Ulm News, 13.09.2016 08:30
Wüstenameisen: Auch im „Sahara-Shuttle“ bestens orientiert
Wüstenameisen sind wahre Navigationskünstler: Selbst nach ausgedehnten Streifzügen durch die Einöde finden sie zielsicher zum Nest. Wie sich die Insekten auf ihrer Reiseroute orientieren, erforschen Dr. Matthias Wittlinger und Sarah Pfeffer vom Institut für Neurobiologie der Universität Ulm.
Bisher sind die Wissenschaftler davon ausgegangen, dass sich die Tiere bei der Distanzmessung ausschließlich auf einen „Schrittzähler“ verlassen und das polarisierte Licht als Kompass nutzen. Nun haben sie eine weitere Orientierungshilfe zur Distanzmessung (wieder-)entdeckt, den so genannten Optischen Fluss („Optic Flow“). Bei ihren Experimenten machten sie sich das soziale Trageverhalten der Ameisenart „Cataglyphis bicolor“ zunutze, bei dem erfahrene Tiere „Arbeiter“ aus dem inneren Bau zu Satellitennestern transportieren.
Ihre Studie ist im hochrenommierten Fachjournal Science erschienen. In der Insektenwelt ist das Konzept „Optischer Fluss“ nicht unbekannt: Im Flug nehmen beispielsweise Bienen und Wespen wahr, wie die Landschaft an ihnen vorbeizieht. Aus diesen „Bewegtbildern“ können sie Informationen für die Distanzmessung ableiten. Für Wüstenameisen, die ja vor allem Läufer sind, wurde diese Vorgehensweise mit Entdeckung eines „Integrators“ zur Messung der Schrittanzahl und -länge verworfen. Allerdings trägt die in der Wüste Sahara beheimatete Ameisenart „Cataglyphis bicolor“ ihre Nestgenossen über weitere Strecken, was die Nutzung dieses schrittbasierten Distanzmessers ausschließt. Dabei rollt sich das getragene Insekt ein und wird dann unter Kopf und Körper des Trägers wie ein Paket „verstaut“.
Für Dr. Matthias Wittlinger und seine Doktorandin Sarah Pfeffer bietet dieser „Shuttleservice“ die perfekte Gelegenheit, das Konzept „Optischer Fluss“ bei (nichtlaufenden) Ameisen zu untersuchen. Für die Forscher war klar: Wenn sie das Orientierungsverhalten der getragenen Ameise studieren wollen, müssen sie das „Tandem“ auf seiner Route trennen. Also haben sie zwei Nesteingänge mit einem „Laufsteg“ verbunden und die Insekten auf die gemeinsame Reise geschickt.
Nach zehn Metern, auf denen die getragene Ameise keine Informationen für den Schrittintegrator sammeln konnte, wurde sie alleine in einen parallel verlaufenden Kanal gesetzt und das Suchverhalten protokolliert. Tatsächlich fand das Insekt – nachdem es die Suche nach seinem „Transporter“ aufgegeben hatte – ohne fremde Hilfe nach Hause. Doch basiert diese Navigationsleistung tatsächlich auf „Bewegtbildern“, die Cataglyphis bicolor aufgenommen hat? Um ihre Annahme zu untermauern, mussten die Forscher noch einen Schritt weitergehen und Ameisen aus der Kontrollgruppe die „Augen verbinden“. „Während diese Insekten unter dem Körper des Nestgenossen reisten, konnten sie also weder Informationen für ihren Schrittzähler noch Bewegtbilder abspeichern.
Und siehe da: Einmal vom Träger getrennt, waren die Ameisen auf dem Heimweg völlig orientierungslos“, erzählt Dr. Matthias Wittlinger. Zuletzt haben die Biologen überprüft, ob es einen „Datenaustausch“ zwischen Schrittintegrator und dem Optischem Fluss-Integrator gibt. Dazu transportierte eine Wüstenameise die andere bei voller Sicht durch den Laufkanal. Nach einigen Metern wurden die beiden getrennt und dem getragenen Insekt eine „Augenklappe“ aufgesetzt. Urplötzlich hatte die eigentlich als Navigationsgenie bekannte Wüstenameise keine Chance, den Nesteingang zu finden – obwohl sie sich nun frei bewegen und den Schrittintegrator nutzen könnte. „Offenbar ist der Optische Fluss eine eigenständige Orien
tierungshilfe, die beispielsweise nichtlaufende Ameisen nutzen.
Dabei scheint es die getragenen Insekten nicht zu stören, dass sie Bewegtbilder in der Trageposition verkehrt herum wahrnehmen“, sagt Sarah Pfeffer. Mit der Beschreibung des Phänomens „Optischer Fluss“ haben die Wissenschaftler ein weiteres Puzzleteil zur Entschlüsselung des unglaublichen Orientierungssinns der Gliederfüßer hinzugefügt.




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