Ulm News, 06.10.2017 15:14
Straßenbahnlinie 2: Kienlesbergbrücke ist punktgenau „gelandet“
Die Kienlesbergbrücke für die Straßenbahnlinie 2 hat ihre endgültige Position erreicht. Das Absenken des 2500 Tonnen schweren Brückenkörpers auf die insgesamt nur acht filigranen Doppelstützen war zuletzt noch einmal Millimeterarbeit. Die „Landung“ erfolgte symbolträchtig am „Tag der deutschen Einheit“. Damit hat das Team um Projektleiter Thomas Harter ein weiteres wichtiges Etappenziel durchschritten.
Erst wurde der Brückenkörper über fast ein Jahr hinweg aus einzelnen Großelementen zusammen geschweißt. Per Taktschiebeverfahren wurde dieses immer länger werdende Band dann in Intervallen in Richtung des gegenüber liegenden Brückenlagers am Fuße des Kienlesbergs verschoben, und das über die Anlagen der Deutsche Bahn AG hinweg.
Im April 2017 war diese heikle Aufgabe, die lange im Voraus enge Absprachen erforderte, erfolgreich abgeschossen. Doch noch lag der 280 Meter lange Brückenkörper lediglich auf den Hilfsstützen auf. Nun musste er noch um 3,25 Meter auf die vier Stützenpaare „abgestapelt“, wie die Fachleute sagen, und mit ihnen verschweißt werden. Hört sich einfach an, ist aber in Wirklichkeit ein höchst komplizierter Vorgang, der einer gründlichen Planung bedarf. „Mit so einem Brückenkörper kommen immense Vertikal- und Horizontalkräfte ins Spiel“, erklärt Projektleiter Harter.
Die Länge des Brückenkörpers schwankt im Wechsel der Außentemperaturen um bis zu 15 Zentimeter. Doch nur an den beiden Widerlagern liegt er zukünftig auf Gleitlagern auf. Mit den vier Stützenpaaren aber wird er fest verschweißt. Durch die feste Verbindung müssen die Verformungskräfte somit „durch die Elastizität der Brücke aufgenommen werden “, erläutert Bauleiter Andreas Behnke von der Stahlbaufirma SEH Engineering GmbH.
Die Verbindungen waren daher so zu gestalten, dass sie ebenfalls Schwankungen aushalten:„Ist schon eine sehr spezielle Konstruktion.“ Insbesondere die Schweißnähte sind neuralgische Punkte. Sie erforderten in den zurückliegenden Monaten die volle Aufmerksamkeit eines ganzen Stabs an Experten: vom Planer über den Prüfingenieur über einen Schweißfachingenieur bis hin zu Behnke mit der Aufgabe der Schweißaufsicht – und natürlich den Schweißern selbst, die wiederum regelmäßig geprüfte Spezialisten ihres Fachs sind.
Schwierige Schweißarbeiten
Die Nähte sind bis zu sechs Zentimeter dick und müssen mühsam, oftmals über Kopf, in bis zu 200 einzelnen Lagen aufgebracht werden. Allein für die Herstellung von einem Meter Naht benötige ein Schweißer nach Behnkes Angaben rund zwei Tage. Pro Stütze kämen rund 20 Meter unterschiedlichster Nähte zusammen. Damit die Nähte nicht etwa nach wenigen Jahrzehnten schon „ermüden“, sprich: brechen, wurde eine detaillierte Schweißanweisung erarbeitet.
Darin festgehalten ist beispielsweise, dass die Nähte innerhalb eines Temperaturspektrums zwischen 155 und 200 Grad Celsius herzustellen sind, und das mit einem Gerät, das am Kolben 3200 Grad heiß ist. Hinterher wurde jede Naht genau kontrolliert: per Inaugenscheinnahme, per Ultraschall sowie zusätzlich durch eine spezielle Magnetpulverprüfung. Eine weitere Aufgabe war es, die Auflageflächen des Brückenkörpers zu verstärken. Um die zwischen ihm und den Stützen wirkenden immensen Kräfte aufzufangen, mussten jeweils an beiden Bauteilen zusätzliche „Bleche“ eingeschweißt werden. Diese sind sechs Zentimeter stark, in senkrechter Position und stoßen im Idealfall genau aufeinander.
In der Regel aber ergab sich zwischen diesen ein kleiner Versatz – die erlaubte Toleranz betrug aber nur wenige Millimeter –, der wieder durch genau definierte Schweißungen ausgeglichen werden musste. Für alle Abweichungen, erläutert Harter, waren neuerliche und gesonderte statische Berechnungen notwendig.
Außergewöhnlich dünn: die Stützen
Das „sehr Spezielle“ dieser Brücke sind nicht zuletzt die recht schlanken Stützen mit lediglich 70 Zentimetern Durchmesser. Gefertigt aus besonders hartem Stahl, verleihen sie dem Brückenkörper, der an den Seiten nach oben in eine wellenförmige Silhouette übergeht, Grazilität, lassen ihn wie schwebend erscheinen. Doch gibt es noch einen weiteren Grund für deren schlanken Maße: Positioniert inmitten der Gleisanlagen stand stellenweise schlicht nicht mehr Platz zur Verfügung.
Der festgeschriebene Platz für den Bahnverkehr, das sogenannte Lichtraumprofil über den Bahngleisen, musste ja auf jeden Fall gewahrt bleiben. „Eine große Herausforderung für beide Seiten, diese Baumaßnahmen zu koordinieren“, zieht André Dillmann, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm, eine erste Bilanz und stellt damit die enge Verzahnung des Brückenprojekts und des gleichzeitigen Bahnprojekts Stuttgart-Ulm heraus.
Für die SWU als Bauherrin der Linie 2 sei der neuerliche Meilenstein aus zweierlei Gründen von hervorgehobener Bedeutung. Zum einen habe Ulm damit ein „Stadtbild prägendes Bauwerk“ erhalten. Und zum anderen werde die Linie 2, die im Dezember 2018 an den Start gehen wird, nun „immer mehr sichtbar“.
Die nächsten Aufgaben warten schon Die Arbeiten an der Brücke aber sind noch längst nicht beendet. Mit dem erfolgreichen Abstapeln ist nun zwar das wohl wichtigste Etappenziel erreicht, aber noch nicht das letzte. Als nächstes stehen das Einbringen der Betonplatte und der Gleisanlage auf dem Programm, was weitere diffizile Anforderungen mit sich bringt. Oder wie Projektleiter Thomas Harter sich ausdrückt: „Es bleibt spannend.“




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