Ulm News, 18.07.2014 13:04
Der biologischen Vielfalt weiterhin auf der Spur
Wie wirkt sich die Landnutzung durch den Menschen auf Artenvielfalt, Klima und Boden aus? Seit rund acht Jahren gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Frage in den „Biodiversitätsexploratorien“ nach – darunter auch Biologen des Ulmer Instituts für Experimentelle Ökologie.
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) alleine die Infrastruktur dieser einzigartigen „Forschungsplattform“ mit rund 3.4 Millionen Euro für weitere drei Jahre fördert. Darüber hinaus unterstützt die Forschungsgemeinschaft 35 ökologische Einzelprojekte, in denen Forscher aus ganz Deutschland und darüber hinaus arbeiten werden. Zum derzeit größten ökologischen Forschungsverbundprojekt Europas gehören drei langfristig angelegte Biodiversitätsexploratorien, die vorherrschende Landschaftstypen in Mitteleuropa abbilden. Ulmer Wissenschaftler um Professor Manfred Ayasse, stellvertretender Leiter des Instituts für Experimentelle Ökologie, sind für das Exploratorium auf der Schwäbischen Alb bei Münsingen verantwortlich. Die anderen Exploratorien befinden sich in Thüringen (Nationalpark Hainich-Dün und Umgebung) sowie im brandenburgischen Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. In diesen drei Regionen sind einheitliche Untersuchungsflächen eingerichtet worden, die typische Landnutzungsformen und -intensitäten im Wald und Grünland abdecken. Alle Erhebungen finden in der „realen Landschaft“, also auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen, statt. In einer zentralen Datenbank werden Ergebnisse aus den drei Exploratorien gebündelt. Insgesamt 300 parallel aufgebaute Untersuchungsflächen und die lange Projektlaufzeit gewährleisten statistisch aussagekräftige Ergebnisse. So können auch komplexe Fragen zu ökologischen Zusammenhängen beantwortet werden. „Wir hoffen, durch unsere Arbeit Wege zur Vereinbarung von Landnutzung und Artenschutz aufzuzeigen“, sagt Professor Ayasse. Aktuelle Projekte auf der Schwäbischen Alb drehen sich im Allgemeinen um Effekte unterschiedlicher Landnutzung auf die Biodiversität und im Speziellen um genetische Vielfalt sowie um die Vielfalt von Artengemeinschaften verschiedener Tier- und Pflanzengruppen, Pilzen und Mikroorganismen. Ein Schwerpunkt des Instituts für Experimentelle Ökologie liegt zum Beispiel auf der Vogel- und Fledermausforschung. Im brandenburgischen Gebiet Schorfheide-Chorin konnten Wissenschaftler um Dr. Kirsten Reichel-Jung (Uni Ulm) nachweisen, dass „eine vielgestaltige Waldstruktur Fledermausvorkommen und –vielfalt begünstigt“ – für die Waldbewirtschaftung eine wichtige Erkenntnis, da blattfressende Insekten auf dem Speisplan der nachtaktiven Säuger stehen. Eine Langzeitstudie, die in dieser Form nur in den Exploratorien durchgeführt werden konnte, zeigt zudem: Biodiversität sinkt in intensiv bewirtschaftetem Grünland. Variiert die Landnutzungsintensität jedoch über die Jahre, trägt dies wiederum zu einer Erhöhung der Biodiversität bei. In den Exploratorien sorgen Gebietsmanagement-Teams dafür, dass Forscher aus ganz Deutschland und den Alpenländern ihre Projekte durchführen können. Nahe Münsingen haben sie Stationen zur Messung bodenchemischer und physikalischer Parameter installiert. Zwischen den Bäumen steht ein 40 Meter hoher Klimamessturm, der kontinuierlich Daten liefert. Die Bilanz ist beeindruckend: Ergebnisse aus den Exploratorien sind bisher in rund 145 wissenschaftliche Artikel, 115 Abschluss- und 26 Doktorarbeiten eingeflossen. Und wie geht es in den kommenden drei Jahren weiter? „In der nächsten Projektphase nehmen mehrere neue Forschergruppen ihre Arbeit auf. Wir werden zum Beispiel die Zersetzung tierischer Biomasse und die Biodiversität kadaverassoziierter Insektenarten unter suchen“, sagt Manfred Ayasse, der dieses Projekt gemeinsam mit Dr. Sandra Steiger und Christian von Hoermann durchführt. Ganz konkret sollen die Auswirkungen der Landnutzung auf die Zersetzungsgeschwindigkeit und den Nährstofffluss im Boden nachvollzogen werden – ein weiterer Beitrag zur beeindruckenden Datensammlung der Biodiversitätsexploratorien.



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