Ulm News, 05.08.2015 11:06
Wenn Handwerksgesellen auf die Walz gehen - 15 Wandergesellen in Ulm
Immer wieder kommen Wandergesellen auch bei den Handwerkskammern vorbei, um dort vorzusprechen, das Siegel der Kammer und ein Zehrgeld zu erhalten. 15 junge Menschen fanden gestern den Weg zur Kammer Ulm.
„Das Handwerk führt seine Schüler im Ausland und auf Wanderschaft zu vielen neuen Erfahrungen. Das wird von so vielen jungen Gesellen aktiv gelebt und die Kultur des Handwerks lebt auf“, so Dr. Tobias Mehlich, Geschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. Seit dem 12. Jahrhundert ist die „Walz“ feste Tradition des Handwerks und wird bis heute gepflegt. Voll Abenteuerlust und Neugier treten auch heute noch junge Gesellen nach ihrer Lehrzeit ihre Wanderjahre an. Während die Walz bis ins 19. Jahrhundert Voraussetzung war, um Meister werden zu können, ist sie heute freiwillig. Auch können inzwischen Gesellinnen auf Wanderschaft gehen. Um die Reise ins weitestgehend Unbekannte und in alle Herren Länder zu bestreiten, gibt es ein paar Voraussetzungen: man sucht sich einen Gesellen, der schon mindestens ein Jahr unterwegs ist, dieser holt den frischen Wandergesellen ab und begleitet ihn die ersten zwei bis drei Monate. Und bringt dem „Nachwuchs“ alles bei, was er wissen muss. Zum Beispiel wie man Schlafplätze findet, wie man reist, wie man unterwegs Arbeit findet oder wie man sich zünftig und ehrbar in dieser Kleidung als reisender Handwerker verhält. Darüber hinaus bleiben Wandergesellen für mindestens drei Jahre und einen Tag auf der Walz. Während dieser Zeit dürfen sie sich dem Heimatort nicht mehr als 50 km nähern. Auf die Walz gehen junge Handwerker, die die Gesellenprüfung bestanden haben, ledig, kinderlos und schuldenfrei sind. Dann haben sie nur das Nötigste dabei. Dies wird in ein Tuch, dem „Charlottenburger“, gewickelt und an einen Stenz – den Wanderstab – gebunden. Außerdem tragen alle auf der Walz befindlichen Gesellen eine Kluft. Mehlich: „Wenn Sie Wandergesellen sehen, begegnen Sie ihnen freundlich und verwickeln Sie sie in ein Gespräch. Da kommen interessante Persönlichkeiten, die viel zu erzählen haben.“ Übrigens: Wandergesellen müssen sich nicht nur unfall- und krankenversichern, sie bezahlen auch Lohnsteuer und sind heute auch durch die in Deutschland üblichen Sozialversicherungen geschützt. Angezogen von fremden Kulturen, Bräuchen und Arbeitstechniken reisen die Gesellinnen und Gesellen durch die ganze Welt.
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