Hellmut Hattler zum neuen Album: Eine Art Safari in und durch mein bisheriges musikalisches Leben

ulm-news: Wie kam es zu dem Albumtitel „Warhol Holidays?

Hellmut Hattler: Das hat mit der ganzen Entstehungsgeschichte des Albums zu tun, ich hab mich in dieser Zeit immer mal wieder Tage-, mal Wochenlang ganz alleine zuhause eingeigelt um einigermaßen unbeeinflusst vom täglichen Treiben meine ganzen angefallenen Ideen rauszulocken und auszuarbeiten. Dabei kamen nicht nur Songs sondern auch die dazu passenden thematischen (textlichen) Stimmungsbilder, die einige meiner Lebensphasen „gefärbt“ hatten, zum Vorschein. 
Diese habe ich sozusagen gleich in die Kompositionen mit eingehäkelt. „Warhol“ hat demnach also eher eine metaphorische Bedeutung, weil es ein bestimmtes Zeitgefühl beschreibt - und zwar eins, welches diese plötzlich ganz unaufgeregt aber dennoch ziemlich schrill aufgetretene Verschmelzung von Kunst und Kommerz, also auch die Auflösung von verfeindeten Lagern der Kunstpuristen und Kitschfritzen transportiert. Für mich die zweite Schippe (nach Roy Lichtenstein) auf das, was ab da dann als „Popkultur“ durchging. In meinem Text in „Warhol Holidays“ blitzt diese Phase als eine Art „glory times“-Verklärung im Verlauf einer ungemütlichen Beendigung einer Liebesbeziehung auf. Außerdem habe ich viel mit Überlappungen gearbeitet, sowohl musikalisch als auch textlich. Der Titel „Parallelgesellschafstanzmusik“ besteht ja auch aus drei überlappenden Begriffen. Bei "Warhol Holidays“ hab ich drauf verzichtet, bzw. hab ihn extra erweitert, denn sonst wär's ein bissel platt geworden, denn es wäre in etwa auf „Kriegsferien“ rausgelaufen, was allerdings haargenau die relativ lange kriegsfreie Zeit beschreibt, in der ich frei leben und meiner Kunst nachgehen kann und bislang nur andernorts tobende Kriege aus sicherer Distanz begaffen musste. 
Und dieses Konstrukt dann auf eine unbeschwerte, konfliktfreie Zeit im Privalbereich übertragen, beschreibt das, worum's im Text geht. Ich hasse zwar solche Erklärungen, aber seit mir ein Fan geschrieben hat, dass er das Album nicht anhören wird, weil er den realen Andy Warhol voll kacke findet, kann man ja schon mal was Erhellendes dazu sagen“.

ulm-news: Was ist für dich bei deinem neuen Album anders und neu?

Hellmut Hattler: Ich habe mich im Gegensatz zu früheren Produktionsweisen, bei denen ja alle möglichen Maschinen eine wichtige Rolle spielten, wieder häufiger mit der Bassgitarre hingesetzt und auf diese altmodische Art neue Songs komponiert. Da habe ich auch sozusagen Schicht um Schicht meiner musikalischen Prägung abgetragen, um an die verborgenen Vorlieben zu kommen, die von der Routine überdeckt waren. 
Allerdings müssen Songs, die auf diese Weise entstehen, anschließend halt auch richtig toll produziert werden, das heißt, ich musste da Wege und vor allem auch Leute finden, die verstehen, auf welche Art man am besten diese Layouts in ein passendes Klangkostüm packt das mit der Jetztzeit zu tun hat - und das ist oft ziemlich mühsam, denn Geschmack lässt sich ja nur schwer vermitteln. Aber so arbeitet man sich auch wieder Schicht um Schicht nach oben, denn wenn man versucht etwas neues (oder zumindest anderes) zu machen, muss man sich auch immer erst an jede neu aufgetragene Schicht gewöhnen um darauf wiederum aufzubauen - und das dauert machmal Monate. 
Diese Zeit hab ich mir diesmal genommen und bin jetzt sehr glücklich mit dem Resultat, aber natürlich auch drauf gefasst, dass nicht alle Kenner meiner Musik da mitziehen werden, zumal ich gleichzeitig ja auch massiv an Vereinfachungen, also der Klarheit der Songs und Instrumentaltitel gearbeitet habe - kurz: es war eine Art Safari in und durch mein bisheriges musikalisches Leben und das Album ist sozusagen das Mitbringsel. Fast unnötig zu sagen, dass ich es natürlich ganz superklasse finden würde, wenn das jetzt auch den Alltag der Zuhausegebliebenen verschönern könnte.