Ulm News, 30.07.2010 12:29
Peter Zwey: Theo Albrecht ist tot
Jeder weiß, wer das war, Milliardär, Visionär, ALDI Nord. Sein Bruder Karl, ALDI SÜD, lebt noch unter uns, zwei Jahre älter als der verstorbene Theo.
Nun, über ALDI muss man nichts mehr sagen, Aldi kennt jeder, aus allen Schichten, piekfein, schlicht oder abgerissen verkleidet strömen die Kunden zu ALDI. Man finde dort die oberste Qualität und die untersten Preise. So lautet in etwa der Slogan von Aldi.
Das Faszinierendste aber für mich an den beiden Brüdern ist, dass sie sich den Fangnetzen und Fußangeln der Mediengesellschaft vollkommen entzogen haben. Heute sind die Zeitungen voller alter Nachrichten. Über das Leben, die Ansichten, Urteile, Gepflogenheiten, Sitten im Hause Albrecht ist nichts bekannt. Tatsächlich nichts. Dicht wie die Mauern des Vatikans bewahren die Anwesen der Aldi Familien die Diskretion über alles Private und Persönliche. Das steigert den Mythos der Firmengründer Theo und Karl. Wir kennen nur die äußeren Daten ihres Werdegangs. Also so wenig wie wir etwa über Shakespeare wissen.
Ihre Geschäftsführung, ihre Ethik, ihre Verkaufsideen werden von den groben Philologen des Welt-Marktes studiert und ausgedeutet. Plausibles exaktes Wissen über ALDI aber haben wir nicht. Theo verstand es, großartige Juristen einzustellen, die seine genauen Geschäftszahlen in aller Öffentlichkeit geschickt verbergen. Wie er seine Parkgrenzen schützte und auch seine inneren Lücken schloss, ist ein großes Geheimnis, vor dem die Medienmacher und die Walfraffs unter den Journalisten kapitulieren müssen. Man fragt sich doch, ob nicht eine Küchenhilfe bei Theo gearbeitet haben könnte, die einem RTL Reporter gegen cash, wie man dort sagt, ein paar private Eindrücke schildern würde. Vielleicht jetzt nach dem Tode?
Nein, ich stelle mir vor, dass Theo selbst seinen Chauffeur, seine Putzhilfe und seinen Gärtner derartig reich belohnte, dass sie alle sich wie Verräter lebenslang schämen müssten, gäben sie auch nur eine Unze Privates preis. Nehmen wir eine beliebige Info, dass Theo z.B. vor seiner tödlichen Krankheit sich hin und wieder ein Glas Whisky genehmigte. Könnte doch sein. Oder dergleichen. Denn von Kleinigkeiten ausgehend konstruiert der Detektiv naturgemäß seine spekulative Architektur. Aber alles was im Kriminalfilm möglich ist, scheitert am Schweigen der Brüder.
Wie ist es möglich in der Medienblendung von heute, wo nicht einmal Richard von Weizsäckers Schlafzimmer ganz sicher sein kann vor einer homestory im Stern, wo Prominenten und Helden der Society die Kameras sogar bis in die Sterbestunde, bis in die Geburtsklinik und in den Operationssaal folgen, dass genau hier im Auge des Spektakels zwei Brüder mit ihren Familien nichts nach außen dringen lassen.
Keinen Ton, kein Bild, keine Meinung, nichts. Keine Zeitkrankheit konnte in ihre einsame Unternehmensführung eindringen, keine Partei der Mitte wusste ihr beharrliches Schweigen zu brechen.
Das Schweigen, die Stille, die Souveränität der beiden Brüder, gleicht einem Wunder.
Sie, die die Zeitläufte bewegten - und wäre das Wort nicht so lärmend, müsste man sogar sagen: revolutionierten, nahmen an unseren Geräuschen und Sensationen überhaupt nicht teil.
Verweigerten uns Zustimmung und Kritik, ließen allein ihre Angebote sprechen. Man denkt unwillkürlich an Askese, an Weisheit, an Frömmigkeit, erinnert man sich an die ALDI Brüder, Theo und Karl.




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01. August 2010 von Benjamin_Eissler