am Mikro, wurde von den 10 000 Zuhörern minutenlang lautstark gefeiert – und so ein wenig auch am Reden gehindert.
Waters, einer der wenigen aktuellen Künstler, die Haltung zeigen und ihre Popularität auch für politische Botschaften nutzen, tat es dennoch. Er stellte klar: „„Wer mich und mein Werk kennt, weiß, dass ich kein Antisemit bin“. Während der Showr wurde auch immer wieder der Schriftzug „Resist Antisemitism“ eingeblendet. Er setze sich für Gleichheit und Menschlichke
it ein. Waters, der ein prominenter Unterstützer der internationalen, wegen der rigorosen Palästina-Politik gegen Israel gerichteten Künstler-Kampagne "Boycott, Divestment, Sanctions" (BDS) ist, kritisierte den Münchner OB Reiter, der das Konzert am liebsten abgesagt hätte, mit harten Worten. Reiter warf dem Musiker vor „„antisemitische Boykottkampagnen gegen Israel“ zu unterstützen. Es sei ein kleiner Schritt von der Absage eines Konzerts zum Verbrennen von Büchern, keilte der 74-Jährige zurück. Immer noch gerührt bedankte er sich versöhnlich beim Münchner Publikum und die „Liebe, die mir entgegengebracht wurde“. Nach dieser Show sei er jetzt hoffnungsvoller als bei seiner Ankunft in der bayerischen Landeshauptstadt.
Dann war’s aber auch gut. Der 74-Jährige schnappte sich das Mikro und sang das wunderbare "Comfortbly Numb", zu dem es Papierschnipsel mit dem Hinweis "Resist" aus dem Dach der Halle auf die Zuschauer regnete.
Danach wurde der legendäre Künstler nochmals minutenlang gefeiert, ehe er die Bühne verließ und die einsame Flüchtlingsfrau vom Beginn der Show eingeblendet wurde. Sie saß wieder am Strand, schaute aufs Meer hinaus – und fand ihr Kind wieder. Alles friedlich. Ein bewegendes Happy Ende einer grandiosen, außergewöhnlichen Show.
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