Ulm News, 07.12.2015 18:58
Hochschule und Berufsschule forschen an Niedrigenergiehaus
Private Haushalte besitzen zunehmend Photovoltaik-Anlagen – und es stellt sich mehr und mehr die Frage, wie der eigenproduzierte Solarstrom zukünftig genutzt werden soll. Für die Besitzer der Anlagen könnte es sinnvoll sein, den „überschüssigen“ Strom nicht ins Verteilnetz einzuspeisen, sondern zur Wärme- und Kältegewinnung selbst zu verwerten oder für eine spätere Nutzung zu speichern. Doch welche Möglichkeiten gibt es für Netzbetreiber, den Strom intelligent zu einzusetzen und wie könnten funktionelle Steuerungsstrukturen für elektrische Heizsysteme wie Wärmepumpen, Boiler und Nachtspeicherheizungen aussehen? Eine Antwort auf diese Fragen wollen die Forscher des Projekts NETCHEK-PV (NETzverträgliChes HEizen und Kühlen mit PV-Strom) geben.
Das mit Mitteln des UNW (Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e.V.) und der Solarstiftung Ulm finanzierte Projekt startete Anfang Juni. Neben der Hochschule Ulm sind die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm Netze GmbH als Netzbetreiber, die Technische Universität München und die Robert-Bosch-Schule Ulm an dem Forschungsprojekt beteiligt. Darüber hinaus unterstützen die Firmen Q3 Energie, Elektro Hofmann sowie Bartl-Wärmepumpen das Projekt durch die Bereitstellung der notwendigen Geräte. „Das Ziel unserer Forschungsarbeit ist es, die Auswirkungen der gezielten Nutzung und Speicherung von Solarstrom zur Wärme- und Kältegewinnung an einem realen Gebäude zu untersuchen“, erklärt Holger Ruf, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Energie- und Antriebstechnik der Hochschule Ulm.
Die Sicht des Netzbetreibers und die Entwicklung einer funktionellen Steuerungsstruktur für elektrische Heizsysteme sollen dabei explizit berücksichtigt werden. Um reale Verbrauchsdaten generieren und bewerten zu können, werden die Untersuchungen am „Plusenergie Projekthaus Ulm für nachhaltige Energienutzung“ durchgeführt. Scheint dieses von außen noch ein ganz normales Wohnhaus zu sein, wird beim Betreten schnell klar: Da steckt jede Menge modernste Technik drin. Miteinander kombiniert sind die heute verfügbaren Technologien wie Photovoltaik, Batteriespeicher, Pellet- und Wärmepumpenheizung, thermische Energie- Schichtspeicher, eine Lüftung mit Wärme- und Feuchterückgewinnung sowie eine Regenwassernutzungsanlage.
„Unser Plan ist es, den Anteil an selbst erzeugter Energie beim Eigenverbrauch zu erhöhen. Damit können die eigenen Energiekosten gesenkt und gleichzeitig die Belastung für das Stromnetz reduziert werden. Der Ausbaubedarf für die öffentlichen Netze könnte so verringert werden“, erklärt Patrick Kober, der das Projekthaus mit seiner Familie bewohnt. Als Berufsschullehrer der Robert-Bosch-Schule und Fachexperte für Heizungssysteme arbeitet er selbst aktiv am Projekt mit. Um passende Systeme für das zukünftige, aktiv steuerbare Stromnetz zu entwickeln, wurde das neu errichtete Niedrigenergiehaus nahe Ulm mit Messtechnik und Datenaufzeichnung ausgestattet.
Aus den Messdaten erhält das Forscherteam wichtige Erkenntnisse über Stromnetzbelastungen und Spannungsänderungen bei hoher Photovoltaik-Einspeisung. Am Hausanschluss und an der Photovoltaikanlage messen intelligente Zähler den Energie-Bezug aus dem Netz, die Erzeugung und schließlich die Einspeisung der Energie ins Netz.
Diese stellen zusammen mit ihrer verschlüsselten Kommunikation durch das sogenannte „Smart Meter Gateway“ auch eine sichere Verbindung zum Netzbetreiber her. Darüber hinaus wurde ein an der Hochschule Ulm entwickeltes Datenerfassungs-System installiert, welches die Verbräuche der einzelnen Räume oder besonderen Verbrauchsquellen wie der Waschmaschine oder Wärmepumpe in hoher zeitlicher Auflösung misst. Das Projekt hat eine Laufzeit von 15 Monaten.
Bis dahin wollen die Forscher die Untersuchungen a
bgeschlossen haben und sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. „Mit den Forschungsergebnissen möchten wir Anreize und Ideen für zukünftige Energie-Projekte und Entscheidungen bieten“, so Ruf. Die Kooperation mit der Robert-Bosch-Schule sei deshalb besonders wichtig für das Projekt. „Dort können die Ergebnisse im Rahmen von Gesellen- und Technikerausbildungen frühzeitig im Handwerk implementiert werden.“
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