Ulm News, 02.12.2010 15:30
Verbales Alltagsgeschirr - Theaterkritik zu Rene Pollesch Uraufführung xy Beat von Peter Zwey
Wo Comedy und Sprücheklopfer Hochkonjunktur haben, muss das Theater nicht länger auf Gedankenblässe setzen, sondern kann lockerer werden. Wie, das zeigte uns René Pollesch in der Uraufführung von „XY Beat“ in den Münchner Kammerspielen. Eine Theaterkritik von Peter Zwey.
Rene Pollesch zieht ein jüngeres Publikum in die Discoarena, die Bert Neumann in den Werkraum gebaut hat. Auf zwei Stufen sitzen die Zuschauer; in der Mitte ein Tanzpodium, an der vierten Wand ein großer Vorhang in Violett, in welches der Spiel-Platz getaucht ist.
Ein Ansager in Cordhosen kommt gleich zum Thema: Meinung sei heute so penetrant und sinntötend präsent, dass man den Bezug zum echten Leben verliere. Zwischen Ironie und Pathos buchstabiert Fabian Hinrichs die Qual durch, Meinungen haben zu müssen.
Er betont und überbetont die Kalamität einer Freiheit, die zu nichts nutze sei. Wen er dabei nicht trifft, den amüsiert er. Seine These ist freilich kaum den halben Ernst wert, um den er sich müht. Oft hört er sich wie ein Prediger gegen das Predigen an. Dann treten Silja Bächli, Katja Bürkle und Benny Claessens auf.
In bunte Kimonos gehüllt, deuten sie – fortan zu viert – Figuren an, die irgendwie jeder kennt: Frau Bolt, Herr Brummer und Frau Knoop. Diese Papiermenschen peinigt das beklagte Problem. Immerzu haben sie Meinungen. Die befallen sie wie Viren, sie bekämpfen sie durch Tratsch als Guerillataktik und wollen so unter die Betonplatte der Meinungen gelangen.
Auf einmal attackiert Herr Brummer aber die Theatergenies Otto Schenk und Bruno Ganz, die ständig von einer Verkörperung der Figuren faselten. Das Publikum schlägt sich entzückt auf die Schenkel. Doch selbst dieser Spott bleibt nur eine Meinung, ist deren Fake als üble, irgendwie witzige Nachrede.
Das Stück hat keine Handlung. Sie wird durch den Meinungszwang verhindert. Auch das Geschwätz im Treppenhaus führt nicht aus der Hölle des Alles-Beurteilen-Müssens heraus. Man trägt alles vor sich her, wie verbales Alltagsgeschirr. Denn worüber nicht geredet werden kann, darin könnte wirkliches Leben vergraben sein.
Dieser Überwurf lockeren Theaters braucht einen Hochkultur-Tempel wie die Münchner Kammerspiele. Hier erhalten die trivialsten Sätze den Glanz der Kunst. Hier avanciert das Kabarettistische zum Kulturpriestertum. Und wenn die Akteure Adorno, Darwin oder die neue Hirnforschung zitieren, erlangt schludrige Schauspielerei zwinkernde Zweit-Bedeutung.
Polleschs anarchische Probeläufe enden in der untersten Schicht der Sprache, die aus der Medienmitte her mit Gerede verspielt und zerzaust wird.
Am Ende ist Hinrichs wieder der Allein-Unterhalter, um die elend lange Lebensbeichte der bekannten HIV-infizierten, alleinerziehenden Ex-No Angels-Sängerin in seiner künstlichen Gespreiztheit zu repetieren.
Münchner Kammerspiele: 3., 8., 16., 17., 27. Dez., 5., 9., 27., 30. Januar. www.muenchner-kammerspiele.de









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