Ulm News, 16.12.2022 15:27
Internationales Team erforscht Zusammenhang zwischen Hormonspirale und psychischen Symptomen
Hormonfreisetzende Spiralen, in der medizinischen Sprache als „hormonfreisetzende Intrauterinpessare“ (kurz Levonorgestrel/LNG-IUPs) bekannt, gelten als sehr wirksame, reversible Verhütungsmethoden und werden weltweit von Frauen im gebärfähigen Alter genutzt.
Daneben werden sie auch zur Linderung starker und schmerzhafter Monatsblutungen verwendet. Es gibt allerdings zunehmend Hinweise auf psychische Nebenwirkungen – wie depressive Symptome, Angstzustände und Suizidgedanken – unter Verwendung dieser hormonfreisetzenden Spiralen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona und Dr. Mohamed Elsayed von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums Ulm (UKU) hat ein internationales Forscherteam im Rahmen einer Übersichtsarbeit eine systematische Literaturrecherche zur weiteren Abklärung dieser Zusammenhänge erstellt. Diese wurde nun in der Fachzeitschrift The World Journal of Biological Psychiatry veröffentlicht. Das Forschungsteam hat dafür sechs medizinische Datenbanken – darunter PubMed, MEDLINE, Web of Science und Scopus – durchsucht und analysiert. Zunächst wurden dort die Studien identifiziert, die Informationen zu hormonellen Verhütungsmitteln und möglichen psychischen Symptomen in Zusammenhang bringen. 22 Studien beinhalteten demnach relevante Informationen und wurden genauer analysiert.
In dreiviertel dieser untersuchten Forschungsarbeiten fanden sich Hinweise, die auf den möglichen Zusammenhang zwischen dem Tragen einer LNG-IUP und dem Erleiden psychischer Symptome hindeuten. Zehn der Studien zeigten einen Zusammenhang mit der Entwicklung depressiver Symptome, darüber hinaus deutete eine Abhandlung auf eine erhöhte Angstsymptomatik im Zusammenhang mit dem Tragen einer LNG-IUP hin. Eine weitere Studie berichtete über ein erhöhtes Suizidrisiko. Vier Studien kamen zu dem Schluss, dass ein direkter Zusammenhang mit depressiven Symptomen unsicher ist, erwähnten jedoch andere psychiatrische Symptome, welche die Lebensqualität der IUP-Trägerinnen verschlechterten.
Weitere vier Abhandlungen fanden keinen Zusammen-hang zwischen dem Tragen einer LNG-IUP und dem Erleiden psychischer Symptome. Zwei Studien präsentierten eine Steigerung des Wohlbefindens unter der LNG-IUP. „Trotz der heterogenen Datenlage berichten viele Studien über psychische Symptome im Zusammenhang mit LNG-IUPs, hauptsächlich depressive Symptome aber auch Suizidalität“, sagt Dr. Mohamed Elsayed, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III und Erstautor der Studie. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Tragen einer hormonfreisetzenden Spirale und dem Auftreten psychischer Symptome ist bisher noch nicht vollständig geklärt. Möglicherweise gehen die erwähnten Symptome jedoch auf die Sensibilisierung zentraler Strukturen im Gehirn zurück, die die Stressachse (Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinden-Achse) auf der Gehirnebene regulieren. Dass die erwähnten Spiralen nicht nur eine lokale, sondern auch eine systemische Wirkung auf andere Organe und auch auf das Gehirn selbst haben, ist seit wenigen Jahren bekannt.
Unklar bleibt bis jetzt, wie häufig und bei welchen Trägerinnen diese Nebenwirkungen auftreten. Aus der psychiatrischen Perspektive impliziert die aktuelle Studie, dass sich Gynäkolog*innen, Allgemeinmediziner*innen und auch Psychiater*innen diesen potenziellen Risiken, insbesondere depressive Symptome und Suizidalität, bewusst sein müssen.
„Darüber hinaus sollten im Vorfeld eine angemessene psychiatrische Anamnese und Exploration bezüglich aktueller oder in der Vergangenheit erlittener psychiatrischer Erkrankungen durchgeführt werden. Weitere Studien mit gro& ; ;szl ig;en Kohorten sollten das mögliche Risiko für
psychische Störungen, in Abhängigkeit der persönlichen Vulnerabilität, im Zusammenhang mit LNG freisetzende Spiralen und auch anderen hormonellen Kontrazeptiva untersuchen“, erläutert Professor Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona, stellvertretender leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, der als Seniorautor an der Studie beteiligt war. „Anhand unserer Studie ist es jedoch nicht möglich, festzustellen, wie häufig diese Nebenwirkungen in der Realität auftreten. Überdies ist auch die Erstellung eines Vulnerabilitätsprofils nicht möglich. Ferner erlaubt unsere Studie keine Kausalitätsäußerungen“, fügt Dr. Mohamed Elsayed hinzu. „Die Ergebnisse unserer Arbeit haben jedoch einige wichtige Implikationen, wie z.B. die Bedeutung einer besseren Kommunikation zwischen Ärzt*innen und Patientinnen über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen, einschließlich Depressionen. Dies könnte dazu beitragen, die Angst von Frauen vor der Verwendung von LNG freisetzenden IUPs zu verringern.“
Das internationale Autorenteam der Studie betont, wie wichtig es ist, Patientinnen ausreichend über sämtliche Risiken in Zusammenhang mit den IUPs zu informieren, um gemeinsame fundierte Entscheidungen zu treffen und so zuverlässiger als bisher unvorhergesehene Nebenwirkungen nach dem Einsetzen zu vermeiden. Weiterhin ist eine tiefergehende Erforschung mit randomisierten kontrollierten Studien erforderlich, um eine genauere Bewertung der Auswirkungen von LNG freisetzende IUPs auf die psychische Gesundheit von Frauen zu ermöglichen, so die Forschenden. Beteiligt an der Untersuchung waren Kliniken und Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Ägypten, St. Vincent & Grenadine, Großbritannien und den USA.
Highlight
Weitere Topevents
Junge Autofahrerin kommt bei Aufprall gegen Baum ums Leben
Eine 18-jährige Autofahrerin ist bei einem Verkehrsunfall am Montagmorgen bei Erbach ums Leben...weiterlesen
Stararchitekt Libeskind hält Fertigstellung des Einstein Discovery Centers in Ulm bis 2030 für möglich
Stararchitekt Daniel Liebeskind hat bei seinem Besuch am Dienstag in Ulm einen möglichen Zeitplan für...weiterlesen
Blaubeurer-Tor-Ring in Ulm blockiert
Rund eineinhalb Stunden war am Donnerstagnachmittag der Blaubeurer-Tor-Ring in Ulm wegen eines Unfalls...weiterlesen
Brutaler Angriff auf Lehrer in Wiblingen: Ulmer Polizei nimmt 23-jährigen Tatverdächtigen fest
Im Zusammenhang mit dem brutalen Überfall auf einen Lehrer im Ulmer Stadtteil Wiblingen meldet die Ulmer...weiterlesen
Neugeborenes Kind in Glascontainer abgelegt - Mutter sagt aus
Vor dem Ulmer Landgericht hat am Dienstag der Prozess gegen eine 39-jährige Mutter begonnen, die im...weiterlesen
Müllwerker schwer verletzt
Am Freitagnachmittag sammelte ein Müllwerker im Neu-Ulmer Stadtteil Ludwigsfeld Müllsäcke ein. weiterlesen
Beim Arbeiten tödlich verletzt
Nach einem schweren Arbeitsunfall kam am Mittwoch für einen 57-Jährigen in Nattheim jede Hilfe zu spät. weiterlesen
Gäste vor Kneipe angegriffen
In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurden zwei Personen gegen 01:30 Uhr vor einer Kneipe in der...weiterlesen