Ulm News, 19.06.2014 15:00
Neuer Schlüssel zur Parkinson-Therapie? Ulmer Wissenschaftlerinnen entdecken molekulare Mechanismen
Ulmer Wissenschaftlerinnen aus der Arbeitsgruppe von Professorin Birgit Liss konnten nun mit ihrer neuesten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Brain mehr Licht in bisher ungeklärte Signalwege des Morbus Parkinson bringen. Der Leiterin des Instituts für Angewandte Physiologie an der Universität Ulm und ihren Mitarbeitern, insbesondere Dr. Elena Dragicevic, ist es nach mehrjähriger Forschung im Rahmen eines internationalen Forschungsnetzwerks gelungen, zwei unterschiedliche Therapieansätze zur Behandlung der Parkinsonkrankheit in einem neuartigen molekularen Erklärungsansatz miteinander zu verbinden.
Fast 200 Jahre sind vergangen, seitdem der Londoner Arzt und Apotheker James Parkinson (1755-1824) in seiner „Abhandlung über die Schüttellähmung“ (1817) die wichtigsten Symptome der nach ihm benannten Nervenkrankheit beschrieb: Muskelzittern, Steifheit und Bewegungsstörungen. Die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehung liegen aber noch immer im Dunkeln. Bekannt ist, dass „Morbus Parkinson“ durch den Verlust von speziellen Nervenzellen in einer Mittelhirn-Region verursacht wird. Das Besondere an diesen Neuronen aus der sogenannten „schwarzen Substanz“ („Substantia Nigra“): Sie setzen in Abhängigkeit von ihren elektrischen Aktivitätsmustern Dopamin frei, einen Botenstoff, der im Volksmund auch als „Glückshormon“ bekannt ist. Dieser ist aber auch entscheidend dafür, dass wir uns bewegen können. Ulmer Wissenschaftlerinnen aus der Arbeitsgruppe von Professorin Birgit Liss konnten nun mit ihrer neuesten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Brain mehr Licht in bisher ungeklärte Signalwege des Morbus Parkinson bringen. Der Leiterin des Instituts für Angewandte Physiologie an der Universität Ulm und ihren Mitarbeitern, insbesondere Dr. Elena Dragicevic, ist es nach mehrjähriger Forschung im Rahmen eines internationalen Forschungsnetzwerks gelungen, zwei unterschiedliche Therapieansätze zur Behandlung der Parkinsonkrankheit in einem neuartigen molekularen Erklärungsansatz miteinander zu verbinden. „Bisher wird Parkinson nur symptomatisch therapiert, indem versucht wird, den Dopamin-Mangel im Gehirn zu kompensieren. Dies geschieht entweder mit der Substanz L-Dopa oder aber mit sogenannten Dopamin-Rezeptor-Agonisten, die eine ähnliche Wirkung wie Dopamin vermitteln. Da aber immer noch nicht verstanden ist, warum die Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen im Verlaufe der Krankheit mehr und mehr absterben, gibt es derzeit noch keine Möglichkeit, die Parkinson-Krankheit aufzuhalten oder zu heilen“, erklärt die promovierte Biochemikerin Liss. Ein neuartiger therapeutischer Ansatz ergab sich aus einer großen epidemiologischen Studie. Diese zeigte, dass Medikamente gegen Bluthochdruck, die auch im Gehirn bestimmte Kalzium-Ionen-Kanäle blockierten, das Parkinson-Risiko beträchtlich senken. „Das ließ uns aufhorchen und nach der Funktion dieser Kanäle in den Dopamin-ausschüttenden Neuronen forschen“, erinnert sich Dragicevic. „Wir haben uns genau mit den Molekülen beschäftigt, über die Dopamin seine Wirkung vermittelt, und die bereits Ansatzpunkt von Medikamenten der Parkinsontherapie sind: den Dopamin-Rezeptoren“, erläutert die promovierte Neurophysiologin. Genauer gesagt, geht es dabei um so genannte D2-Autorezeptoren. Diese Autorezeptoren befinden sich auf den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen selbst, und bewirken in einem negativen Regulationskreislauf, dass Dopamin selbst die neuronale Aktivität und damit wiederum die Dopamin-Ausschüttung hemmt. Die Forschergruppe wies in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen der Substantia Nigra von Parkinson-Patienten deutlich mehr Dopamin-Autorezeptoren nach, als in der Kontrollgruppe. Außerdem konnte sie im Mausmodell zeigen, dass der hemmende Einfluss der D2-Autorezeptoren auf die Aktivität der Dopamin-Nervenzellen mit dem Alter zunimmt, diese also empfindlicher auf den Botenstoff reagieren. Wurden junge Tiere nur ein einziges Mal mit L-Dopa behandelt oder Kokain, was letztendlich ebenso eine Erhöhung der Dopamins im Gehirn bewirkt, wiesen deren Nervenzellen nach wenigen Tagen ebenfalls empfindlichere Dopamin-Autorezeptoren auf. Den Wissenschaftlern gelang es schließlich in enger Zusammenarbeit mit Professor Jörg Striessnig und dem von ihm geleiteten FWF SFB an der Universität Innsbruck, einen molekularen Zusammenhang zwischen der Sensitivität der zelleigenen Dopamin-Rezeptoren und der Aktivität bestimmter sogenannter Cav1.3 Kalzium-Kanäle aufzudecken. Genau den Kalzium-Kanälen, deren Blockierung durch Bluthochdruckmedikamente davor schützt, an Parkinson zu erkranken. „Wir haben in unserer Studie erstmals eine physiologische Funktion dieser Kalzium-Kanäle in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen gefunden, die zugleich eine zentrale Rolle für Morbus Parkinson haben“, so die Ulmer Forscherinnen. Vermittelt wird dieses Zusammenspiel zwischen den Kalzium-Kanälen und den Dopamin-Autorezeptoren im Mausmodell durch ein neuronales Kalzium-Sensor-Protein (NCS-1). Tatsächlich fanden die Wissenschaftler Hinweise auf ein vermehrtes Vorkommen von NCS-1 in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen bei Parkinson-Patienten. „Als Bindeglied zwischen den Ionenkanälen und den Rezeptoren bietet das Kalzium-Sensor-Protein nun einen weiteren neuen potentiellen Angriffspunkt für die pharmakologische Parkinsontherapie“, erläutert Liss. Unterstützt wurde das Forschungsprojekt insbesondere von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Austrian Science Fund (FWF SFB F-44) und vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).









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