Ulm News, 26.03.2014 17:00
„Flosse ab und trotzdem nicht arm dran“
Man stelle sich das vor: Ein Mensch verliert durch einen Unfall einen Arm, und nach ein paar Wochen ist dieser von sich aus komplett nachgewachsen. Was etwas gruselig und nach Science-Fiction klingt, ist für den Zebrafisch in Bezug auf seine Flossen eine Selbstverständlichkeit. „Der drei bis vier Zentimeter kleine Fisch, der im Deutschen eigentlich Zebrabärbling heißt, hat eine Eigenheit, um die ihn wohl nicht nur die Unfall-Chirurgie beneidet. Er kann verletzte oder teilamputierte Flossen komplett regenerieren“, erklärt Professor Gilbert Weidinger. Der Biologe vom Institut für Biochemie und Molekulare Biologie der Universität Ulm hat nun mit Kollegen einen neuen zentralen Steuerungsmechanismus für die Regeneration von Zebrafischflossen aufgedeckt.
„Zebrafische sind perfekte Modellorganismen für die Regenerationsforschung. Neben Flossen können sie sogar Herz und Gehirn nach Beschädigung in größerem Umfang wieder herstellen“, so der Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Daniel Wehner. Die Schwanzflossen eignen sich dabei besonders, um die Regeneration von Gewebe zu studieren. „Sie bestehen aus Knochen, Haut und Nerven, aus Blutgefäßen und anderen Zelltypen, die alle sehr rasch und perfekt miteinander koordiniert regenerieren. Egal wieviel von einer Flosse fehlt, sie wächst immer exakt auf die richtige Größe nach“, erläutert Wehner. Die Ulmer Forscher haben nun herausgefunden, wie die Zellvermehrung und Knochenbildung bei der Flossenneubildung koordiniert wird. „Für eine kontrollierte Geweberegeneration müssen grundlegende Prozesse wie die Vermehrung und Reifung von Zellen sowie die strukturgebende Gewebebildung präzise gesteuert werden. Das bedarf einer gut abgestimmten Koordination und zentralen Steuerung“, so Gilbert Weidinger.
Hier kommt nun ein bestimmter Signalübertragungsweg ins Spiel, mit dem Zellen miteinander kommunizieren: der Wnt-Signalweg. Die Ulmer Forscher konnten zeigen, dass Wnt-Signale als Masterregulatoren bei der Flossenregeneration agieren: sie kontrollieren viele andere Signalwege, die die Zellvermehrung und -reifung steuern. Dies geschieht, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, nach ersten Wundheilungsprozessen über die Einrichtung von „Kontrollzentren“ im Keimgewebe. Blastem nennt man diese Organanlage aus teilungsfreudigen, undifferenzierten Vorläuferzellen, aus dem später das neue Organ, in diesem Fall die Flosse, hervorgeht. „Doch damit sich aus dem Blastem ein reguläres Organ entwickelt, muss die Zellvermehrung, Ausdifferenzierung und Gewebebildung haargenau orchestriert werden“, ergänzt Wehner, der zu diesem Projekt promoviert hat. Das Blastem besteht aus unterschiedlichen Zonen mit sich schnell- und langsam vermehrenden Zellen sowie aus Bereichen, die für die Knochenbildung und die Entwicklung weiterer Gewebe zuständig sind. Und jeder dieser Teilbereiche wird über ganz spezifische Signale reguliert. „Nur wenn diese komplexen Prozesse koordiniert ineinander greifen und die Feinabstimmung zwischen den unterschiedlichen Entwicklungsbereichen stimmt, entsteht ein wohlgeformtes und funktionierendes neues Organ“, versichern die Ulmer Regenerationsforscher. Die Biologen konnten experimentell zeigen, dass der Wnt-Signalweg zwei Signalzentren im Blastem etabliert, über die zum einen die Zellvermehrung und zum anderen die Knochenbildung kontrolliert wird. Diese Signalzentren entsenden entsprechende Sekundärsignale, die wiederum die Feinsteuerung der Regenerationsprozesse übernehmen. Bei dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützten Projekt haben die Ulmer Wissenschaftler eine im Labor von Professor Weidinger entwickelte, neue Technologie eingesetzt, um die gewebespezifische Rolle des Wnt-Signalweges charakterisieren zu können. Sie haben transgene Fischlinien erzeugt, in denen die Forscher Wnt-Signale in bestimmten Zellen an- und ausschalten konnten. Dass der Wnt-Signalweg eine Rolle in der Flossenregeneration hat, hatte Weidinger schon früher entdeckt. Doch das Forscherteam konnte nun erstmals nachweisen, dass Wnt Signale die gewebsbildenden Prozesse bei der Organregeneration indirekt über die Einrichtung von „Signalzentren“ im Blastem steuern. „Dieser bisher unbekannte Modus der Regenerationskontrolle könnte möglicherweise helfen, die grundlegenden z
ellulären Prozesse soweit aufzuklären, dass damit auch das relativ eingeschränkte Regenerationspotential beim Menschen langfristig verbessert werden könnte“, meinen die Forscher. Veröffentlicht wurden die Forschungsergebnisse in Cell Reports, einem sehr renommierten Open Access Fachjournal des gleichnamigen Verlags. Kooperationspartner waren neben Professor Michael Kühl, dem Leiter des Instituts für Biochemie und molekulare Biologie, Wissenschaftler der Universitäten in Padua (Italien) und Utah (USA).







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