Ulm News, 14.02.2018 18:18
Hauswand der Spazz-Redaktion beschmiert - Polizei ermittelt
Die Kritik an dem Spazz-Kolumnisten Walter Feucht wird härter. In der Nacht zum Mittwoch wurde die Wand des Hauses, in dem sich die Spazz-Redaktion befindet, von Unbekannten mit dem Spruch „Rassismus ist Feucht“ beschmiert. Jetzt ermittelt die Polizei. Gegen den „Spazz“, „der auf demagogische Weise Stimmung gegen "Flüchtlinge, Migranten und Zugewanderte" macht", hatten 38 Organisationen aus der Region Ulm/Neu-Ulm einen Offenen Brief verfasst. Spazz-Geschäftsführer Michael Köstner verteidigte Feuchts "markige Spitzen", will das Heft künftig aber inhaltlich weiter mit vielfältigen Themen öffnen.
„Jetzt hat die Diskussion eine neue, schlimme Dimension erreicht. Das ist eine Straftat“, kommentierte Spazz-Geschäftsführer Michael Köstner den Spruch an der Hauswand. Das monatlich erscheinende Stadtmagazin veröffentlicht regelmäßig Kolumnen von Walter Feucht. Feucht ist Ex-Stadtrat, Vorsitzender der TSG Söflingen, beliebter Kulturmäzen und erfolgreicher Unternehmer und schreibt seit seit einigen Jahren mit „spitzer Feder“, wie er findet, über die Kommunalpolitik und – leider – seit einiger Zeit bevorzugt über die große bundesdeutsche Politik und hier im Speziellen über die Flüchtlingspolitik.
„Im Dezemberheft des SpaZz erschien wieder ein "Einwurf" von Walter Feucht, der auf demagogische Weise Stimmung gegen "Flüchtlinge, Migranten und Zugewanderte" macht. 38 Organisationen aus der Region Ulm/Neu-Ulm haben deswegen einen Offenen Brief an den herausgebenden KSM Verlag verfasst.
Der offene Brief richtet sich weniger gegen Walter Feucht als gegen den KSM Verlag, der den „Spazz“ herausgibt und dessen Macher an das Presserecht erinnert werden. So werden in dem offenen Brief massiv Passagen der Kolumne kritisiert: „Was mag sich der Autor (und der Herausgeber dieses Magazins) dabei gedacht haben mit diesem Artikel, dessen Sprache – und dessen leitende Gedanken – mit Angst- und Hassformulierungen durchsetzt sind und der ganz systematisch und beständig mit unbelegten Behauptungen operiert?“
Weiter heißt es in dem offenen Brief: „Wir denken, dass es die verlegerische Pflicht des KSM Verlags sein muss, eine Kolumne, die mit dem Begriff des „Quergedachten“ kokettiert, in Wahrheit aber völlig unausgegorene, schlicht „verquere“ Ansichten des Herrn Feucht propagiert, vor einem Abdruck sorgfältig zu prüfen. Diese Sorgfaltspflicht ist uns in diesem Fall nicht erkennbar. Wir erwarten, dass dies in Zukunft anders wird. Weil es sonst schlicht „offenem und ehrlichem Journalismus“ fundamental widerspricht.“ Michael Köstner, der Anfang des Jahres die Geschäftsführung von Verlagsinhaber Jens Gehlert übernommen hat, verteidigt Feucht.
Demnach seien die Behauptungen des Autors bereits in anderen Medien zu lesen gewesen. Gleichwohl werde die Redaktion darauf mehr achten, „dass die Spitzen nicht mehr so krass ausfallen“.
Außerdem werde Walter Feucht wohl künftig die Quellen für seine Behauptungen im Artikel benennen, kündigte Köstner an. Sicher sei auch, dass der „Spazz“ sich künftig inhaltlich noch vielfältiger präsentieren werde. Köstner will auch Frauengruppen, Umweltverbände und andere Gruppierungen zu Wort kommen lassen. Grundsätzlich fühle er sich als „liberaler Alt-Grüner völlig zu Unrecht in eine rechte Ecke gestellt“. Die Schmiererei an der Wand sei jetzt aber zu viel des Guten. „das ist keine faire Auseinandersetzung, sondern einfach eine Straftat. Deshalb ermittelt jetzt auch die Polizei.
Nachfolgend der offene Brief mit den unterzeichnenden Organisationen im Wortlaut:
"Im Dezemberheft des SpaZz erschien wieder ein "Einwurf" von Walter Feucht, der auf demagogische Weise Stimmung gegen "Flüchtlinge, Migranten und Zugewanderte" macht. 38 Organisationen aus der Region Ulm/Neu-Ulm haben daraufhin einen Offenen Brief an den herausgebenden KSM Verlag verfasst. Wir hoffen, dass er eine weite Verbreitung findet. Offener Brief an den KSM Verlag zu „Feuchts Einwurf“ im SpaZz vom Dezember 2017 Der SpaZz, so heißt es auf der Internetseite des herausgebenden KSM Verlags, sei ein Stadtmagazin, „das Spaß macht!“ Und der neue Verlagsleiter Michael Köstner fügt in seinem Antrittsinterview im Heft vom Januar 2018 hinzu: „Die Marke SpaZz steht für mich vorrangig für offenen und ehrlichen Journalismus.“ Keine Frage, das ist ein guter und richtiger Ansatz. Auch das Eintreten für kritisches, pointiertes Hinterfragen, für das Aufzeigen von Missständen und – so zusammenfassend in der Selbstdarstellung – für „kontroverse Inhalte“ ist eine positive und in Ulm durchaus notwendige Position. Was aber heißt das konkret, wenn man in das Heft vom Dezember 2017 sieht und dort „Feuchts Einwurf“ liest. Da wird nämlich wieder einmal „Quergedachtes von Walter Feucht“ abgedruckt, diesmal ein „Einwurf“ unter dem Titel „Eine Schlaraffiade“. Dieser Artikel spricht der Schlussformel von Herrn Feucht Hohn, er ist nämlich weder „seriös“ noch „herzlich“. Er ist nur eins: demagogisch. Was mag sich der Autor (und der Herausgeber dieses Magazins) dabei gedacht haben mit diesem Artikel, dessen Sprache – und dessen leitende Gedanken – mit Angst- und Hassformulierungen durchsetzt sind und der ganz systematisch und beständig mit unbelegten Behauptungen operiert? Da werden Zahlen genannt, etwa die von angeblich rund 500.000 unregistrierten Geflüchteten, die bereits 2015 in der BILD-Zeitung auftauchten und vom Bundes-innenminister umgehend als „absurd" zurückgewiesen wurden. Da werden pauschal „Flüchtlinge, Migranten und Zuwanderer“ völlig undifferenziert unter General-verdacht gestellt, da wird herabgewürdigt („Maghrebgebildete“), gedemütigt, angegriffen und verletzt. Wie schon die Philosophin und Trägerin des Friedens-preises des Deutschen Buchhandels, Carolin Emcke, in ihrem Buch »Gegen den Hass“ schreibt: »Gehasst wird ungenau. Präzise lässt sich nicht gut hassen. Mit der Präzision käme die Zartheit, das genaue Hinsehen oder Hinhören, mit der Präzision käme jene Differenzierung, die die einzelne Person mit all ihren vielfältigen, wider-sprüchlichen Eigenschaften und Neigungen als menschliches Wesen erkennt. Sind die Konturen aber erst einmal abgeschliffen, sind Individuen als Individuen erst einmal unkenntlich gemacht, bleiben nur noch unscharfe Kollektive als Adressaten des Hasses übrig, wird nach Belieben diffamiert und entwertet, gebrüllt und getobt: die Juden, die Frauen, die Ungläubigen, die Schwarzen, die Lesben, die Geflüch-teten, die Muslime.« Wir als Organisationen, die auf verschiedenen Feldern der Zivilgesellschaft in Ulm und der Region Ulm/Neu-Ulm aktiv sind und deren gemeinsames Anliegen eine humane Gesellschaft für alle ist, die den Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes als zentrale Richtschnur ihres Handelns sehen, betonen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das heißt: Die Würde aller Menschen ist unantastbar. Hass und Gewalt gegen Menschen – in diesem Falle gegen geflüchtete Menschen – entsteht nicht aus dem Nichts, Hass bricht nicht plötzlich auf, nein, er wird gezüchtet und inszeniert. Er wird auch und insbesondere sprachlich inszeniert. Das Fatale an Auslassungen wie denen von Herrn Feucht ist, dass hier Menschen mit all ihren oft traumatischen – und teilweise noch immer traumatisierenden – Erfahrungen ausschließlich als Kollektiv und niemals als Individuum auftauchen, stets und immer wieder als „rückständige Barbaren“ beschrieben werden. Herr Feucht arbeitet – und das nicht zum ersten Mal bei seinen „Einwürfen“ – mit jenen Abkürzungen des Denkens, die nur noch mit fertigen Zuschreibungen und Urteilen operieren, das heißt mit dem karikaturhaft verzerrten und zugerichteten Einheits-Flüchtling, Einheits-Migranten und Einheits-Zugewanderten. Wir denken, dass es die verlegerische Pflicht des KSM Verlags sein muss, eine Kolumne, die mit dem Begriff des „Quergedachten“ kokettiert, in Wahrheit aber völlig unausgegorene, schlicht „verquere“ Ansichten des Herrn Feucht propagiert, vor einem Abdruck sorgfältig zu prüfen. Diese Sorgfaltspflicht ist uns in diesem Fall nicht erkennbar. Wir erwarten, dass dies in Zukunft anders wird. Weil es sonst schlicht „offenem und ehrlichem Journalismus“ fundamental widerspricht."
AK Flucht&Asyl (Uni Ulm)
Amnesty International, Bezirk Ulm/Neu-Ulm
ATTAC Ulm
Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm
Behindertenstiftung Tannenhof
Bündnis für eine agrogentechnikfreie Region (um) Ulm
Bündnis Menschenrechtsbildung e. V.
Bündnis STOP TTIP, CETA, TISA, MERCOSUR, JEFTA Alb-Donau-Iller
BUND-Kreisverband Ulm
Chor Kontrapunkt Ulm e. V.
Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e. V.
Festival Contre Le Racisme (Uni Ulm)
Flüchtlingsrat Ulm/Alb-Donaukreis e. V.
Förderverein des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm e. V.
Frauennetz West e. V.
Freiwilligenagentur „engagiert in ulm“ e. V.
friedensbewegt-ulm
Eine Welt-Regionalpromotorin
Helferkreis Erbach e. V.
Initiative Grundeinkommen Ulm
Initiative „Stopp Abschiebung“
Interkultureller Garten Ulm
Lateinamerika-Komitee Ulm e. V.
NaturFreunde Ulm
Offene Kirche Ulm/Blaubeuren
Partnerschaft Ulm-Tukuyu
Politischer Stammtisch Ulm/Neu-Ulm
RehaVerein für soziale Psychiatrie Donau-Alb e. V.
Stiftung Menschenrechtsbildung
terre des hommes Deutschland e. V./AG Ulm-Neu-Ulm
Tibet Initiative Deutschland e. V., Regionalgruppe Ulm/Neu-Ulm
Ulmer Ärzteinitiative, Regionalgruppe des IPPNW
Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e. V.
Ulmer Netz für eine andere Welt e. V.
Ulmer Volkshochschule e. V.
Verein für Friedensarbeit e. V.
Verein Ulmer Weltladen e. V.
Zentrale Bürgeragentur ZEBRA e. V.
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