Ulm News, 23.05.2018 11:26
Handwerkskammer beklagt fehlende Unterstützung der Betriebe bei Ausbildung von Flüchtlingen
Die Handwerksbetriebe beklagen eine fehlende Unterstützung im Bereich der Flüchtlingspolitik. „Bei uns zählt nicht, woher man kommt, sondern wohin man will. Die Betriebe im Handwerk haben sich nach diesem Prinzip engagiert und sind dem damaligen Wunsch nach Ausbildung geflüchteter Menschen nachgekommen. Jetzt zieht sich die Politik zusehends zurück und lässt die Betriebe allein mit den aufgetauchten Problemen“, kritisiert Dr. Tobias Mehlich, Geschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.
Rund 30 Prozent beträgt die Abbrecherquote an den Baden-Württembergischen Hochschulen. Im Bereich der Handwerkskammer Ulm lautet die aktuelle Abbrecherquote 11,1 Prozent. Die Handwerkskammer macht nun deutlich: Diese Zahlen müssen verbessert werden, werden aber in den nächsten Jahren voraussichtlich steigen.
Hintergrund dieser Annahme sind laut Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm, zwei wesentliche Trends: Zum einen ist die gute Konjunktur zu nennen: „Die gute Konjunktur ist auf dem Arbeitsmarkt ein Problem. Es fehlen die Fachkräfte, Betriebe suchen händeringend, während Jugendliche zunehmend entspannt aussuchen können. Jugendlichen bieten sich so viele Möglichkeiten und Lehrstellen nebeneinander, sie befinden sich vielfach ohne echte Berufsorientierung auf der Suche nach dem vermeintlich besseren und wechseln deshalb häufiger den Ausbildungsbetrieb. Oder kommen erst gar nicht.“
Fehlende Unterstützung im Bereich der Flüchtlingspolitik
Zum anderen ist ein zunehmend restriktiveres Verständnis der Politik im Umgang mit den geflüchteten Menschen im Land feststellbar. In der Abbrecherquote spiegelt sich das sich verändernde politische Klima rund um die Flüchtlinge wider.
Im Gebiet der Handwerkskammer sind momentan 255 Flüchtlinge in einem Ausbildungsverhältnis, hinzu kommen zahlreiche Vermittlungen in Praktika und Einstiegsqualifikationen. „Bei uns zählt nicht, woher man kommt, sondern wohin man will. Die Betriebe im Handwerk haben sich nach diesem Prinzip engagiert und sind dem damaligen Wunsch nach Ausbildung geflüchteter Menschen nachgekommen. Jetzt zieht sich die Politik zusehends zurück und lässt die Betriebe allein mit den aufgetauchten Problemen.“, so Mehlich.
Beispielsweise habe man erkannt, dass mehr Sprachförderung eine wichtige Voraussetzung zum Gelingen der Ausbildung im Betrieb, vor allem aber auch in der Berufsschule, ist. Diese wird aber nur noch gewährt und unterstützt, wenn eine ausländerrechtliche Anerkennung vorhanden ist. Diese fehlt aber oft noch - also auch keine Hilfe bei der Sprache. „Und kein Sprachunterricht für den geflüchteten Auszubildenden bedeutet eben auch ein erhöhtes Risiko des Scheiterns und des Abbruchs der Ausbildung.“, so Mehlich.
Zu den sprachlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Universalsprache wie auch der Fachsprache kommen interkulturelle Missverständnisse und oft persönliche Aspekte, durch Flucht und Kriegserfahrung erlittene Traumata und psychischen Belastungen und die Situation, von einem Großteil der im Herkunftsland befindlichen Familie getrennt zu sein. Diese Aspekte erschweren das Gelingen einer Ausbildung.
Mehlich weiter: „Also bitte nicht jammern, wenn wir bald wieder die Abbrecherquoten diskutieren: Teile des Scheiterns scheinen gewollt zu sein. Und bitte auch nicht auf die hohen Abbrecherzahlen im Handwerk schimpfen: Die Alternative wäre gewesen, sich bei der Ausbildung von geflüchteten Menschen gar nicht zu engagieren. Aber das schien uns in der Situation unseres Landes vaterlandslos.“
Die Handwerkskammer Ulm ist mit zwei Mitarbeitern bei diesem Thema engagiert. Eine Mitarbeiterin im Kümmerer-Projekt, das mit Landesmitteln gefördert wird, unterstützt Flüchtlinge mit guten Perspektiven bei der Berufsfindung und vermittelt diese bei Vorliegen der Voraussetzungen. Ein mit Bundesmitteln geförderter Willkommenslotse berät und unterstützt die Handwerksbetriebe. Damit Integration gelingt, fordert Dr. Mehlich die Politik auf, auch ihren Teil beizutragen und noch bestehende Hürden beruflicher Integration zu senken.
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