Ulm News, 10.03.2019 16:59
Technische Meisterleistung: Komplette Straßenbrücke über Bahnlinie eingesetzt
Mehrere Dutzend Zuschauer verfolgten in der Nacht zum Sonntag ein Meisterleistung von Bauarbeitern, Ingenieuren und Kranführern. Mit einem riesigen Raupenkran wurde neben dem Ulmer Industriegebiet Donautal eine komplette Straßenbrücke über der Bahnlinie eingesetzt.
Text/Fotos: Thomas Heckmann
Seit Monaten wird direkt am Haltepunkt Ulm-Donautal der Bahnstrecke Ulm-Friedrichshafen gearbeitet. Im September wurde die alte Brücke der Benzstraße abgerissen und dann Fundamente für eine neue Brücke gebaut. Neben dieser Baustelle haben Stahlbauer die Straßenbrücke fertiggestellt, die in der Nacht zu Sonntag durch einen Kran eingesetzt wurde. Dadurch konnte eine wochenlange Sperrung der Bahnlinie vermieden werden, die notwendig geworden wäre, wenn man eine konventionelle Spannbetonbrücke mit einem Traggerüst und einer Verschalung gegossen hätte. Die neue Brücke liegt etwa 35 Zentimeter höher als die langsam sanierungsbedürftige alte Straßenbrücke und schafft außerdem Platz für den Fahrdraht der Bahnlinie, die derzeit elektrifiziert wird. Gegen 23 Uhr sind die Seile des Krans an der neuen Brücke befestigt und scheinbar mühelos hebt sich die Brücke von ihren Auflagen. Scheinwerfer erleuchten das Szenario taghell, denn Dutzende Bauarbeiter sind damit beschäftigt, ihre Arbeit zu vollenden. Der Raupenkran fährt vorsichtig vorwärts. Aus Holzbohlen, die größer als Eisenbahnschwellen sind, wurde ein Weg hin zur Benzstraße gebaut. Die 200 Tonnen Gegengewichte werden immer wieder in der Höhe nachjustiert, um die neue Stahlbrücke anheben zu können. Ein V-förmiger Ausleger über dem Raupenfahrweg ragt über 80 Meter in den Nachthimmel. Nach wenigen Minuten Fahrt schwebt die neue Brücke neben den Bahngleisen und dann ist erst einmal warten angesagt. Noch drei Züge müssen die Baustelle passieren, während an jeder Ecke der Brücke ein langes Seil zum Boden führt und jeweils ein Arbeiter ein Drehen der Brücke über ihren Köpfen verhindert. Es wird null Uhr, bis der letzte Zug leicht verspätet an der Baustelle vorbeifährt. Nun haben die Bauarbeiter wenige Stunden Zeit, die Brücke einzusetzen und zu befestigen. Am Sonntagmorgen läuft dann der Zugverkehr unter der neuen Brücke hindurch. Mehrere Monaten Vorplanung waren notwendig, um den Kraneinsatz zu planen. Über elf Meter sind die beiden Kettenfahrwerke lang und ziemlich genau zehn Meter breit ist der Kran, der bis zu 800 Tonnen Last heben und auch fahren kann. Damit der Kran im Ulmer Donautal aufgebaut werden konnte, waren 35 Lastwagen notwendig, um alle Einzelteile und Gegengewichte zur Baustelle zu bringen. Drei Tage lang waren Arbeiter damit beschäftigt, den Kran zusammenzubauen und betriebsbereit zu machen und es wird weitere drei Tage benötigen, um ihn auch wieder abzubauen. Kräne dieser Größenordnung werden normalerweise in ganz Europa eingesetzt und sind dann monatelang in Windparks bei der Arbeit, um Windräder zu montieren. Mit allen Ausbaustufen des Kranauslegers lässt sich der Ulmer Kran bis auf 190 Meter verlängern und könnte damit problemlos Arbeiten an der Spitze des Ulmer Münsters verrichten. Die Anpassungen der Bundesstraße 311 an die neue Brücke der Benzstraße erfordern eine Vollsperrung der B311 vom 26. April bis zum 6. Mai, dann werden im 24-Stunden-Betrrieb Arbeiten erledigt, die auf einer normalen Baustelle ein halbes Jahr benötigen würden. Die Eröffnung der Benzstraße ist für den Oktober geplant, bis dahin bleibt die provisorische Brücke für Fußgänger und Radfahrer in Betrieb.
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