Ulm News, 18.05.2018 09:00
Ärzte im Land verschreiben Cannabis als Medizin überdurchschnittlich oft
Der Cannabis-Report der Technikerkrankenkasse (TK) in Kooperation mit der Universität Bremen entstandene Report soll Ärzten und interessierten Patienten eine Orientierung zum Thema Cannabis als Medizin bieten. Seit etwas mehr als einem Jahr dürfen deutsche Ärzte medizinisches Cannabis verschreiben. In Baden-Württemberg verschreiben Ärzte Cannabis überduchschnittlich oft. Die Studienlage zur Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie ist aber nach wie vor lückenhaft. Andreas Vogt, Leiter der Technikerkrankenkasse (TK)-Landesvertretung Baden-Württemberg, äußerte sich zum akteullen Cannabis-Report.
Herr Vogt, laut TK ist medizinisches Cannabis nur selten eine Alternative zu bewährten Therapien und kann Patienten nur im Einzelfall helfen. Ergeben sich dadurch Konsequenzen für die Verordnungspraxis?
Andreas Vogt: Nein, wir begrüßen, dass Krankenkassen durch die gesetzliche Regelung nun schwerkranken Menschen eine weitere Therapiealternative ermöglichen können. Da die Verordnungsvorgaben aber unklar definiert sind, geben wir die Anträge zum medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). In der Regel folgen wir der Empfehlung seines medizinischen Gutachtens.
Mit einer Quote von 64 Prozent wurde die Mehrzahl der bundesweit 2.900 Anträge auf medizinisches Cannabis von TK-Versicherten genehmigt. Die meisten Anträge werden übrigens zur Behandlung von Schmerzen gestellt. Wenn der MDK eine Verordnung ablehnt, verweist er am häufigsten auf alternative Therapieoptionen, die für den jeweiligen Patienten besser geeignet sind.
Die TK forderte bei der Vorstellung des Reports, Cannabis wie andere neue Medikamente zu behandeln. Was ist darunter zu verstehen?
Andreas Vogt: Seit 2017 ist die Kostenübernahme von medizinischem Cannabis im Sozialgesetzbuch geregelt. Kein anderer Wirkstoff hat es bislang namentlich in dieses Gesetz geschafft und bei näherer Betrachtung kann man sich auch die Frage stellen, warum das so ist. Die aktuelle Regelung umgeht jedenfalls komplett das System aus Zulassung, früher Nutzenbewertung und Preisverhandlung, wie es normalerweise für neue Arzneimittel gilt.
Mit der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel, dem sogenannten AMNOG-Prozess, müssen Pharmafirmen normalerweise nachweisen, dass ihre Produkte einen Zusatznutzen für die Patienten haben. Das gilt hier aber nicht, trotz der unbefriedigenden Studienlage und der geringen Evidenz.
Dennoch darf dies bei Antrag auf Erstattung einer Cannabistherapie kein Ablehnungsgrund der Krankenkassen sein. Stattdessen erhalten die Krankenkassen einen Genehmigungsvorbehalt, der unklar definiert ist. Auch der Begriff „schwere Erkrankung“ ist nicht hinreichend deutlich.
Außerdem ist die Begleiterhebung, die durch die Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführt wird, unzureichend. Sie soll weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin hervorbringen, betrachtet aber zum Beispiel keine Vergleichsgruppe von Patienten, die keine Cannabistherapie erhalten. Wünschenswert wäre daher eine richtige Begleitstudie, damit wir gesichertere Erkenntnisse über den Einsatz von Cannabis bekommen.
TK-Versicherte in Baden-Württemberg haben laut Ihrer Auswertung überdurchschnittlich häufig Cannabis verordnet bekommen. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Andreas Vogt: Bislang gab es 152 Verordnungen je 100.000 Versicherte im Land. Dabei handelte es sich um Cannabis in den unterschiedlichen erlaubten Darreichungsformen. Nur im Saarland und in Bayern gab es noch mehr Verordnungen, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nur 52.
Warum es solche regionalen Unterschiede gibt, können wir wissenschaftlich nicht begründen. Vermutlich hängt das Ergebnis im jeweiligen Land vom Verordnungsverhalten der Ärzte sowie von der Morbidität und der Nachfrage der Patienten ab. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 123 Verordnungen je 100.000 Versicherte.
Sorgen bereitet uns, dass weder die mangelnde Evidenz noch die Nebenwirkungen der Therapie in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Die Menschen dürfen keine Wunder erwarten. Wir benötigen deshalb dringend ein gemeinsames wissenschaftliches Engagement auf Bundesebene, um weitere Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Cannabinoiden zu bekommen. Auch eine gezielte Aufklärung in der Bevölkerung über Nutzen und Risiken von Cannabis-Präparaten ist notwendig.
Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der TK hat gezeigt, dass 90 Prozent der Baden-Württemberger die neue Verschreibungsregelung befürworten. Einem Einsatz auch bei leichteren Erkrankungen stimmen nur noch gut 40 Prozent hierzulande zu, 10 Prozent lehnen Cannabis generell ab.
Laut TK ist medizinisches Cannabis nur selten eine Alternative zu bewährten Therapien und kann Patienten nur im Einzelfall helfen. Ergeben sich dadurch Konsequenzen für die Verordnungspraxis?
Andreas Vogt: Nein, wir begrüßen, dass Krankenkassen durch die gesetzliche Regelung nun schwerkranken Menschen eine weitere Therapiealternative ermöglichen können. Da die Verordnungsvorgaben aber unklar definiert sind, geben wir die Anträge zum medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). In der Regel folgen wir der Empfehlung seines medizinischen Gutachtens.
Mit einer Quote von 64 Prozent wurde die Mehrzahl der bundesweit 2.900 Anträge auf medizinisches Cannabis von TK-Versicherten genehmigt. Die meisten Anträge werden übrigens zur Behandlung von Schmerzen gestellt. Wenn der MDK eine Verordnung ablehnt, verweist er am häufigsten auf alternative Therapieoptionen, die für den jeweiligen Patienten besser geeignet sind.
Die TK forderte bei der Vorstellung des Reports, Cannabis wie andere neue Medikamente zu behandeln. Was ist darunter zu verstehen?
Andreas Vogt: Seit 2017 ist die Kostenübernahme von medizinischem Cannabis im Sozialgesetzbuch geregelt. Kein anderer Wirkstoff hat es bislang namentlich in dieses Gesetz geschafft und bei näherer Betrachtung kann man sich auch die Frage stellen, warum das so ist. Die aktuelle Regelung umgeht jedenfalls komplett das System aus Zulassung, früher Nutzenbewertung und Preisverhandlung, wie es normalerweise für neue Arzneimittel gilt.
Mit der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel, dem sogenannten AMNOG-Prozess, müssen Pharmafirmen normalerweise nachweisen, dass ihre Produkte einen Zusatznutzen für die Patienten haben. Das gilt hier aber nicht, trotz der unbefriedigenden Studienlage und der geringen Evidenz. Dennoch darf dies bei Antrag auf Erstattung einer Cannabistherapie kein Ablehnungsgrund der Krankenkassen sein.
Stattdessen erhalten die Krankenkassen einen Genehmigungsvorbehalt, der unklar definiert ist. Auch der Begriff „schwere Erkrankung“ ist nicht hinreichend deutlich.
Außerdem ist die Begleiterhebung, die durch die Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführt wird, unzureichend. Sie soll weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin hervorbringen, betrachtet aber zum Beispiel keine Vergleichsgruppe von Patienten, die keine Cannabistherapie erhalten. Wünschenswert wäre daher eine richtige Begleitstudie, damit wir gesichertere Erkenntnisse über den Einsatz von Cannabis bekommen.
TK-Versicherte in Baden-Württemberg haben laut Ihrer Auswertung überdurchschnittlich häufig Cannabis verordnet bekommen. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Andreas Vogt: Bislang gab es 152 Verordnungen je 100.000 Versicherte im Land. Dabei handelte es sich um Cannabis in den unterschiedlichen erlaubten Darreichungsformen. Nur im Saarland und in Bayern gab es noch mehr Verordnungen, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nur 52. Warum es solche regionalen Unterschiede gibt, können wir wissenschaftlich nicht begründen. Vermutlich hängt das Ergebnis im jeweiligen Land vom Verordnungsverhalten der Ärzte sowie von der Morbidität und der Nachfrage der Patienten ab. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 123 Verordnungen je 100.000 Versicherte.
Sorgen bereitet uns, dass weder die mangelnde Evidenz noch die Nebenwirkungen der Therapie in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Die Menschen dürfen keine Wunder erwarten.
Wir benötigen deshalb dringend ein gemeinsames wissenschaftliches Engagement auf Bundesebene, um weitere Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Cannabinoiden zu bekommen. Auch eine gezielte Aufklärung in der Bevölkerung über Nutzen und Risiken von Cannabis-Präparaten ist notwendig.
Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der TK hat gezeigt, dass 90 Prozent der Baden-Württemberger die neue Verschreibungsregelung befürworten. Einem Einsatz auch bei leichteren Erkrankungen stimmen nur noch gut 40 Prozent hierzulande zu, 10 Prozent lehnen Cannabis generell ab
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