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Ulm News, 29.09.2014 16:44

29. September 2014 von Thomas Kießling
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Kanzlerjahrestagung in Ulm


Zum zweiten Mal nach 1997 verzeichneten Stadt und Universität Ulm die bundesweit höchste „Kanzlerdichte“: Über 80 Verwaltungschefinnen und -chefs deutscher Universitäten tauschten sich bei ihrer Jahrestagung vom 25. bis zum 27. September über den „Standortfaktor Universität – Bedeutung der Universität für die regionale Entwicklung“ aus.

Ein hochrelevantes Thema, schließlich sind Universitäten nicht nur Ausbildungsstätten für Führungskräfte von morgen, sondern Innovationsmotoren und nicht selten der größte Arbeitgeber vor Ort. Sie tragen weiterhin zur Kultur- und Demokratieentwicklung bei. Die Tagungsorte im Stadthaus und an der Universität Ulm verdeutlichten die Rolle der Hochschule als Bindeglied zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

 „Universitäten stehen unter dem Druck, handlungsstarke Einrichtungen zu sein, die nicht nur Lehre für viele Studierende und Forschung auf höchstem Niveau sowie technologischen Fortschritt versprechen, sondern auch Wertschöpfung für die Regionen schaffen.“ In Zeiten der Schuldenbremse würden Hochschulen aber oft als Kostenverursacher gesehen – so führte der Gastgeber Dieter Kaufmann, Kanzler der Universität Ulm, in die Thematik ein. In diesem Spannungsfeld agieren Kanzlerinnen und Kanzler, die als Verwaltungschefs Wirtschafts- sowie Personalfragen verantworten, und „Wissenschaftsmanager im besten Sinnes des Wortes“ sind – dies betonte der Ulmer Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling in seinem Grußwort. Weiterhin begrüßten der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner und die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer die Kanzler. Die Ministerin bekannte sich klar zu den Landesuniversitäten: „Wir sind stolz darauf, in Baden-Württemberg nicht nur ein oder zwei Spitzenunis zu haben, sondern Exzellenz über das ganze Land verteilt. So sind wir fest entschlossen, die Hochschulen weiter zu stärken: Baden-Württemberg wird das erste Land, das die Grundfinanzierung, wie vom Wissenschaftsrat empfohlen, zuverlässig um drei Prozent pro Jahr erhöht“, betonte Bauer.

Mit einem Festvortrag eröffnete Professor Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrats, den inhaltlichen Part der Jahrestagung. Der Münchner Bildungsforscher, der als Projektmanager der PISA-Studie einem breiten Publikum bekannt ist, sprach über regionale Verbünde als hochschulpolitische Perspektive. „Regionale Verbünde sind meiner Meinung nach das strategische Instrument der Wahl, wenn es darum geht, unser Hochschulsystem auf die künftigen demografischen und wirtschaftlichen Wandlungsprozesse ebenso wie auf den globalen Wettbewerb einzustellen“, so Professor Prenzel.

Im Mittelpunkt des zweiten Konferenztages stand eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Wirtschaftsfaktor Hochschule – wenn der ökonomische Erfolg zum Zwang wird“. Doch zuvor lieferte Professor Torben Schubert vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) „harte Zahlen“: Gemäß der Studie „Hochschulen als regionaler Wirtschaftsfaktor“ reichen positive Effekte von einem um 4500 Euro höheren Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner (statistisch gesehen, im Vergleich zu Regionen ohne Hochschule) bis zu einer um rund drei Prozent geringeren Arbeitslosigkeit. Dazu kommt ein höheres Patentaufkommen (13 Prozent). Solche Zahlen – da waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig – sind für die Argumentation gegenüber Politikern wichtig, die nicht aus dem Wissenschaftssystem kommen. Hochschulen sollten darauf hinweisen, was sie leisten. Insgesamt untermauerte der Meinungsaustausch, dass Universitäten eine große Bedeutung für die Region haben, in der sie angesiedelt sind – dies zeigen unterschiedliche Betrachtungen zwischen Ökonomie und Zivilgesellschaft. Professor Peer Pasternack, Direktor des Instituts für Hochschulforschung der Universität Halle-Wittenberg, steuerte zudem einen Vortrag zur regionalen Bedeutung der Geistes- und Sozialwissenschaften bei. Und der ist gar nicht so gering wie landläufig – und sogar von Fachvertretern – vermutet: Ein Jahr nach ihrem Abschluss sind lediglich fünf Prozent der Absolventen arbeitslos gemeldet. Nicht selten bereichern sie ihre Region als Kulturschaffende oder Dienstleister. „Warum bringen einige Universitäten mehr exzellente Wissenschaftler hervor als andere?“ Professor Peter Meusburger (Heidelberg) erklärte dieses Phänomen mit Forschungsmilieus und wissenschaftlichen Beziehungen, die er anhand der Universität Heidelberg darstellte.

Bevor die Kanzlerinnen und Kanzler zu einer Führung durch die Ulmer Wissenschaftsstadt aufbrachen, erfuhren sie von Tobias Koch (Prognos AG), dass die Universität und ihr Umfeld stark in die Region wirken. Der Anteil Hochqualifizierter vor Ort liegt gemäß der „Potential- und Bedarfsanalyse der Wissenschaftsstadt Ulm“ bei 16 Prozent (Bund: 10,8 %). Viele von ihnen arbeiten in einer der größten Wissenschaftsstädte Deutschlands, die die Universität Ulm mit An-Instituten, Kliniken, Konzernen und Start-Ups umschließt, und rund 12 500 Stellen bietet. Zwar seien 90 Prozent der Arbeitgeber mit dem Standort Wissenschaftsstadt zufrieden, bei der sozialen Infrastruktur und etwa außeruniversitären Forschungsinstituten gebe es allerdings noch Entwicklungspotential, so Koch.

Der Anfang ist gemacht: Mit dem Helmholtz Institut für elektrochemische Energiespeicher (HIU) lernten die Kanzler im letzten Vortrag den „Neuzugang“ der Wissenschaftsstadt kennen. In der Forschungseinrichtung, die vom Karlsruher Institut für Technologie (federführend), der Universität Ulm und weiteren Partnern betrieben wird, entwickeln Wissenschaftler Energiespeicher für mobile und stationäre Anwendungen, die die optimale Nutzung zukünftiger Energieformen ermöglichen sollen. Die Präsentation übernahm der HIU-Direktor Professor Horst Hahn. Neben den Vorträgen hatten die Kanzlerinnen und Kanzler Gelegenheit, sich über aktuelle hochschulpolitische Entwicklungen sowie ihren Arbeitsalltag auszutauschen. „Die Jahrestagung der Kanzlerinnen und Kanzler ist ein Familientreffen mit fachlicher Orientierung“, sagte Albert Berger, Bundessprecher der Kanzler von der TU München.

Der Gastgeber, Dieter Kaufmann, zog nach der Konferenz ebenfalls ein positives Fazit: „Die Tagung hat erfolgreich die Bedeutung von Universitäten in ihren unterschiedlichen Funktionen für die regionale Entwicklung und regionale Strukturen sowie Verbünde deutlich gemacht. Dabei wurden neben der rein ökonomischen Betrachtung auch der zivilgesellschaftliche Einfluss und die Rolle von Geistes- und Sozialwissenschaften deutlich. Eine nachhaltige Diskussion wird auch durch weitere Veranstaltungen zu diesem Thema angestrebt. Ulm war aufgrund der Entwicklung der Universität, der Wirtschaft und der Wissenschaftsstadt in den letzten Jahrzehnten ein gutes Beispiel und damit der ideale Ort für die Ausrichtung der Jahrestagung zu diesem Thema.“

Hintergrundinformation:
Teilnehmer der von Christine Prusky (Deutsche Universitätszeitung) moderierten Podiumsdiskussion waren: Dr. Waltraud Kreutz-Gers, Kanzlerin der Uni Mainz, der Juraprofessor und Richter am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Professor Wolfgang Löwer (Universität Bonn), Professorin Birgitta Wolff, designierte Präsidentin der Uni Frankfurt, sowie Dr. Josef Lange, Vorsitzender des Jenaer Universitätsrats. Dazu kam Professor Peer Pasternack, Direktor des Instituts für Hochschulforschung der Universität Halle-Wittenberg. Zuvor hatte Dr. Christian Blomeyer, Kanzler der Universität Regensburg, in die Thematik eingeführt.



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